Wasserstoff-Pilotprojekt: Essity gelingt als erstem Papier-Unternehmen die CO2-freie Produktion. Auf dem Weg zu dauerhafter Klimaneutralität gibt es aber noch Hürden.
Dem Papierhersteller Essity - vor allem bekannt durch die Marken "Zewa", "Tempo" und "Tork" - ist es als erstem Unternehmen seiner Branche gelungen, Papier herzustellen, ohne dass dabei klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wurde.
In einem Pilotprojekt an seiner größten Papiermaschine stellte das Werk in Mainz-Kostheim (Hessen) während laufender Produktion im aufwändigen Papiertrocknungsprozess vom Erdgas-Einsatz um auf umweltfreundlich erzeugten grünen Wasserstoff.
Klimaneutrale Produktion möglich
Werkleiter Thorsten Becherer bezeichnet dies nach technisch höchst anspruchsvoller Vorarbeit als "echten Durchbruch". Essity beweise, dass auch bei energieintensiven Unternehmen eine klimaneutrale Produktion möglich sei.
Grüner Wasserstoff brennt sauber. Das Öko-Gas soll die Welt vor der Erderwärmung retten. Ein Kick für den Klimaschutz? Oder ein milliardenteurer Irrweg?
Insgesamt investierte der Konzern vier Millionen Euro in das Projekt; weitere 1,4 Millionen Euro wurden vom hessischen Wirtschaftsministerium aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert.
Es hakt noch bei der Wasserstoff-Infrastruktur
Der dauerhafte Einsatz von grünem Wasserstoff an der Papiermaschine würde jährlich circa 37.000 Tonnen CO2 einsparen. Noch aber mangele es an nötiger, leistungsfähiger Wasserstoff-Infrastruktur, erklärt Becherer.
"De facto könnten wir ab heute schon permanent CO2-frei Papier produzieren, allerdings müsste dann alle zwei bis drei Stunden ein Transporter mit Wasserstoff kommen."
Um das Wasserstoff-Potenzial künftig optimal nutzen zu können, treiben Essity und der Technologiekonzern Schott gemeinsam mit den Stadtwerken Mainz den Aufbau der Infrastruktur voran.
Energie erzeugen, ohne Treibhausgase herzustellen – Wasserstoff einzusetzen bietet nicht nur Forschern eine Fülle von Möglichkeiten.
Industrie setzt auf Wasserstoff
Deutschlandweit wird der Bedarf an Wasserstoff als zentralem Element eines klimaneutralen Wirtschaftens immer größer. Einige Beispiele:
Dabei stellt sich der Industrie immer wieder die Frage: Wie können wir Wasserstoff in großen Mengen und kostengünstig in die Fabriken bringen?
An der Grenze zu Dänemark stehen mehrere Windparks, die nicht nur Strom erzeugen, sondern auch grünen Wasserstoff produzieren. Wie funktioniert das und was sind mögliche Probleme?
Wasserstoffwirtschaft: Aufbauarbeit unter "Hochdruck"
"Die Wasserstoff-Branche arbeitet mit Hochdruck daran, die großen industriellen Cluster mit den nötigen Grundmengen zu versorgen", sagt Jorgo Chatzimarkakis, Chef von Hydrogen Europe, dem Interessenverband der europäischen Wasserstoffwirtschaft.
Großabnehmer wie ThyssenKrupp werden Chatzimarkakis zufolge ab 2025 per Pipeline mit Wasserstoff versorgt. Ähnliches gelte für den Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen oder den Industriepark Höchst in Frankfurt am Main.
Die Umrüstung von See-Terminals koste viel Geld, sei technisch anspruchsvoll, aber machbar, "wenn Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen", so Chatzimarkakis.
Bei seinem Oslo-Besuch hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekündigt, die Zusammenarbeit mit Norwegen in der Energiepolitik auszubauen.
Wirtschaft: Bundesregierung muss liefern
Experten sehen nun vor allem die Bundesregierung unter Zugzwang; 2020 hatte diese eine "Nationale Wasserstoffstrategie" verkündet. Doch: "Von 38 konkreten Maßnahmen der nationalen Wasserstoffstrategie ist nichts gekommen außer Ankündigungen", kritisiert etwa Werner Diwald, Chef des deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands.
Mehr Durchsetzungswillen seitens der Politik wünschen sich auch die Essity-Verantwortlichen. Um in Zukunft eine wasserstofffähige Industrie zu gewährleisten und so den CO2-Ausstoß nachhaltig zu reduzieren, müsse es einen schnellen und flächendeckenden Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur geben.