Corona-Impfschäden: Müssen Hersteller haften?

    Welche Hürden es gibt:Covid-Impfschäden: Müssen Hersteller haften?

    Samuel Kirsch
    von Samuel Kirsch
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    Wer einen Impfschaden erlitten hat, kann gegen die Impfstoff-Hersteller vorgehen und staatliche Leistungen beantragen. Doch die Hürden für Schadensersatz sind hoch.

    Impfung gegen Corona
    Welche rechtlichen Hürden gibt es für Betroffene von Impfschäden?
    Quelle: Wolfgang Kumm/dpa

    Die Corona-Impfungen waren für viele ein Segen, für Einzelne wurden sie durch Nebenwirkungen zum Fluch. Einige Betroffene klagen auf Entschädigung. Bislang sind laut Medienberichten rund Hunderte Klagen gegen die vier großen Impfstoff-Hersteller Biontech/Pfizer, Astrazeneca, Johnson & Johnson sowie Moderna vor deutschen Zivilgerichten anhängig.
    Die Erfolgschancen der Kläger bewertet der Münchener Rechtsprofessor Anatol Dutta als begrenzt. "Bisher sind nach der Rechtsprechung gewöhnliche Impfschäden nicht von der arzneimittelrechtlichen Gefährdungshaftung erfasst, sondern allenfalls gravierende gesundheitliche Langzeitschäden, angesichts derer es auch Schwierigkeiten bei der Impfstoff-Zulassung gegeben hätte, wären sie vorab bekannt gewesen", erklärt der Jurist.
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    Ein weiterer Knackpunkt ist die Kausalität: Es muss genau die Impfung gewesen sein, die beispielsweise eine Hirnthrombose verursacht hat. Zugunsten der Kläger geht das Gericht von Kausalität aus, sofern nachgewiesen wird, dass der Impfstoff geeignet ist, den Schaden zu verursachen.

    Spahn-Verordnung begrenzt Haftung bei Impfschäden

    Selbst wenn ein Gericht einen Schaden aufgrund einer Corona-Impfung anerkennt, bedeutet das nicht, dass die Hersteller auch dafür haften. Das Arzneimittelgesetz sieht zwar eine so genannte Gefährdungshaftung vor. Das heißt, Hersteller haften für Schäden durch ihre Medikamente in gewissem Umfang auch dann, wenn sie keinen Fehler begangen haben.
    Für die Hersteller von Corona-Vakzinen hatte die ehemalige Bundesregierung diese Gefährdungshaftung aber weitgehend ausgeschlossen. Eine Verordnung des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) legte im Mai 2020 ohne Parlamentsbeteiligung fest, dass die Hersteller bei Covid-Impfstoff, den das Bundesgesundheitsministerium zur Pandemiebekämpfung beschafft, in vielen Fällen nur dann haftbar sind, wenn sie durch ihre Arzneimittel grob fahrlässig oder gar vorsätzlich Schäden verursacht haben.
    Hintergrund ist, dass das Ministerium durch die Verordnung bestimmte Vorschriften des Arzneimittelgesetzes für den Corona-Impfstoff ausgesetzt hatte, um die Beschaffung zu beschleunigen. Dies war rechtlich möglich, das Ministerium musste zugleich jedoch nach einer EU-Richtlinie auch die Haftung der Hersteller reduzieren.
    Berufen die Hersteller sich vor Gericht darauf, nach dem neuesten Stand der Wissenschaft mögliche Nebenwirkungen geprüft zu haben, könnte dieses Argument die Haftung wegen der Spahn-Verordnung in vielen Fällen ausschließen - je nachdem, wie die Gerichte die Verordnung interpretieren.

    Impfstoff-Hersteller können Regress fordern

    Sollten die Hersteller im Einzelfall trotz aller Hürden verurteilt werden, hieße das noch nicht, dass sie auch selbst zahlen müssten. Denn die EU hatte 2021 bei der Impfstoffbeschaffung Vereinbarungen mit den Pharmaunternehmen getroffen, wonach die Mitgliedstaaten - trotz Milliardengewinnen - mögliche Entschädigungsverpflichtungen übernehmen. Für die Impfgeschädigten ändert das indes nichts. Sie bekämen bei Erfolg vor Gericht vom Hersteller Schadensersatz, der sich das Geld dann vom Staat zurückholen könnte.

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    Neben Arztkosten, Verdienstausfall und anderen Einbußen durch den Impfschaden können Kläger vor den Zivilgerichten auch Schmerzensgeld verlangen.

    Staatliche Leistungen begrenzt

    Anders ist das bei den staatlichen Leistungen, die Impfgeschädigten zustehen. Dabei handelt es sich nicht um Entschädigungen, sondern um Versorgungszahlungen. Der Staat übernimmt insbesondere die Kosten für medizinische Maßnahmen und Reha und zahlt je nach Umfang und Dauer des Schadens eine pauschale Rente. Andere Schadensposten wie den gesamten Verdienstausfall - oder eben Schmerzensgeld - zahlt der Staat nicht.

    Viele Anträge zu Impfschäden noch in Bearbeitung

    Betroffene können die Leistungen bei den Versorgungsämtern beantragen. Nach einer aktuellen Abfrage des ZDF in allen 16 Bundesländern im April sind bundesweit bislang 7.693 Anträge gestellt worden. In 317 Fällen wurden Impfschäden anerkannt - 16 mehr als bei der letzten Abfrage des ZDF Mitte März. Darunter sind auch vorübergehende Schäden, die nicht zu dauerhaften Versorgungsleistungen führen. 2.459 Anträge wurden abgelehnt, 4.509 befinden sich noch in Bearbeitung. Zu den anerkannten Schäden zählen Sinusvenenthrombosen, Herzmuskelentzündungen sowie das Guillan-Barré-Syndrom, bei dem es zu Muskelschwäche kommt.
    Samuel Kirsch ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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