Corona-Impfung: Die Chancen der Kläger

    FAQ

    Schadenersatz und Schmerzensgeld:Corona-Impfschäden: Die Chancen der Kläger

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    In den kommenden Monaten stehen die ersten Prozesse wegen angeblicher Corona-Impfschäden an. Es geht um Schadenersatz und Schmerzensgeld. Wichtige Fragen und Antworten.

    Impfung gegen Corona
    Die Corona-Impfung zieht viele Klagen nach sich. (Archivbild)
    Quelle: Wolfgang Kumm/dpa

    Wer nach einer Corona-Impfung erkrankte, hatte schnell die Spritze gegen Covid-19 im Verdacht. Lange wurde ein solcher Verdacht pauschal abgetan. Inzwischen werden mögliche Impfschäden ernst genommen, sogar von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
    Eine Post-Covid-Ambulanz rief eine Post-Vac-Sprechstunde ins Leben, die Impfstoffhersteller werden auf Schadenersatz und Schmerzensgeld verklagt. Im Detail hat es das Thema aber in sich: Es gibt Missverständnisse, Unschärfen, bewusste Irreführung und juristische Fallstricke.
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    Worum geht es in den Prozessen?

    Der mutmaßlich erste Zivilprozess war zunächst Ende April in Frankfurt angesetzt. Inzwischen wurde dieser Prozessbeginn allerdings auf den 7. Juli verschoben. Es geht um Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Klage richtet sich gegen den Hersteller Biontech.
    Die Klägerin behauptet, durch die Covid-19-Impfung einen Herzschaden davongetragen zu haben. Die Frau, die nach Angaben ihres Anwalts selbst in einem medizinischen Beruf arbeitet, will unbekannt bleiben. Zwei Großkanzleien vertreten nach eigenen Angaben eine dreistellige Zahl von Menschen vor Gericht. Beklagt werden Hersteller verschiedener in Deutschland eingesetzter Impfstoffe.
    Für Covid-19-Impfstoffe gelten im Prinzip dieselben Haftungsregeln wie für andere Arzneimittel, etwa nach dem Arzneimittelrecht oder dem Produkthaftungsgesetz. Der Hersteller kann zur Verantwortung gezogen werden, wenn etwa ein Produktionsfehler vorliegt. Wird das Arzneimittel beispielsweise fehlerhaft verabreicht, haftet die impfende Person. Knackpunkt ist die Kausalität: Ist der Schaden ursächlich auf die Impfung zurückzuführen?

    Was sagen die Hersteller?

    Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech betont mit Blick auf die anstehenden Prozesse, "dass bisher in keinem der von Biontech geprüften Fälle ein kausaler Zusammenhang zwischen den dargestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Impfung mit Comirnaty nachgewiesen werden konnte". "Wir nehmen unsere Verantwortung als Impfstoffhersteller sehr ernst", sagte eine Sprecherin.
    Biontech prüfe sorgfältig jeden Fall, in dem Ansprüche gegenüber Biontech geltend gemacht werden. Voraussetzung sei allerdings, dass die Anwälte genügend Unterlagen vorlegen. "Bei der Bewertung des Falls können wir uns allein auf die medizinischen Fakten stützen, um zu evaluieren, ob ein kausaler Zusammenhang besteht oder nicht. Genau daran fehlt es leider sehr häufig."

    Was sind Impfschäden überhaupt?

    Die Begriffe gehen oft durcheinander. Da ist zum einen die "Impfreaktion": Das sind typische Beschwerden wie Rötungen, Schwellungen oder Schmerzen an der Einstichstelle. Auch Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen gelten als normal, sie sind Ausdruck der erwünschten Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff.
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    Als "Impfkomplikation" sieht das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) eine nach der Impfung auftretende unerwünschte Reaktion, die erstens in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung stehen könnte und zweitens über eine Impfreaktionen hinausgeht. "Impfschaden" meint im engeren Sinne "die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge" dieser Komplikation.
    "Schwerwiegende Nebenwirkungen" sind in Paragraf 4 des Arzneimittelgesetzes definiert – als Impffolgen, "die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen".

    Welche Schäden sind bekannt?

    Das PEI veröffentlicht regelmäßig "Sicherheitsberichte". Darin sind folgende schwere Impfkomplikationen aufgelistet:
    • die Herzkrankheit Myo-/Perikarditis
    • die im Gehirn auftretende Sinusvenenthrombose und weitere Blutgerinnsel
    • eine Gesichtslähmung
    • eine Muskelschwäche namens Guillain-Barré-Syndrom
    • der Hörschaden Tinnitus
    Sie alle sind den PEI-Daten zufolge "selten" (ein Fall pro 10.000 bis 1.000 Impfungen) oder "sehr selten" (weniger als ein Fall pro 10.000 Impfungen). Dem jüngsten ausführlichen Sicherheitsbericht zufolge - der Daten bis Ende Juni 2022 enthält - gab es 120 Fälle, bei denen zwischen einem Todesfall und der Corona-Impfung ein "wahrscheinlicher oder möglicher ursächlicher Zusammenhang" anerkannt wurde. Laut PEI ist die Zahl der Todesfälle 30 Tage nach einer Corona-Impfung aber nicht häufiger als im statistischen Durchschnitt zu erwarten wäre.

    Wie viele Verdachtsfälle wurden gemeldet?

    Das PEI zählt auch die gemeldeten Verdachtsfälle. Ob sich der Verdacht später erhärtet, geht aus dieser Statistik nicht hervor. Dem Institut wurden bis Mitte vergangenen Jahres 323.684 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen gemeldet. Seit Beginn der Impfungen wurden laut Robert Koch-Institut insgesamt 183 Millionen Einzelimpfungen zum Schutz vor Covid-19 verabreicht.
    Damit betrug die Melderate für alle Impfstoffe zusammen 1,8 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen und Impfkomplikationen 0,3 Meldungen pro 1.000 Impfdosen. Die Zahl liegt also im Promillebereich.
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    Wurde bisher schon Menschen Geld zugesprochen?

    Bei einigen Hundert Menschen wurden Versorgungsansprüche bewilligt. Dabei geht es nicht um Schmerzensgeld oder Schadenersatz, sondern um Versorgungsleistungen. Zuständig sind die Versorgungsämter der Bundesländer. Wenn sie den Antrag ablehnen, kann man beim Sozialgericht gegen die Entscheidung klagen. Auch hier geht es um die Frage, ob der Schaden zufällig in zeitlicher Nähe zur Impfung auftrat oder ursächlich durch die Impfung verursacht wurde.
    Nach Recherchen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) sind bis Mitte März 2023 in 13 der 16 Bundesländer 6.600 Anträge auf Versorgungsleistungen wegen Corona-Impfschäden eingegangen. Die Zahl der von den Versorgungsämtern anerkannten Corona-Impfschäden lag den Recherchen zufolge zuletzt bei 284. "In den 13 Ländern kommt ein anerkannter Corona-Impfschaden auf knapp 214.000 geimpfte Bürger", so die FAZ.

    Wann ist eine Impfung ein Risiko?

    Das PEI betont gebetsmühlenartig, "dass unerwünschte Reaktionen oftmals im zeitlichen, nicht aber unbedingt im ursächlichen Zusammenhang mit einer Impfung" stünden. Das in einem konkreten Einzelfall nachzuweisen oder zu widerlegen ist die eine Sache. Die andere ist, das Risiko für die Allgemeinheit zu quantifizieren.
    Dabei helfen Statistiken, wie oft bestimmte Krankheiten in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe in einem bestimmten Zeitfenster auftreten. Sie sind die Vergleichsgröße für die gemeldeten unerwünschten Ereignisse nach einer Impfung. Ergibt sich eine signifikant höhere Anzahl an Verdachtsfallmeldungen für ein Ereignis nach einer Impfung, als es statistisch zufällig in einer vergleichbaren Population zu erwarten wäre, spricht das PEI von einem "Risikosignal". Hier könnte also eine Gefahr lauern.

    Was ist Post Vac?

    Analog zu Long- oder Post-Covid hat sich der Begriff Post Vac für Beschwerden nach einer Impfung etabliert. Medizinisch definiert ist das Krankheitsbild nicht. Im Allgemeinen sind damit Beschwerden gemeint, wie sie auch nach einer Covid-Infektion auftreten können. Das Universitätsklinikum Marburg hat im Rahmen seiner Covid-Ambulanz eine Post-Vac-Sprechstunde ins Leben gerufen. "Wir haben jeden Tag Hunderte Anfragen zum Post-Vac-Syndrom", sagte der Leiter der Ambulanz, Professor Bernhard Schieffer. "Wie viele Verdachtsfälle sich am Ende bewahrheiten, kann man bei der ersten Kontaktaufnahme nicht sagen."
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    Nimmt sich die Ambulanz eines Post Vac-Verdachts an, muss nicht nur geprüft werden, ob es tatsächlich einen ursächlichen Zusammenhang gibt. Wichtig ist auch zu unterscheiden, ob der Patient nur geimpft ist oder auch infiziert war. Dafür wird laut Schieffer ein Test eingesetzt, der die Antikörper gegen das Virus und die Antikörper gegen das Spike-Protein des Impfstoffs unterscheiden kann.

    Wie reagiert die Politik?

    Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Hilfen für Menschen mit Langzeitschäden einer Corona-Infektion oder -Impfung zugesagt. Sein Ministerium werde ein Programm auflegen, bei dem die Folgen von Long Covid und Post Vac - also Impfschäden - untersucht würden und die Versorgung der Betroffenen verbessert werde, kündigte Lauterbach im März im ZDF-"heute journal" an.
    Die Langzeitfolgen einer Corona-Impfung müssten schneller anerkannt werden. Kommentatoren werteten das als 180-Grad-Wende des Ministers, der zuvor die Unbedenklichkeit der Corona-Impfstoffe betont hatte.

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    Quelle: Sandra Trauner, dpa

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