Brief an DFB-Chef Neuendorf:Fanbündnis kontra WM in Saudi-Arabien
von Christoph Ruf
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Gegen eine Fußball-WM 2034 in Saudi-Arabien formiert sich Widerstand: Ein Fanbündnis fordert ein "Nein" des DFB - oder eine Urabstimmung über eine deutsche WM-Teilnahme.
In einem offenen Brief wenden sich Fans an DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Der DFB steckt wegen der WM 2034 in einer Zwickmühle.
Quelle: dpa
In der Frankfurter DFB-Zentrale dürften derzeit unangenehme Erinnerungen an das Jahr 2022 hochkommen. Damals hatten zahlreiche Fan- und Menschenrechtsinitiativen zum Boykott der Weltmeisterschaft in Katar aufgerufen.
Sie hatten dabei so viel Rückhalt, dass Millionen von Fußballfreunden die TV-Geräte ausgeschaltet ließen. Vergangene Woche nun wurde ein Offener Brief von #NoToSaudiArabia2034 veröffentlicht, der sich an DFB-Präsident Bernd Neuendorf richtet.
Breites Bündnis kritisiert Menschenrechtslage
Hinter dem Aufruf stehen knapp 40 Initiativen sowie fünf Fanbündnisse, darunter "Unsere Kurve", die bei den Anti-Katar-Protesten noch nicht dabei waren. Auch die Zusammenarbeit mit der Menschenrechtsorganisation amnesty international ist neu.
Im Brief heißt es, in der "diktatorischen Monarchie" Saudi-Arabien würden "Menschenrechte ständig und massiv verletzt". Es gebe "keine Meinungs- und Pressefreiheit, keine freien Wahlen, keine Religionsfreiheit. Die Selbstbestimmungsrechte von Frauen sind stark eingeschränkt, Homosexualität ist verboten."
Situation der Arbeitsmigranten sorgt für Empörung
Die Unterzeichner kritisieren zudem das Fehlen jeder Opposition: "Zum Alltag gehören willkürliche Verhaftungen, Folterungen und eine häufig verhängte Todesstrafe, auch wegen politischer 'Straftaten'."
Teil 1: Wie Katar die Fußball WM 2022 bekommen hat08.11.2022 | 2:15 min
Dank des "Kafala-Systems" arbeiteten zudem über zehn Millionen Menschen weitgehend rechtslos als Arbeitsmigranten. Letzteres war bereits bei der Anti-Katar-Kampagne vor zwei Jahren ein Faktor, der viele Menschen gegen die WM aufbrachte.
DFB sieht sich nicht unter Zeitdruck
Gegenüber der Initiative erklärte ein Sprecher von Neuendorf, dass sich der DFB frühestens im Herbst öffentlich äußern wird. Bis dahin will man beim Verband eine Haltung entwickeln und kommunizieren, hinter der alle im DFB stehen - bei der WM in Katar war das nicht gelungen.
Dass eine Vergabe nach Saudi-Arabien wohl vor allem in Europa für Empörung sorgen würde, ist derweil unumstritten. Auch deshalb deutet für Initiativen-Sprecher Bernd Beyer "alles auf eine WM in Saudi-Arabien hin, einem Land, das in vielerlei Hinsicht noch problematischer ist als Katar".
Entscheidung bereits gefallen?
Die Initiatoren fürchten, dass die Entscheidung bereits gefallen ist. Es sei ausgemachte Sache, dass der FIFA-Rat die WM 2030 an Europa, Afrika und Südamerika als gemeinsame Veranstalter vergeben wird.
Und zu den Gepflogenheiten bei der WM-Vergabe gehört, dass kein Kontinent zwei Mal in Folge berücksichtigt wird. Bliebe für 2034 Asien. Und damit dessen einziger Kandidat: Saudi-Arabien.
Initiative glaubt nicht an eine Gegenstimme des DFB
Dass der DFB gegen das wahrscheinliche Votum des FIFA-Rates stimmen wird, hält die Initiative für unwahrscheinlich. Zum einen, weil das Gremium Mitte Mai entscheiden wird, ob die Frauen-WM 2027 nach Deutschland vergeben wird. Laute Kritik wäre da kontraproduktiv.
Der DFB, der größte Verband der Welt, schlittert von einer Krise in die Nächste. Sportlich nur noch Mittelmaß. Die EM im eigenen Land - letzte Chance für einen Neustart?22.03.2024 | 20:22 min
Und zum anderen, weil "man dann auch die südamerikanischen und afrikanischen Verbände als wahrscheinliche Mit-Ausrichter der WM 2030 verprellen würde", wie Beyer glaubt. Er hat durchaus Verständnis dafür, dass sich der DFB in einer Zwickmühle befindet.
Wie verhält sich der DFB?
Für den DFB ist das ein echtes Dilemma: Wenn er gegen Saudi-Arabien votiert, brüskiert er zahlreiche Verbände und bricht gegenüber der FIFA ein inoffizielles gentlemen's agreement.
Es sieht vor, dass die Entscheidungen im FIFA-Rat - ähnlich wie auf UEFA-Ebene - im Konsens fallen und im Gegenzug jeder profitiert. Beyer spricht von "Kuhhandel".
Alles läuft auf eine Fußball-WM 2034 in Saudi-Arabien hinaus. Nach dem umstrittenen Wüstenturnier in Katar im Vorjahr hält sich die Kritik gegenüber dem möglichen Gastgeber.
Deutsche WM-Teilnahme: Basis soll entscheiden
Falls Saudi-Arabien im Herbst im Anschluss an die Entscheidung über die WM-Vergabe 2030 den Zuschlag für 2034 bekommt, fordern die Initiatoren von #NoToSaudiArabia2034 deshalb eine Urabstimmung unter den DFB-Mitgliedern, ob das deutsche Team an einem solchen Turnier teilnehmen soll.
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