IOC vor Entscheid - Olympia und Russland: Es droht ein Chaos

    IOC vor Entscheidung:Olympia und Russland: Es droht ein Chaos

    von Susanne Rohlfing
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    Sollen russische und belarussische Athleten wieder an internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfen? Die Frage spaltet den Sport. Das IOC will nun eine Empfehlung aussprechen.

    Russland, Olympia
    Der DOSB ist gegen ein Startrecht russischer Athleten bei Olympia 2024.
    Quelle: AP

    Vor gut einem Jahr war man sich innerhalb des Sports noch einig: Nachdem Russland mit Hilfe von Belarus seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen hatte, wurden russische und belarussische Athleten größtenteils vom internationalen Wettkampfgeschehen ausgeschlossen. Am Krieg, an der Völkerrechtswidrigkeit des russischen Angriffs hat sich seither nichts geändert.

    Qualifikationen für Paris 2024 starten

    Aber es nahen die Olympischen Spiele in Paris 2024 (26. Juli - 11. August). Die Qualifikations-Wettkämpfe beginnen. Und es mehren sich Stimmen, die einen dauerhaften Ausschluss von Russen und Belarussen auf Grund von Entscheidungen der Politiker ihrer Herkunftsländer für Diskriminierung halten.
    Thomas Bach, Jurist und Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, warb zuletzt für seine Haltung, den Sport nicht als "politische Waffe", sondern als "verbindende Kraft" zu sehen.

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    Die Olympischen Ringe vor dem Eiffelturm in Paris.

    IOC-Chef Bach: Nervtötend neutral

    Nach dem russischen Dopingskandal ab Ende 2014 gab Bach sich schon fast nervtötend neutral und schob alle Entscheidungs-Verantwortung über eine Starterlaubnis für russische Athletinnen und Athleten den internationalen Spitzensportverbänden zu. Dafür erntete er viel Kritik. Jetzt will er es offenbar anders machen und klar Stellung beziehen.
    Beim dreitägigen Treffen des IOC-Exekutivkomitees ab Dienstag in Lausanne soll über eine Empfehlung an die Spitzenverbände entschieden werden, Russen und Belarussen wieder für internationale Wettkämpfe und damit auch für die Olympischen Spiele von Paris zuzulassen.
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    DOSB gegen Startrecht

    Thomas Weikert, Jurist und Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), ist dagegen:

    Wir wollen nicht, dass sie wieder starten dürfen. Sport ist nicht unpolitisch, auch wenn anderes behauptet wird. Wir sehen immer wieder, dass Sport durchaus für politische Zwecke eingesetzt wird.

    Thomas Weikert

    "In Russland ist das in besonderem Maße der Fall. Das flächendeckende System des Staats-Dopings hat ja gezeigt, wie sehr die politische Führung auf sportliche Erfolge dringt. Deshalb befürchten wir, dass die Teilnahme russischer Athleten an den Spielen in Paris zu Propaganda-Zwecken missbraucht werden würde", erklärt Weikert: "Dies zu verhindern, muss bei einer Zulassung oberstes Ziel sein."
    Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DSOB), ist am Samstag auf der Mitgliederversammlung in Baden-Baden im Amt bestätigt worden.
    DOSB-Präsident Thomas Weikert
    Quelle: Marius Becker/dpa

    Nach Ansicht des DOSB dürfte diese daher, wenn überhaupt, nur unter sehr strikten Voraussetzungen erfolgen. Das heißt unter anderem: völlige Neutralität, keine Zugehörigkeit zum russischen Militär, keine Unterstützung des Kriegs, keine nationalen Farben oder Symbole, keine Hymnen.

    Gutachten unterstützt Athleten-Ausschluss

    35 Nationen, vor allem aus der westlichen Welt, haben sich im vergangenen Sommer für einen Ausschluss des russischen Sports ausgesprochen. Dem IOC gehören aber 206 Nationale Olympische Komitees an. Da ist reichlich Spielraum für andere Auffassungen und unterschiedliche Rechtsauslegungen. Da wäre das Argument, dass es an anderen Orten dieser Welt Kriege gab und gibt, die nicht entsprechend sanktioniert werden. Oder die Haltung, dass auch gut gemeinte Diskriminierung nun mal Diskriminierung ist.
    Der DOSB hat ein Gutachten bei Rechtsprofessorin Patricia Wiater von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in Auftrag gegeben. Sie kommt zu dem Schluss, dass Russen und Belarussen völkerrechtlich betrachtet ausgeschlossen werden können.
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    Rechtsexpertin: IOC muss Ukrainer schützen

    Nur die mögliche Diskriminierung von Russen und Belarussen zu betrachten, ist ihr zu einseitig. Sie meint, das IOC sei verpflichtet, sich schützend vor die Menschenrechte besonders vulnerabler Sportlerinnen und Sportler zu stellen, also die der Ukrainer.
    Bindend wird die Empfehlung des IOC für die internationalen Verbände nicht sein. Der Leichtathletik-Weltverband hat schon klargestellt, dass er bei seiner Ausschluss-Entscheidung bleiben würde. Der Fecht-Weltverband will die Zulassung, deutsche Fechter sind dagegen.

    Ukraine droht mit Olympia-Boykott

    Und die Ukraine droht mit einem Boykott der Sommerspiele von Paris. "Dazu darf es nicht kommen", sagt Weikert: "Wir wollen ein starkes ukrainisches Team in Paris sehen."

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