Beucher: Para-Spitzensport ist Ernte kontinuierlicher Arbeit

    Interview

    Para-Spitzensport:Beucher: "Die Ernte kontinuierlicher Arbeit"

    von Susanne Rohlfing
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    DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher über ein erfolgreiches Wettkampfjahr und die Vorfreude auf Paris. Noch bis Sonntag können die Para-Stars des Jahres gewählt werden.

    Friedhelm Julius Beucher, Präsident Deutscher Behindertensportverband, am 21.01.2023 in Frankfurt am Main.
    DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher blickt auf ein erfolgreiches Jahr
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Herr Beucher, wie schwierig war es in diesem Jahr, die Kandidatinnen und Kandidaten für die Einzel-Auszeichnungen bei den Wahlen zur Para-Sportlerin und zum Para-Sportler des Jahres zu nominieren?
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    Julius Beucher: Wir haben nicht nur einen super Sommer hinter uns, sondern auch die Alpinen und Nordischen sind ja fulminant in dieses Vor-Paralympics-Jahr gestartet - wobei die Wintersportler ja noch ein paar Jahre Zeit haben. Trotzdem haben die abgeräumt. Allein seit Juli haben wir dann bei 15 Weltmeisterschaften und 13 Europameisterschaften in insgesamt 14 Sportarten 33 Gold-, 38 Silber- und 40 Bronze-Medaillen geholt. Da wird natürlich die Auswahl für so eine Wahl sehr, sehr schwierig.

    Qual der Wahl bei der Nominierung

    ZDFheute: Wie haben Sie es gemacht? Ihre Superstars wie Prothesen-Weitspringer Markus Rehm oder Prothesen-Sprinter Johannes Floors haben es trotz ihrer neuerlichen WM-Siege gar nicht in die Auswahl geschafft.
    Beucher: Wir hatten bei dieser Fülle an Weltmeistertiteln die Qual der Wahl. Einige Athletinnen und Athleten sind ganz aktuell auf die internationale Bühne gedrängt und haben mit individuellen Leistungsverbesserungen auf sich aufmerksam gemacht. Da sind Dauerklassiker wie Markus Rehm, dessen Dominanz ungebrochen ist, einfach in der Nominierung nicht ganz nach vorn gekommen. Das schmälert aber nicht einen Zentimeter seiner außergewöhnlichen Weiten, die er kontinuierlich springt. Und es ändert nichts an der Tatsache, dass er weiterhin ein Weltausnahmesportler ist.
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    ZDFheute: Der Sommer im olympischen Sport war lange nicht so erfolgreich für deutsche Athletinnen und Athleten - gibt es etwas, das sie sich im paralympischen Sport abgucken könnten?
    Beucher: Ich betrachte die Sportler insgesamt, egal ob olympisch oder paralympisch. Bei den olympischen hat es in vielen Wettbewerben nicht hingehauen, bei uns hat es hingehauen. Deshalb sind deutsche Paralympics-Sportler aber nicht besser oder schlechter als deutsche Olympia-Sportler. Für beide gilt: Die internationale Leistungsexplosion ist ungebrochen. Noch vor zehn Jahren hat es nicht so viele leistungsstarke Nationen gegeben, wie das jetzt der Fall ist. Und es tauchen immer wieder neue auf.

    Spitzensport nur als Vollzeitbeschäftigung möglich

    ZDFheute: Es bedarf offenbar eines größeren Aufwands, um an der internationalen Spitze dranzubleiben. Wie schaffen Sie das im Para-Sport?
    Beucher: Unsere Sportlerinnen und Sportler können heute nur noch in der internationalen Spitze mithalten, wenn sie ohne berufliche Verpflichtungen sind. In immer mehr Nationen betreiben die Athletinnen und Athleten nur Sport, das ist in Deutschland abseits von Bundeswehr, Zoll, Polizei und nicht zuletzt der Sporthilfe noch nicht so ausgeprägt. Aber wer morgens zur Arbeit geht und nur abends trainiert, hat keine Chance, das ist Breitensport.
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    ZDFheute: Wie blicken Sie nach diesem erfolgreichen Sommer den Paralympics im kommenden Sommer in Paris entgegen?
    Beucher: Der Erfolg hat noch ein paar kleine Sorgenfalten. Ich sehe die tollen Ergebnisse unserer Einzelsportler, was aber noch fehlt sind unsere Klassiker: Die Rollstuhlbasketballer sind sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern noch nicht dabei, die müssen sich noch qualifizieren. Genauso wie die Sitz-Volleyballer, die jüngst bei der EM Silber gewonnen haben, damit wäre man früher dreimal bei Paralympics dabei gewesen. Da muss noch etwas passieren. Aber es sind alle hoch motiviert.

    Spiele in einem demokratischen Land: Wunderbar!

    ZDFheute: Paris als Austragungsort macht doch aber auf jeden Fall Lust auf die Spiele, oder?
    Beucher: Ja, wir haben Paralympics praktisch vor der Tür. Und Paris hat nicht nur den Reiz dieser Stadt, sondern dazu sind die Sportstätten bis auf wenige Ausnahmen mitten in der City. Man muss sich das mal vorstellen: Bei den Olympischen Spielen die Eröffnungsfeier auf der Seine, bei uns, bei den Paralympics, auf der Champs Élysée vor dem Arc de Triomphe. Das ist Sport mitten in die Bevölkerung hineingetragen. Das ist wunderbar. Es finden mal wieder Olympische und Paralympische Spiele in einem demokratischen Land statt. Das freut mich.







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