Special Olympics: Schlaikier träumt von einer Medaille

    Tennis bei Special Olympics:Medaille holen und einmal Zverev treffen

    von Florian Vonholdt
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    Christian Schlaikier holte mit Unified-Partnerin Annabell Behrmann bereits Gold – bei den Nationalen Spielen. Noch wichtiger: Das Duo ist ein Musterbeispiel für gelebte Inklusion.

    Christian Schlaikier und Annabell Behrmann
    Unified-Partnerin Annabell Behrmann mit Christian Schlaikier.
    Quelle: imago

    Wenn Christian Schlaikier und Annabell Behrmann ab 18. Juni in Berlin im Unified Mixed-Wettbewerb der Special Olympics aufschlagen, ist es für das Tennis-Duo die Rückkehr an den Ort, der die beiden schon jetzt für immer verbindet.
    Auf der Anlage des SC Brandenburg gewannen die beiden gemeinsam im vergangenen Jahr Gold bei den Nationalen Special Olympics. Christian errang zudem die Silbermedaille im Einzel. An gleicher Stelle finden nun die Weltspiele für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung statt. Christian geht dann als einer von mehr als 100 Tennisspielern an den Start. Annabell spielt als seine Unified-Partnerin (deutsch: vereinigt) erneut im Mixed an seiner Seite.

    Schlaikier und Behrmann verstehen sich auch neben dem Platz

    Jene Unified-Wettbewerbe machen es möglich, dass Athleten wie Christian gemeinsam mit Partnerinnen oder Partnern ohne Beeinträchtigung um Medaillen spielen, vor allem aber zusammen Spaß haben können. Voraussetzung ist, dass beide ein ähnliches Spielniveau aufweisen.

    Seit 1987 ist Tennis bei den Special Olympics vertreten. Bei den Spielen in Berlin ist es zudem eine von 16 Unified-Sportarten. Das bedeutet: Athleten mit geistiger Behinderung treten mit sogenannten Unified-Partnern ohne geistige Behinderung gemeinsam in einem Team an. Beim Tennis wird das in den Doppel- und Mixed-Wettbewerben praktiziert.

    Wichtig dabei: Athlet und Unified-Partner sollten auf einem ähnlichem Spielniveau sein. Und: die Partner dürfen das Spielgeschehen nicht dominieren, sondern müssen sich bemühen, die Athletinnen und Athleten einzubinden. Sogenannte "Unified Observer" beobachten das Verhalten auf dem Platz. Bei Nichtbeachtung drohen Punktabzug oder im äußersten Fall die Disqualifikation. Das Miteinander und der Spaß sollen stets im Vordergrund stehen.

    Zugrunde liegen die offiziellen Regeln der International Tennis Federation (ITF). Einzige Besonderheit: Die Sätze werden nur bis vier statt bis sechs gespielt. Vor Beginn der Hauptrunde werden Klassifizierungsspiele ausgetragen (18. und 19. Juni), um in etwa gleichstarke Gruppen zu bilden. Die Gruppenbesten bestreiten im Anschluss die Finalspiele (23. und 24. Juni).

    Insgesamt sechs Tennis-Disziplinen werden auf der Sandplatz-Anlage des SC Brandenburg nahe der Messe Berlin ausgetragen: Einzel, Doppel, Mixed, Unified Doppel und Unified Mixed. Dazu gibt es den Unified-Team-Wettbewerb, bei dem sich je zwei Mixed-Paarungen zu einem Nationen-Team zusammenschließen und Mannschaften aus anderen Ländern gegenüberstehen.109 Athleten und 30 Unified-Partner werden bei den Tennis-Wettbewerben in Berlin erwartet.

    Beim Doppel-Interview mit der Mixed-Paarung Schlaikier/Behrmann fällt rasch auf: Das Duo harmoniert nicht nur auf dem Court prächtig. Annabell verrät, dass Christian und sie "auch abseits des Platzes Freunde geworden" sind.

    Wir hören eigentlich jeden Tag etwas voneinander.

    Annabell Behrmann über ihren Unified-Partner Christian Schlaikier.

    Ihr Beispiel zeigt, was inklusiver Sport leisten kann. Dafür stehen auch die Special Olympics in Berlin.

    Erstes gemeinsames Training für Schlaikier und Behrmann 2020

    Erstmals begegnet sind sie sich 2020, als Annabell als Redakteurin für das Hamburger Abendblatt über die Sportler der Norderstedter Werkstätten berichtete. Dort ist Christian im Bereich Logistik beschäftigt. Für ihn und seine Kollegen bietet die Einrichtung umfangreiche Möglichkeiten, neben dem Arbeitsalltag Sport zu treiben. Die Trainerin der Werkstätten stellte den Kontakt zwischen Schlaikier und Behrmann her. Bald standen sie erstmals zusammen auf dem Tennisplatz.
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    Für Annabell ein Aha-Erlebnis. Die Verbandsliga-Spielerin erinnert sich schmunzelnd: "Wir sind zum ersten Mal auf den Platz gegangen und ich dachte, Christian hat noch nie einen Schläger in der Hand gehalten. Auf einmal hat er mir die Bälle um die Ohren gehauen."

    Deutscher Meister mit Kugel und Diskus

    Christian, dessen Lieblingsschlag die einhändige Rückhand ist, klärt auf: "Ich habe in meiner Jugend bis zu meinem 18. Lebensjahr Tennis gespielt, dann beruflich bedingt aufgehört und anschließend jahrelang Leichtathletik betrieben, Fußball und Tischtennis gespielt." So wusste er noch genau, wie er mit dem Racket umzugehen hat – zur Überraschung seiner Spielpartnerin.
    Ohnehin: Der 48-Jährige aus Henstedt-Ulzburg ist ein sportliches Multitalent, spielt auch noch Basketball und wurde einst Deutscher Meister im Kugelstoßen und Diskuswurf.

    Teamkolleginnen als Trainingspartner

    Rund zweieinhalb Jahre ist das eindrückliche erste Tennis-Training nun her. Die beiden hatten so viel Spaß an der gemeinsamen Sache, dass die Verbindung dauerhaft wurde. Mit einem Ziel, das anfangs noch fern schien: Die Teilnahme an den Special Olympics.
    Darauf hingearbeitet haben sie bei Annabells Tennisverein TSC Glashütte in Norderstedt. Oft mit ihren Teamkolleginnen als Sparringspartnerinnen. Christian ist beim TSC inzwischen voll integriert, absolviert dort jeden Donnerstag sein Einzeltraining.

    Schlaikier musste vor Freude weinen

    2022 war das Mixed aus Schleswig-Holstein dann tatsächlich bei den Special Olympics auf nationaler Ebene dabei. "Und wir haben die Goldene geholt!", platzt es aus Christian noch immer voller Begeisterung heraus.
    Mit diesem Erfolg stießen sie das Tor zu den Weltspielen auf, die ab Samstag erstmals überhaupt in Deutschland stattfinden. Christian erinnert sich noch genau an den Tag im November, als er und Annabell erfuhren, dass sie nominiert sind: "Als die Nachricht kam, musste ich vor Freude weinen."

    Verletzungsprobleme in der Vorbereitung

    Mit welchen Ambitionen geht es diesmal nach Berlin? "Dabei sein ist alles", sagt Christian und ist dann doch vom Ehrgeiz gepackt: "Aber das Ziel ist schon, eine Medaille mit nach Hause zu bringen." Zu schön war das Gefühl im letzten Jahr. Drei Gelegenheiten hat er für Edelmetall. Neben dem Mixed tritt er auch im Einzel an. Und zusätzlich im Teamwettbewerb mit Annabell.
    Sie selbst stapelt etwas tiefer, sieht alles, was nun kommt als "Bonus". In der Vorbereitung hatte sie mit einer hartnäckigen Knieverletzung zu kämpfen, konnte mehrere Wochen nicht auf dem Platz stehen.

    Per Bus nach Berlin

    Stoppen lassen will sie sich davon aber nicht: "Zur Not krieche ich nach Berlin." Das blieb ihr aber glücklicherweise erspart. Die 30-Jährige konnte am frühen Mittwochmorgen in den Reisebus steigen, der die gesamte schleswig-holsteinische Delegation in die Hauptstadt brachte.
    Sie ist voller Euphorie: "Bei solch einem Event dabei zu sein und für sein Land spielen zu dürfen, das hätte ich mir als Freizeitspielerin nie erträumen lassen."

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    Plötzlich prangt der Bundesadler auf dem Arm

    Diesmal wird das Flair noch beeindruckender sein als vor einem Jahr. Aufgeregt sind beide. Auf der Spielkleidung prangt plötzlich der Bundesadler, die Punkte werden auf Englisch gezählt, TV-Kameras übertragen ihre Aufschläge, Vor- und Rückhände in die ganze Welt.
    "Es wird eines der größten Ereignisse unseres Lebens. Ich bin Christian einfach total dankbar, dass ich dabei sein darf", schwärmt Annabell.

    Ein Treffen mit Alexander Zverev

    Und Christian? Der hat neben der Medaille noch einen anderen großen Wunsch. Er ist Fan von Olympiasieger Alexander Zverev, verfolgt dessen Matches wie zuletzt bei den French Open ganz genau.
    "Mein größter Traum wäre es, ihn persönlich zu treffen. Das wäre ein Highlight", sagt er. Einmal mit Deutschlands bestem Tennisprofi über das Spiel mit dem gelben Filzball fachsimpeln, das wär’s. Am liebsten von Olympiasieger zu Olympiasieger.

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