Spitzensport-Förderung: Forschungsinstitute gegen Kürzungen

    Spitzenförderung:Sportgeräte-Forscher gegen Kürzungspläne

    von Susanne Rohlfing
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    Sportgeräte-Entwickler wehren sich gegen die geplante Streichung von rund vier Millionen Euro an Bundesmitteln. Sie fürchten um den technischen Vorsprung im Spitzensport.

    Kanu
    Der erfolgreiche deutsche Kanu-Sport zählt zu den Disziplinen, die besonders hart von Mittelkürzungen betroffen wären.
    Quelle: ZDF

    Die besten Bobs, Rennräder oder Kanus zu entwickeln, das ist eigentlich der Job von Michael Nitsch, dem Direktor des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin. Darin sind der Maschinenbauer und seine Leute richtig gut, deutsche Athletinnen und Athleten sind in vielen Disziplinen gefürchtet für ihren technischen Vorsprung.
    Doch das könnte sich ändern, wenn die Sparmaßnahmen des Bundes das Institut so treffen, wie im Haushaltsentwurf für das Olympiajahr 2024 von Finanzminister Christian Lindner (FDP) geplant. Und deshalb ist Nitsch aktuell weniger Wissenschaftler und mehr Öffentlichkeitsarbeiter. Auch das macht der Diplom-Ingenieur gut.

    Sparpläne erschüttern Arbeit der Sportgeräte-Entwickler in Grundfesten

    Nitsch gibt Interviews in Dauerschleife, erklärt die irgendwo in den Tiefen des Entwurfs versteckten Pläne, die sein Institut und das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig (IAT) in ihren Grundfesten erschüttern würden und fragt provokant:

    Wollen wir für die Zukunft des deutschen Spitzensports ein Budapest oder ein Duisburg?

    Michael Nitsch, Entwickler von Sportgeräten beim FES in Berlin

    Damit spielt er an auf die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Ungarns Hauptstadt, von denen das deutsche Team mit null Medaillen heimkehrte. Und auf die Kanurennsport-Weltmeisterschaften in Duisburg, wo deutsche Kajak- und Canadierfahrer gerade 14 Plaketten holten, darunter drei goldene in FES-Booten, und damit den Medaillenspiegel anführten. Vor allem der Sieg von Tim Hecker und Peter Kretschmer über die olympischen 500 Meter im Canadier-Zweier freute den FES-Chef.
    27.08.2023, Nordrhein-Westfalen, Duisburg: Kanu: Weltmeisterschaft, Finale, Canadier-Zweier, 500m, Mixed. Die späteren Sieger Lena Röhlings und Jacob Schopf in Aktion.
    Unter anderem mit Gold für die Canadier-Zweier Peter Kretschmer/Tim Hecker und Lena Röhlings/Jacob Schopf.27.08.2023 | 34:40 min

    Deutscher Gold-Canadier in Duisburg war FES-Boot

    Es war ein beeindruckender Triumph mit einer Bootslänge Vorsprung - in einem neu entwickelten Canadier. "Diese Bootsklasse haben wir lange nicht in den Griff bekommen", sagt Nitsch, "aber jetzt ist es uns geglückt". Da gehe es um ein paar Prozent Hydrodynamik hier und ein paar technische Finessen dort.
    Tiefere Einblicke in die Karten seiner Experten lässt Nitsch nicht zu. Die Konkurrenz hat schließlich Augen und Ohren. Und vielleicht auch bald das nötige Knowhow, wenn nämlich das FES mehr als 20 seiner gut 90 Angestellten entlassen müsste. Genau das droht, wenn die für das Olympiajahr 2024 geplante Einsparung von rund vier Millionen Euro für FES und IAT kommt.
    Für die Etats der beiden Institute, die erst in den letzten beiden Jahren aufgestockt worden waren, bedeutete das ein Minus von 19 Prozent. Also prozentual deutlich mehr als die für den gesamten Bundeshaushalt geplante Einsparung von 6,4 Prozent, und noch deutlicher mehr als die für das zuständige Bundesinnenministerium (BMI) vorgesehene Reduktion der Mittel um 1,5 Prozent. Nitsch warnt:

    Wenn jetzt die falschen unserer Mitarbeiter die Nerven verlieren und zur Konkurrenz gehen, dann werden auch in den deutschen Erfolgssportarten die Medaillenspiegel auf den Kopf gestellt.

    Michael Nitsch

    Das betrifft den Kanurennsport, Bob und Bahnradsport und so manche paralympische Disziplin.

    Weniger Erfolge im Spitzensport seit 1992

    Die Erfolge deutscher Spitzensportler gehen seit den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona merklich zurück. BMI und Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) hatten deshalb 2016 eine Spitzensportreform beschlossen, eine Kehrtwende ist bislang aber nicht erkennbar. "Die Leistungssportreform funktioniert nicht", sagt Nitsch: "Und jetzt geht es auch noch rückwärts."
    In einer Erklärung des Finanzministeriums zum Haushaltsentwurf heißt es lediglich, dass bis auf das Verteidigungsministerium alle Ressorts "entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit" einen Einsparbeitrag erbringen müssten. Ab dem 5. September wird der Entwurf im Bundestag beraten.

    Forderung nach gleichem Etat wie in vergangenen Jahren

    Nitsch dagegen fordert für das FES und die Kollegen beim IAT, wo deutsche Spitzensportler trainingswissenschaftlich begleitet werden, die Bereitstellung desselben Etats wie in den vergangenen zwei Jahren - plus einen Ausgleich für die Tariferhöhungen.
    Um diese Forderung mit Leben zu unterfüttern, haben die beiden Institute am Montag zu einer Pressekonferenz mit hoch dekorierten Gästen geladen. Kanu-Olympiasieger Ronald Rauhe, Bob-Olympiasieger Francesco Friedrich, Bahnradolympiasiegerin Franziska Brauße oder Para-Triathlet und Paralympicssieger Martin Schulz haben ihr Kommen zugesagt. Sie alle verdanken ihre Erfolge auch dem deutschen Technik-Vorsprung. Der nun für vier Millionen Euro aus der Hand gegeben werden soll.
    Thema

    Vorsprung durch Technik - deutsche Erfolgssportarten: