Tarifstreit: EVG hält an Warnstreik fest

    Bahn lässt Ultimatum ablaufen:Tarifstreit: EVG hält an Warnstreik fest

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    Im Streit mit der EVG erklärt die Bahn, die Lohnforderungen der Gewerkschaft erfüllt zu haben. Nach einem jetzt abgelaufenen EVG-Ultimatum soll ab Sonntagabend gestreikt werden.

    Ein Fahrgast steht an einem leeren Gleis am Bahnhof Potsdamer Platz in Berlin.
    Bis um 12 Uhr am Freitag hätte die DB ihr Angebot verbessern sollen, um den Warnstreik zu verhindern.
    Quelle: dpa

    Im Tarifkonflikt mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben die Forderung zum Mindestlohn erfüllt haben. DB-Personalvorstand Martin Seiler erklärte, DB und EVG hätten "in intensiven Gesprächen" bis zum späten Donnerstagabend "die Thematik Mindestlohn erörtert". Seiler sagte:

    Wir haben die Forderung zum Mindestlohn erfüllt.

    Martin Seiler, DB-Personalvorstand

    Jetzt stehe die EVG im Wort. Sie müsse nun ihre Zusage einhalten und den 50-stündigen Warnstreik absagen, so Seiler.

    Ultimatum vorbei: EVG hält an Warnstreik fest

    Die Gewerkschaft hatte der Bahn ein Ultimatum gesetzt, auf sie zuzukommen "und sich zu besinnen". Bis um 12 Uhr am Freitag hätte die DB ihr Angebot verbessern sollen, um den Warnstreik zu verhindern.
    Am Mittag lief nun das Ultimatum ohne erkennbare Annäherung ab. Die EVG hält somit an ihrem geplanten Warnstreik auf der Schiene ab Sonntagabend fest.
    Zu sehen sind zwei im Bahnhof stehende ICE.
    Von Sonntagabend an wird der komplette Bahnverkehr 50 Stunden bestreikt - außer Gewerkschaft und Bahn einigen sich.11.05.2023 | 1:39 min

    EVG: Bahn habe "einen Rückzieher" gemacht

    EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch erklärte bereits zuvor, es habe sich um ein "Scheinangebot" der Bahn gehandelt.
    "Der Arbeitgeber hat am Ende nach langwierigen Gesprächen eine Lösungsoption auf den Tisch gelegt, die für uns diskussionswürdig war. Nachdem wir angefangen haben, diese zu diskutieren, hat er dann einen Rückzieher gemacht", so Loroch.
    Die Positionen der Bahn und der Gewerkschaft EVG zum Zeitpunkt der gestrigen Streikankündigung im Vergleich:
    Warnstreik angebot vs. Forderung
    Quelle: ZDF

    Die EVG räumte ein, dass der Streit "mittlerweile vielleicht bizarre Züge annimmt". Die Gewerkschaft sei aber "einzig und allein" ihren Mitgliedern verpflichtet. Bahn-Sprecher Stauß kritisierte den Zeitpunkt: Er sei "bewusst" so gewählt, "damit es die Fahrgäste am meisten schmerzt". Die "Woche rund um Himmelfahrt" sei eine der reisestärksten des Jahres.

    Diskussion um Mindestlohn

    Die Zusage der Deutschen Bahn zum Mindestlohn bedeute, dass vom ersten Tag des Tarifabschlusses alle Entgelttabellen zwölf Euro ausweisen werden, erklärte der DB-Personalvorstand.
    Keine Entgelttabelle werde weniger als den gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro beinhalten. Zudem sei klargestellt worden, dass es keinen "Deckel" von 13 Euro geben werde, "da sich bereits das vorliegende Angebot auf 13,20 Euro beläuft".
    peter-theisen
    "Gesprächsklima zwischen Bahn und EVG ist vergiftet", sagt ZDF-Reporter Peter Theisen.11.05.2023 | 1:52 min
    In dem Tarifkonflikt ist es eine zentrale Forderung der EVG, dass der gesetzliche Mindestlohn von zwölf Euro im Tarifvertrag als Basis festgeschrieben wird, auf dem die Forderungen aufsetzen. Denn rund 2.000 Beschäftigte, die direkt von der Mindestlohnerhöhung profitieren, würden andernfalls darüber hinaus kaum von Gehaltserhöhungen profitieren.
    Um den Druck zu erhöhen, hat die EVG gestern zu einem bundesweiten Streik aufgerufen. Von kommendem Sonntag, 22 Uhr bis Dienstag, 24 Uhr gelten demnach folgende Beeinträchtigungen:
    • Der Fernverkehr wird von Sonntag an eingestellt
    • Der Nahverkehr wird bundesweit stark beeinträchtigt

    GDL: Claus Weselsky lehnt Einstellung des Bahnverkehrs ab

    Derweil hält der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, es für unnötig, dass die Bahn wegen eines Warnstreiks der Gewerkschaft EVG ab Sonntagabend den Fernverkehr für 50 Stunden einstellt. Weselsky sagte dem Portal "The Pioneer":

    Die EVG ist bei der Netztochter DB Netz nicht so stark organisiert, dass die Deutsche Bahn gezwungen wäre, den Schienenverkehr einzustellen.

    Claus Weselsky, GDL-Vorsitzender

    "Mit einer gewissen Anstrengung könnte die Deutsche Bahn den Netzbetrieb aufrechterhalten und viele ICE-Züge weiterfahren."
    Zugausfälle
    Schon im April kam es zu einem Bahnstreik: Die Eindrücke des vorherigen Streiks.21.04.2023 | 3:36 min
    Aus Weselskys Sicht hat die EVG im Tarifstreit kein Interesse an einer schnellen Lösung, weil sie befürchtet, "dass wir (GDL) mit der Deutschen Bahn bessere Tarifbedingungen für unsere Mitglieder verhandeln werden".

    Ich bin mir sicher, dass es keinen Abschluss geben wird, bevor wir unsere Forderungen aufgestellt haben.

    Claus Weselsky, GDL-Vorsitzender

    Am 5. Juni will die GDL ihre Forderungen für neue Tarifverträge offiziell verkünden.

    Bahnstreik: Verständnis und Ablehnung aus der Politik

    Verkehrsstaatssekretär Theurer (FDP), der zugleich Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr ist, appellierte an die Tarifparteien. Dem Berliner "Tagesspiegel" sagte er:

    Der Tarifkonflikt sollte nicht zulasten der Bevölkerung geführt werden.

    Michael Theurer (FDP), Verkehrsstaatssekretär

    Das Recht der Gewerkschaften auf Streiks zur Verbesserung der Löhne und Arbeitsbedingungen leitet sich aus Artikel 9 des Grundgesetzes ab. Darin ist das Recht festgelegt, "zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden". Zur Wahrung eines Kräftegleichgewichts wird den Arbeitgebern wiederum ein begrenztes Recht anerkannt, Arbeitnehmer von ihrem Arbeitsplatz fernzuhalten (Aussperrung). Ein Anspruch auf Lohn besteht für diesen Zeitraum dann nicht.

    Ein Streik unterliegt dem Gebot der Verhältnismäßigkeit und gilt als letztes und schärfstes Mittel abhängig Beschäftigter, die Arbeitgeber zu einem (besseren) Angebot in Tarifkonflikten zu bewegen. Zuvor sind Tarifgespräche als gescheitert erklärt worden. Ein Streik muss sich auf einen Gegenstand beziehen, der in einem Tarifvertrag geregelt werden kann. Daher sind Arbeitsniederlegungen aus politischen Motiven in Deutschland nicht zulässig.

    Warnstreiks hingegen sind aus Sicht der Gewerkschaften kurze und zeitlich befristete Maßnahmen und ein Druckmittel, um wieder Bewegung in festgefahrene Gespräche zu bringen. Sie sind auch während Tarifverhandlungen zulässig, müssen aber verhältnismäßig sein. Bei einem Warnstreik haben die Teilnehmer keinen Anspruch auf Lohnzahlung.

    Quelle: dpa

    Alle Seiten seien "aufgefordert, sich entsprechend ihrer Verantwortung zu verhalten". Die Infrastruktur sei zentral "für die Funktionsfähigkeit unserer Volkswirtschaft".
    Der Fraktionschef der Links-Partei, Dietmar Bartsch, machte derweil den Bahn-Vorstand und die Bundesregierung verantwortlich für den eskalierenden Tarifkonflikt. Dem RND sagte er:

    Astronomische Boni für das Management und Streik für die Kunden, weil der Bahnvorstand sich in einer Abwehrschlacht gegen die berechtigten Forderungen ihrer Mitarbeiter stellt. Das ist inakzeptabel.

    Dietmar Bartsch, Fraktionschef die Linken

    Es sei "ein handfester Skandal, dass bei der Bahn zahlreiche Beschäftigte nur mit Zulagen über dem gesetzlichen Mindestlohn verdienen", kritisierte Bartsch weiter.
    Quelle: dpa, AFP
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