Bahn reicht Eilantrag gegen Warnstreik ein

    Jeder Vierte ohne Verständnis:Bahn reicht Eilantrag gegen Warnstreik ein

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    Viele Bahnkunden haben laut Umfrage kein Verständnis für den angekündigten Warnstreik. Ein Forscher hingegen schon. Die Bahn versucht indes, den Streik gerichtlich zu stoppen.

    Zugausfälle
    Der angekündigte Ausstand ist der dritte Warnstreik der EVG im laufenden Jahr.

    Jeder Vierte in Deutschland hat einer Umfrage zufolge "überhaupt kein Verständnis" für den angekündigten 50-Stunden-Warnstreik bei der Bahn. Volles Verständnis für den Arbeitskampf zeigten in der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov dagegen 19 Prozent der Befragten. Zudem sagten 26 Prozent, dass sie "eher Verständnis" für die Aktion im laufenden Tarifkonflikt hätten, ebenfalls 26 Prozent haben "eher kein Verständnis". Fünf Prozent der Befragten machten keine Angabe.

    Bahn reicht Eilantrag gegen Warnstreik ein

    Der Bahnverkehr wird bundesweit von Sonntagabend, 22 Uhr, bis Dienstagabend, 24 Uhr, bestreikt. Die Deutsche Bahn wird in dieser Zeit den Fernverkehr komplett einstellen, auch im Regionalverkehr dürfte nahezu jeder Zug ausfallen. Erste Auswirkungen gibt es voraussichtlich schon früher, die Bahn hat bereits einige Verbindungen am Sonntagnachmittag gestrichen.
    Die Deutsche Bahn versucht indes, den Warnstreik noch juristisch zu stoppen. Der Konzern teilte am Samstagmorgen mit, dass er einen Eilantrag beim Arbeitsgericht in Frankfurt am Main eingereicht habe. "Dieser Schritt ist im Interesse der Kundinnen und Kunden jetzt geboten", teilte die DB mit. Der Eilantrag sei eingegangen, bestätigte das Gericht. Die Verhandlung beginne um 12 Uhr.
    Zu sehen sind zwei im Bahnhof stehende ICE.
    Von Sonntagabend an wird der komplette Bahnverkehr 50 Stunden bestreikt. 11.05.2023 | 1:39 min
    Womit ab Sonntag nach den bisherigen Plänen zu rechnen ist:

    ADAC erwartet keine massiven Folgen auf Straßen

    Beim ADAC rechnet man nicht mit massiven Folgen des Warnstreiks auf den Straßen. Man könne zwar keine Entwarnung geben, aber die Staus würden sich voraussichtlich in Grenzen halten - ähnlich wie beim 24-stündigen Warnstreik bei der Bahn im März.
    Montag sei ohnehin ein beliebter Homeoffice-Tag, sagte ein Sprecher. Wahrscheinlich würden nun noch mehr Arbeitnehmer am heimischen Schreibtisch bleiben. Und wer doch zur Arbeit müsse, fahre oft früher los - auch das entzerre die Situation auf den Straßen.
    Die Positionen der Bahn und der Gewerkschaft EVG zum Zeitpunkt der Streikankündigung im Vergleich:
    Warnstreik angebot vs. Forderung
    Quelle: ZDF

    Dritter Streik im Jahr: EVG erhöht den Druck

    Zum Warnstreik aufgerufen hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG. Sie verhandelt seit Ende Februar mit 50 Bahn-Unternehmen über neue Tarifverträge für 230.000 Beschäftigte, 180.000 davon arbeiten bei der Deutschen Bahn. Die Verhandlungen mit den meisten Arbeitgebern stocken.
    Mit dem nun dritten Warnstreik im laufenden Jahr will die Gewerkschaft den Druck deutlich erhöhen. Konkret setzt die EVG auf Auswirkungen für die Wirtschaft, damit von dort wiederum Druck auf die Verhandler der Bahn-Unternehmen ausgeübt wird.

    Streikforscher zeigt Verständnis

    Nach Einschätzung des Streikforschers Alexander Gallas wird das der längste Warnstreik bei der Bahn seit ihrer Reform 1994. In anderen Branchen seien Warnstreiks von ein bis zwei Tagen aber durchaus üblich, sagt Gallas, Wissenschaftler an der Universität Kassel. "50 Stunden sind ein kurzer und klar umrissener Zeitraum. Aber die Auswirkungen sind für die Bevölkerung sehr spürbar. Darum wirkt das lang."
    Den angekündigten Warnstreik der EVG hält Gallas im Vergleich mit anderen Branchen für verhältnismäßig. Er vermutet jedoch mehr Hintergründe als zum Beispiel den Wunsch nach einem Inflationsausgleich und Anerkennung für die Arbeit.

    Konkurrenz zur GDL spielt Rolle

    Die Konkurrenz zur Lokführergewerkschaft GDL spiele auch eine Rolle, erläutert der Streikforscher. Denn die EVG, die 2010 aus dem Zusammenschluss der Bahn-Gewerkschaften GDBA und Transnet entstand, sei lange für eine enge Zusammenarbeit mit dem Bahn-Management bekannt gewesen. Das wiederum habe den Aufstieg der GDL befördert, die das Streikmittel erfolgreich für sich entdeckte, sagt Gallas.

    Das selbstbewusste Auftreten der GDL hat die EVG unter Zugzwang gesetzt.

    Alexander Gallas, Streikforscher

    Dass es überhaupt zum Tragen kommen könne, hat für ihn vor allem mit den Umstrukturierungen seit der Bahnreform im Jahr 1994 zu tun. Der Anteil der Beamten im Unternehmen sei schrittweise in großem Stil abgebaut worden - von rund 116.800 Stellen im Jahr 1994 auf rund 14.700 im Jahr 2021. Beamte dürfen nicht streiken - Angestellte schon.
    Auch der Arbeitsmarkt spiele den Forderungen der EVG mit in die Hände. Wie andere Branchen auch, müsse die Bahn vermehrt um Nachwuchs werben. Das Unternehmen sei weiterhin zu 100 Prozent in Staatsbesitz, werde aber wie ein privatwirtschaftlicher Betrieb geführt.
    Quelle: dpa

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