Pestizid-Flüge - Wie nachhaltig sind unsere Bananen?

    Pestizid-Flüge ohne Vorwarnung:Wie nachhaltig sind unsere Bananen?

    von J. Seufert, C. Wiemann, A. Vezirgenidi
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    Grüne Siegel versprechen nachhaltige und fair produzierte Bananen - für das gute Gewissen. Recherchen zeigen: Die Zertifikate sind zweifelhaft.

    Fotomontage mit Bananen, Plantage, Flugzeug und im Hintergrund der grün leuchtende Spur-Fingerabdruck.
    Gelbe, knackige Bananen – umweltfreundlich, unter fairen Arbeitsbedingungen produziert: Mit Nachhaltigkeitssiegeln werben Bananenfirmen um Kunden. Doch halten sie ihr Versprechen?13.09.2023 | 29:01 min
    Frische Bananen aus Lateinamerika - im Supermarkt liegen sie ganz vorne an der Auslage. Darauf sind Sticker, die ein besseres Produkt für Mensch und Natur versprechen. Wie der grüne Frosch - das Siegel von Rainforest Alliance. Es verspricht, unter anderem, weniger Pestizideinsatz und gute Arbeitsbedingungen.
    Doch Recherchen des ZDF-Formats "Die Spur" in Ecuador und Costa Rica zeigen: Das Siegel hält sein Versprechen oft nicht ein. Die Standards sind niedrig, die Kontrollen lax. Zertifizierte Plantagen können sie leicht unterlaufen.

    Illegale Pestizideinsätze aus der Luft

    Arbeiter und Arbeiterinnen auf mehreren Bananenplantagen berichten etwa von ungeschütztem Kontakt mit giftigen Pestiziden - auch auf Farmen, die von Rainforest Alliance zertifiziert sind. Sie haben Videos aufgenommen, die offenbar zeigen, wie sie während der Arbeit mit Pestiziden aus Flugzeugen besprüht werden.
    Die Farm, auf der der Arbeiter Erick Lara in Costa Rica arbeitet, ist von Rainforest Alliance zertifiziert: "Manchmal informieren sie die Arbeiter bevor das Flugzeug kommt. Aber manchmal fliegt es einfach über einen hinweg und duscht einen, während man arbeitet."

    Gewerkschafter: "Rainforest kommt nur, damit Unternehmen verkaufen können"

    "Es kann nicht sein, dass man als Arbeiter in Pestiziden gebadet wird", sagt Arbeiter Miguel Jimenez. Er ist Teil der costaricanischen Gewerkschaft SITRAP. "Aber es interessiert sie nicht, sie machen einfach weiter." Auch die Farm von Miguel Jimenez ist von Rainforest Alliance zertifiziert.

    Ich glaube, dass Rainforest nur kommt und das Zertifikat nur vergibt, damit die Unternehmen verkaufen können.

    Miguel Jimenez, Plantagenarbeiter in Costa Rica

    Jimenez' Betrieb bestreitet die Aussagen. Die Videos von den Überflügen seien nicht bekannt.

    Rainforest Alliance ist nach eigenen Angaben der größte Zertifizierer von nachhaltigen Bananen.

    Geschätzt 40 Prozent der Bananen in Deutschland sind Rainforest-Alliance-zertifiziert. Erkennungszeichen: Der grüne Frosch.

    Er soll zeigen, dass Unternehmen die Umwelt schützen und gute Arbeitsbedingungen bieten. Mindestlohn, geregelte Arbeitszeiten, Schutz vor giftigen Pestiziden.

    Heute zertifiziert Rainforest Alliance Unternehmen in 58 Ländern. Sie sind einer der großen Player neben Siegeln wie Fairtrade, Global GAP und Bio-Zertifikaten.

    Offenbar hat Rainforest Alliance von den illegalen Überflügen, die die Arbeiter schildern, nichts mitbekommen. Oscar Maroto, Landesdirektor von Rainforest Alliance in Costa Rica, bedauert das.

    Wir setzen uns voll und ganz dafür ein, diese Dinge zu verhindern. Wann immer ein solcher Fall eintritt, werden wir eine Untersuchung einleiten und geeignete Maßnahmen ergreifen, weil dies inakzeptabel ist.

    Oscar Maroto, Landesdirektor von Rainforest Alliance Costa Rica

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    Manipulierte Kontrollen?

    Wie prüft Rainforest Alliance seine Betriebe? Kontrollen, sogenannte Audits, übernehmen Partnerunternehmen. Die Prüfungen finden in der Regel einmal im Jahr statt und werden vorher angekündigt. Das gibt den Betrieben Zeit, sich vorzubereiten.
    Vor Ort berichten Arbeiter von den Audits - sie nennen sie "Shows". Am Tag der Prüfung bekämen sie Schutzkleidung, die danach wieder abgenommen werde. Wer sich beim Auditor über die Arbeitsbedingungen beschwere, werde rausgeschmissen:
    "Sie sagen uns einen Tag vorher Bescheid", berichtet "Maria". Sie arbeitet für den ecuadoriansichen Betrieb Otisgraf, der unter anderem an Rewe geliefert hat. Aus Angst vor Repressionen möchte sie anonym bleiben.

    Wir müssen sagen, was die Chefs von uns verlangen. Dass alles in bester Ordnung ist, dass wir gut verdienen, die Arbeitszeiten einhalten und die ganze Zeit sozialversichert sind.

    Maria, anonym

    In der neuen Folge des ZDF-Dokuformats "Die Spur" gehen Caroline Wiemann und Jonas Seufert der Frage nach, wie fair und nachhaltig unsere Bananen wirklich produziert werden. Die Doku "Der banalen-Bluff: Krumme Geschäfte mit dem guten Gewissen" finden Sie hier in der ZDFmediathek.

    Wahre Arbeitsbedingungen verschwiegen?

    Der ecuadorianische Gewerkschafter Jorge Acosta konfrontiert Rainforest Alliance regelmäßig. Viele der Kontrollen seien inszeniert und würden nicht die wahren Arbeitsbedingungen zeigen:

    Wenn Rainforest eine Inspektion macht, dann sind sogar die Steine an der Zufahrt frisch gestrichen.

    Jorge Acosta, Gewerkschafter in Ecuador

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    Verwässert durch Politik und Lobby24.01.2023 | 9:25 min

    Rainforest Alliance: "Nicht die Lösung für alle Probleme"

    Rainforest Alliance verteidigt sich: Grundsätzliche Mängel im Kontroll-System sieht die Organisation nicht, man liefere einen getreuen Bericht von der Situation vor Ort zum Zeitpunkt der Kontrolle.

    Wir glauben, dass wir einen Beitrag leisten können für unsere Zertifikatsinhaber. Aber wir sind nicht die Lösung für alle Probleme.

    Oscar Maroto, Landesdirektor von Rainforest Alliance Costa Rica

    Und doch wirbt Rainforest Alliance, die größte Zertifizierungsorganisation für nachhaltige Bananen, genau damit - die zentralen Probleme im Bananenanbau anzugehen.

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