Bauerntag: Warum Bauern bei fairen Preisen Druck machen

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    Vor Deutschem Bauerntag:Faire Preise: Warum Bauern jetzt Druck machen

    Katja Belousova
    von Katja Belousova
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    2021 trat ein Gesetz in Kraft, das Bauern vor unfairen Handelspraktiken schützen sollte. Zwei Jahre später gibt es immer noch eklatante Mängel. Was Landwirte jetzt fordern.

    Niedersachsen, Wahrenholz: Milchbauer Helmut Evers schaltet eine Kuhdusche in seinem Kuhstall an. Archivbild
    Faire Preise für ihre Milch: Das ist der Wunsch der Bauern.
    Quelle: dpa

    Milchbauer Elmar Hannen aus Kleve ist unzufrieden. "Wenn ich meine Milch abliefere, weiß ich nicht einmal, was ich im nächsten Monat dafür ausgezahlt bekomme", kritisiert das Vorstandsmitglied des European Milk Board.
    Gemeinsam mit anderen Landwirten schlägt er pünktlich zum Deutschen Bauerntag Alarm - und ruft nach fairer Bezahlung durch Supermärkte, Molkereien und Schlachthöfe.
    Kuhmilch wird in ein Glas geschüttet.
    Für Verbraucher ist es eine gute Nachricht: Die Preise für Milchprodukte sind wieder gesunken. Für die Landwirte eine Hiobs-Botschaft – sie sehen sich wieder am Limit. 09.06.2023 | 1:19 min

    Gesetz von 2021 sollte unfairen Handelspraktiken entgegenwirken

    "Auch wenn derzeit Lebensmittelpreise für die Endverbraucher*innen steigen, erhalten viele Erzeuger*innen unserer Lebensmittel in Deutschland und andernorts einen Preis, der zum Leben nicht reicht und einen umweltschonenden Anbau unmöglich macht", klagen mehrere Bauern- und Umweltverbände in einem neuen Forderungspapier, das ZDF frontal vorliegt.
    Ihre Kritik entzündet sich vor allem an einem Gesetz, das unfairen Handel in der Landwirtschaft unterbinden soll, vielen Landwirten aber bislang nicht weit genug geht. Das 2021 eingeführte Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz hatte das Ziel, Landwirte und Erzeuger besser vor unlauteren Handelspraktiken und Dumpingpreisen durch Abnehmer und Industrie zu schützen.



    Bauern fordern Verbot des Kaufs unter Produktionskosten

    In einer bislang unveröffentlichten Befragung des Bundesamtes für Landwirtschaft und Ernährung, die ZDF frontal vorliegt, zeigt sich zwar, dass die Anwendung verbotener Vertragsbedingungen und Handelspraktiken seit Einführung des Gesetzes zurückgegangen ist.
    Andererseits erklären 46 Prozent der befragten Lieferanten in der Lebensmittelkette, dass unfaire Preise weiterhin üblich sein. Denn: Ein gesetzliches Verbot des Kaufs unter Produktionskosten gibt es in Deutschland - anders als etwa in Frankreich oder Spanien - nicht. Genau das fordern Landwirte nun.

    Wir fordern den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und die Mitglieder des Bundestages daher auf, ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten entlang der gesamten Lebensmittelkette gesetzlich zu verankern.

    Forderungspapier der Initiative für faire Preise in der Lieferkette

    Spanien: Ernteausfälle nach Trockenheit
    Vielen Landwirten droht die Pleite. Die Ernte auf den Getreidefeldern fällt wegen der Trockenheit im Land mager aus.22.05.2023 | 2:10 min
    Milchbauer Hannen unterstützt das Vorhaben. Denn an den unfairen Preisen für ihn und seine Branche habe auch das Gesetz von 2021 nichts geändert. "Für Landwirte aus dem Gemüsebereich hat sich seither sicherlich einiges geändert - denn die wickeln ihre Geschäfte meist mit dem Handel selbst oder über kleine Zwischenhändler ab", erklärt er.

    Aber im Milchbereich ist das überhaupt noch nicht in der Praxis umgesetzt worden, weil zwischen uns und dem Handel ja die Molkereien stehen.

    Elmar Hannen, Milchbauer und Vorstand beim European Milk Board

    Bauernverband bislang gegen Verbot

    Auch Schweinehalterin Stephanie Barlage aus Dinklage kennt das Problem. Preise unter den Produktionskosten der Landwirte seien noch immer Realität. "Die letzten zwei Jahre waren schon eine Durststrecke für Sauenhalter und Ferkelerzeuger", sagt sie im Gespräch mit ZDF frontal.
    Elmar Hannen sieht nun den Bauernverband in der Pflicht. "Der Bauernverband wehrt sich bislang gegen das von uns geforderte Verbot des Kaufs unter Produktionskosten - weil er da eher auf der Seite der genossenschaftlichen Molkereien steht als auf der Seite von uns erzeugenden Bauern", sagt er. Auch Stephanie Barlage fordert mehr Druck vonseiten des Bauernverbands für die Belange der Landwirtinnen und Landwirte.
    Die Deutsche Umwelthilfe stellt sich hinter das Forderungspapier der Landwirte und ist Mitunterzeichnerin. "Auch für Verbraucher*innen ist es von hoher Relevanz, die Marktmacht von Supermärkten einzuhegen", erklärt Sprecherin Reinhild Benning.

    Die Transformation in der Landwirtschaft gelingt aus unserer Sicht nur, wenn die Investitionen der Höfe in mehr Nachhaltigkeit auch am Markt entgolten werden. Dem steht bisher die Marktmacht von Konzernen im Weg.

    Reinhild Benning, Deutsche Umwelthilfe

    Reinhard Jung, Sprecher der "Freien Bauern"
    Reinhard Jung, Sprecher der "Freien Bauern", kritisiert den Umgang von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir mit dem Begriff "Nachhaltigkeit": "Das Thema Tierwohl wird reduziert auf technische Standards".04.05.2023 | 7:02 min

    Warum Bauern jetzt Druck machen

    Aktuell wird das Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz neu geprüft - auch mit Blick auf die Frage, ob die bestehenden Regelungen reichen. Internen Angaben zufolge bewertet das Bundeslandwirtschaftsministerium zurzeit ein mögliches Verbot des Einkaufs unter Produktionskosten.
    Genau deshalb machen Milchbauern wie Elmar Hannen gerade jetzt Druck, auf Cem Özdemirs (Grüne) Haus - und auf den Bauernverband, der am Mittwoch seinen zweitägigen Bauerntag einläutet.
    Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung entwickelt derzeit neue Empfehlungen, die bei vielen auf Unverständnis stoßen. Bei Lanz wirft Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) dem Bundesminister für Ernährung Özdemir (Grüne) vor, die Empfehlungen vorzuschreiben.
    Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung entwickelt neue Empfehlungen. Cem Özdemir (Grüne), Bundesminister für Ernährung, wehrt Vorwürfe ab, dass er sie vorschreibe.07.06.2023 | 1:03 min
    Mitarbeit: David Gebhard

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