Kerpen-Manheim: Ein Landwirt bietet RWE die Stirn

    Umsiedlungen im Braunkohlerevier:Ein Landwirt bietet RWE die Stirn

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    von Ralph Goldmann
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    Das Dorf Kerpen-Manheim soll dem Tagebau Hambach weichen. Noch leben dort einige Menschen. Ein 70-jähriger Landwirt will nicht weg und notfalls vor Gericht ziehen.

    Der letzte Landwirt von Kerpen-Manheim
    Lange ist bereits klar, dass Kerpen-Manheim Europas größtem Braunkohletagebau weichen muss. Für die wenigen überbleibenden Einwohner ist dies jedoch eine geschätzte Heimat.14.07.2023 | 3:59 min
    Es ist ein bizarres Bild im Süden des Braunkohletagebaus Hambach im sogenannten Rheinischen Revier. In Kerpen-Manheim, zwischen Aachen und Köln, ragt die alte Pfarrkirche St. Albanus und Leonhardus wie eine Trutzburg in den Himmel. Die Fenster sind mit Holzbrettern verrammelt.
    Drumherum hat sich die Natur das Land zurückgeholt. Disteln und Mohnblumen blühen jetzt dort, wo einmal 1.600 Menschen lebten. Unter den Dächern haben sich Schwalben eingenistet. Fast alle Häuser sind abgerissen, nur einige wenige stehen noch. Es erinnert ein bisschen an die Filmkulisse einer Western-Stadt.
    Luftaufnahme der Kirche in Kerpen-Manheim
    Von Kerpen-Manheim ist nicht mehr viel übrig geblieben. Fast alle Häuser wurden schon abgerissen.
    Quelle: ZDF

    Umsiedlung hat 2012 begonnen

    Seit Ende der 1970er Jahre war klar, dass Manheim Europas größtem Braunkohletagebau weichen muss. Daran änderte auch der auf 2030 vorgezogene Kohleausstieg nichts. Der Ort war die Heimat des Formel 1-Rennfahrers Michael Schumacher, der 1995 im Gemeindehaus seine jetzige Frau Corinna heiratete.
    2012 begann die Umsiedlung. Ein paar Jahre später brachte die Stadt in den leerstehenden Häusern Flüchtlinge unter. Die meisten Einwohner wurden inzwischen vom Tagebaubetreiber RWE Power entschädigt und zogen in das Neubaugebiet Manheim-neu ein paar Kilometer weiter. Nur ein paar sind noch übrig.
    Braunkohle-Revier von oben
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    Das Ende der Braunkohle ist besiegelt. Für die Menschen, die noch in den Kraftwerken und Tagebauen arbeiten, müssen dann neue Jobs gefunden werden:

    Heinrich Portz will bleiben

    Einer von ihnen ist Heinrich Portz. Seit Generationen lebt seine Familie in Kerpen-Manheim. Viele hier hätten bei RWE "gutes Geld verdient", erzählt der 70-Jährige. Auch sein Bruder habe sein Leben lang dort gearbeitet. "Der Ort hat sich sehr schnell geleert", erinnert sich der Landwirt, der in einem rot-braun geklinkerten Haus gegenüber der Kirche lebt.
    Der Landwirt Heinrich Portz
    Landwirt Heinrich Portz will seine Heimat nicht verlassen.
    Quelle: ZDF

    Hier will er nicht weg: "Ich hänge an diesem Haus." Er und sein Sohn hätten sich zwar ein paar Mal mit Leuten von RWE getroffen, um über eine Umsiedlung und mögliche Entschädigung zu sprechen. Auf einen gemeinsamen Nenner sei man dabei nicht gekommen.

    Wir haben denen gesagt, wir wollen nicht weg. RWE sagt, das geht nicht, sie müssen weg. Da haben wir denen gesagt, wir sehen das anders.

    Heinrich Portz

    Dass viele ihm vorwerfen, er würde nur pokern, um mehr Entschädigung zu bekommen, sei "Quatsch", sagt er. Aber damit könne er leben.

    Es geht nicht um Braunkohle

    Dabei geht es dem Energiekonzern noch nicht einmal um die Braunkohle, die unter Manheim und den Grundstücken von Heinrich Portz liegt. Es geht um den Sand und den Kies in der obersten Erdschicht, mit dem RWE die Böschungen der Tagebaukante stabilisieren will.
    Sollen sie sich ihren Kies doch woanders holen, hat Heinrich Portz den Leuten von RWE gesagt, doch die hätten abgeblockt: "RWE sagt, technisch geht das nicht. Ende. Aus. Diskussion beendet."
    Nach dem Ende des Braunkohle-Abbaus will RWE die Tagebaue im Rheinischen Revier mit Rheinwasser befüllen – zum Ärger der Anwohner:
    Das Unternehmen teilt auf ZDF-Anfrage tatsächlich mit, dass nur unter Manheim "das benötigte Material in ausreichender Menge und ausreichender Qualität vorhanden" sei. Alternativen seien geprüft worden, "aber nachweislich nicht machbar". Der lange umstrittene Hambacher Forst ein paar hundert Meter weiter bleibt erhalten, aber das Dorf muss weg.

    Nur Kirche soll stehen bleiben

    Heinrich Portz will es notfalls auf einen Rechtsstreit ankommen lassen.

    Ich werde versuchen, hier zu bleiben. Ich bin da optimistisch. RWE ist noch optimistischer aus ihrer Sicht. Das muss man dann mal sehen.

    Heinrich Portz

    RWE teilte mit, es müssten in Manheim noch drei landwirtschaftliche Betriebe umgesiedelt werden. Man sei aber zuversichtlich, die Umsiedlungen "rechtzeitig und in gegenseitigem Einvernehmen abschließen zu können".
    Eine Illustration der geplanten Manheimer Bucht
    Wo jetzt Kerpen-Manheim ist, soll in 50 Jahren die Manheimer Bucht sein.
    Quelle: ZDF

    Rund um die Pfarrkirche hat der Energiekonzern einen Bauzaun gezogen. "Eigentum der RWE Power AG. Grundstück betreten verboten", steht auf einem Schild. So wie es derzeit aussieht, wird die Kirche als einziges Gebäude stehen bleiben. Sie soll in ferner Zukunft an die Geschichte des Ortes erinnern und direkt am Ufer eines riesigen Freizeitsees stehen. Denn aus Kerpen-Manheim soll in einem halben Jahrhundert die Manheimer Bucht werden.

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