Deutsche Wirtschaft stagniert im ersten Quartal

    Haarscharf an Rezession vorbei:Deutschlands Wirtschaft: Schwieriger Patient

    Klaus Weber
    von Klaus Weber
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    Die deutsche Wirtschaftsleistung hat im ersten Quartal überraschend stagniert. Viele Experten gingen von einer Steigerung aus. Prognose: Es bleibt schwierig.

    Hamburg: Das Luftbild zeigt zahlreiche Container auf dem Gelände eines Containerterminals im Hamburger Hafen.
    Prognose Deutschland 2023: Trotz der hohen Inflation rechnen Ökonomen mit einem leichten Anstieg der Wirtschaftsleistung.
    Quelle: Daniel Reinhardt/dpa

    Seit Monaten versucht die deutsche Wirtschaft den eigenen Puls zu fühlen, aber so richtig findet sie ihn nicht. Zu unterschiedlich sind die Ergebnisse, die man von den verschiedenen Messstationen erhält. Da erwartet beispielsweise der IWF einen Rückgang der deutschen Wirtschaft, während fast zeitgleich Wirtschaftsminister Robert Habeck die Konjunkturprognose für 2023 leicht erhöht.
    Letztlich ist es aber in der Wirtschaft ähnlich wie beim Arzt. Da werden auch häufig zweite oder gar dritte Meinungen eingeholt. Wer am Ende recht hatte, zeigt sich auch erst, wenn der Patient das Krankenhaus wieder verlässt.

    Winterrezession knapp vermieden

    Heute hat man zumindest schwarz auf weiß erhalten, dass Deutschland weiterhin ein schwieriger Patient ist. Im ersten Quartal ist die Deutsche Wirtschaft nämlich haarscharf an einer Winterrezession vorbei gerutscht. Streng nach Definition und deshalb sei der sperrige Begriff "technisch gesehen" hier erlaubt, war es deshalb so knapp, weil die Wirtschaft von Januar bis März gegenüber dem Vorquartal gerade noch stagnierte.




    Wäre sie nur etwas schwächer ausgefallen, hätte man von einer Rezession sprechen müssen. Denn zwei aufeinander folgende Quartale mit negativem Wachstum bedeuten eben genau das. Viele Ökonomen wurden mit dieser gerade noch vermiedenen Rezession aber dennoch auf dem falschen Fuß erwischt, weil sie von einer leichten Steigerung ausgegangen waren.

    Experten sind vorsichtig

    Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sieht es deshalb so: "Nach dem deutlichen Minus im vierten Quartal hat die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal zumindest eine schwarze Null geschafft. Damit ist eine technische Rezession im Winterhalbjahr zunächst vom Tisch. Allerdings rate ich mit Blick auf das zweite Halbjahr zur Vorsicht." Denn die heutigen Daten bedeuten ja auch nur den Blick in den Rückspiegel. Interessant ist das was kommen wird. Und da sagt Jörg Krämer weiter:

    Viele Unternehmen haben bereits einen guten Teil der während Corona liegen gebliebenen Aufträge abgearbeitet. Außerdem hat die EZB ihre Zinsen kräftig angehoben. Solchen Zinserhöhungen folgten in der Vergangenheit in Deutschland stets Rezessionen. Die meisten Volkswirte sind wohl zu optimistisch, wenn sie für die zweite Jahreshälfte einen klassischen Aufschwung erwarten.

    Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer

    Auch Fritzi Köhler-Geib, Chefökonomin der KfW, ist nicht gerade überbordend optimistisch und glaubt, dass wir gut beraten sind, die Erwartungen weiter niedrig zu hängen: "Die Geldpolitik wird ihre volle Bremswirkung erst in diesem Jahr entfalten. Und die erlittenen Kaufkraftverluste der Privathaushalte hallen wohl noch geraume Zeit nach. Die Wirtschaft kann eine Schrumpfung vielleicht vermeiden, doch auch bei günstigerer Entwicklung kommt sie vermutlich nur wenig über Stagnation hinaus."
    Für Robert Halver, von der Baader Bank, kommt noch eine politische Komponente hinzu: "Das Leitplankensystem für Unternehmen und Private muss stimmig sein." Wirtschaft sei auch Psychologie und da müsse man sich auf wirtschaftspolitische Entscheidungen "einstellen können". Dies benötige einfach eine gewisse Zeit, die "Brechstange" verunsichere nur.

    Vielfältige Diagnosen

    Diagnosen gibt es also viele für den Zustand der deutschen Wirtschaft. Man könnte noch den Fachkräftemangel nennen, die sich festsetzende Inflation oder die mangelnde Digitalisierung. Dennoch kann demnächst auch alles ganz anders kommen, denn der nun fast erzwungene Wandel bietet natürlich auch jede Menge Chancen für deutsche Unternehmen.
    Aber für den Moment ist zumindest klar: der Patient Deutschland muss zumindest noch eine Weile zur Beobachtung auf Station bleiben, der Puls ist weiterhin schwach.

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