KI in Kunst und Kultur: "Existenzbedrohend für Künstler"

    Kunst und Kultur:KI "ist existenzbedrohend für Künstler"

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    Künstliche Intelligenz verändert die Kreativwirtschaft. Das hat Folgen für Künstler und Konsumenten, sagen die Branchen-Experten Matthias Schmitt und Lars Potyka.

    Eine Person arbeitet am Rechner, auf dessen Bildschirm ein durch Künstliche Intelligenz generiertes Illustrationsbild mit Code verschiedener Programmiersprachen und einem neuronalen Netzwerk-Diagramm zu sehen ist. (Symbolbild)
    Welche Auswirkungen hat KI auf die Kunst- und Kulturbranche? (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Welche Konsequenzen hat der Einsatz von KI für die Kultur- und Kreativwirtschaft?
    Matthias Schmitt: Die Auftragslage für Kreative wird ein bisschen kleiner, weil vieles maschinell erzeugt werden wird. Exzellenz wird aber weiterhin meiner Meinung nach menschlich bleiben.

    Aber das Stück für Menschen an der Torte des Marktes wird kleiner.

    Matthias Schmitt

    Und das ist natürlich auch für Nachwuchs-Künstler*innen und Kreative ein Problem, weil die sich am Anfang oftmals nicht mit exzellenten Werken, sondern mit einer gewissen Masse an niedrigschwelligen Arbeiten professionalisieren.
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    Darüber hinaus müssen sich auch Institutionen wie Museen und Hochschulen, die als die traditionellen Ausbildungsstätten für die Kultur und Kreativwirtschaft dienen, fragen: Wie geht man mit solchen maschinell erzeugten Werken um? Wie wird das ausgestellt? Hat das die gleiche Wertigkeit einer menschlichen Kreation?
    ZDFheute: Gibt es einen Bereich, in dem KI schon jetzt gezielt eingesetzt wird, um den Menschen als Künstler zu ersetzen?
    Lars Potyka: Es gibt große Streaminganbieter, die anfangen, beliebiges Repertoire - wir reden hier zum Beispiel von Lounge Music - zu produzieren und auch in ihre Kataloge zu stellen, auch wenn es nur zum Testen ist.

    Man kann sehen, dass es irgendwann dazu kommt, dass KI-Inhalte mit urheberrechtlich geschützten Inhalten in Konkurrenz stehen, weil sie einfach auf derselben Plattform stehen und der Konsument sich entscheiden muss: Was nehme ich jetzt?

    Lars Potyka

    Nehme ich den richtigen Sänger oder ist es mir egal und ich nehme die generische beliebige KI-Musik? Wenn alle Leute nur diese generische KI-Sache benutzen, dann ist das gut für die Plattformbetreiber, weil sie die Rechte an den Sachen haben, beziehungsweise es keine Rechte gibt und sie dementsprechend auch keine Tantiemen auszahlen müssen.
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    ZDFheute: Keine Tantiemen bedeutet, kein Geld für die Künstler, also keine Einnahmen?
    Lars Potyka: Die ganze Thematik ist existenzbedrohend für Künstler. KI erschafft Inhalte aus dem geistigen Eigentum von anderen, nutzt dieses Eigentum als Lerngrundlage. Ohne die Zustimmung der Urheber. Ein Riesenproblem ist auch: Mit welchen Daten trainiert man die KI? Oft wissen die Komponisten nicht, ob ihre Werke als Grundlage dienen.

    Man wird KI nicht verbieten können, aber wie geht man damit um? Wir müssen die Urheber irgendwie beteiligen.

    Lars Potyka

    2019 starteten Lars Potyka und Matthias Schmitt gemeinsam "Dock 11" als Einrichtung der saarländischen Kultur- und Kreativwirtschaftsförderung. Potyka bringt seine Erfahrungen als Interessenvertreter beim größten Indie-Musikverband VUT und als Co-Founder einer Innovationsagentur ein. Er arbeitet mit Akteuren aus Politik und Wirtschaft an der Weiterentwicklung der saarländischen Branchenförderung. Schmitt, mit einem Hintergrund als Online-Redakteur und Politikwissenschaftler, kümmert sich um das interne Branchenmanagement und die Entwicklung von Branchenevents.

    Mit ihrem fünfköpfigen Team haben sie das Ziel, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Branche zu verbessern. "Dock 11" ist ein Projekt der saarland.innovation&standort GmbH, finanziert durch das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Saarlandes.

    ZDFheute: KI kann ja aber auch durchaus den Kreativen nutzen, Stichwort Ko-Kreation.
    Matthias Schmitt: Bildgenerierung-Tools etwa können eingesetzt werden, um Ideen zu finden. Das löst ein Stück weit das "Problem des weißen Blattes", also die Frage 'Wo fängt man an?' Man kann der KI sagen: 'Das ist meine Zielgruppe, das ist mein Vorhaben. Gib mir fünf mögliche Lösungswege.' Man kann sich rudimentäre Entwürfe generieren lassen als Startpunkt und dann ins Finetuning gehen.
    Es ist sinnvoll, egal, ob man im künstlerisch-schaffenden Prozess oder in der Vermarktung ist, diese KI-Tools einzubeziehen, damit man mehr Ressourcen frei macht, um sein kreatives Schaffen hervorzuheben und originell zu machen. Damit man als Nachwuchs-Künstler auch die Sichtbarkeit erreicht, die man braucht, damit es nachher funktioniert.
    Moderatorin und Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes
    Moderatorin und Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes widmet sich in der neuen Dokumentation "Das KI-Manifest" einem brandaktuellen Thema: Dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Filmbranche.28.05.2024 | 6:44 min
    ZDFheute: Inwiefern ist der Umgang mit KI in Kunst und Kultur eine gesellschaftliche Aufgabe?
    Matthias Schmitt: Die Frage ist: Gibt es da eine gewisse Verantwortung? Es gibt Unternehmen, die sagen, unsere Inhalte sind zu 100 Prozent von Menschen generiert. Wie Bio-Milch. Man arbeitet mit Labels. Dazu kommt der volkswirtschaftliche Aspekt. Kreativwirtschaftliche Leistungen fließen ja auch in ganz andere Branchen ein.
    Wir haben eine sehr starke Automobilindustrie in Deutschland, die auch von ihren Designer*innen lebt. Da ist die Kreativwirtschaft die Nachwuchsschmiede im Produktdesign.

    Es kann nicht im volkswirtschaftlichen Interesse sein, dass der Pool an Talenten kleiner wird.

    Matthias Schmitt

    Das Interview führte Claudia Oberst.

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