Ökonomin Isabella Weber über das Ende der Inflation

    Interview

    Ökonomin Weber:Inflation: "Es braucht eine Art Burgfrieden"

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    In den USA spricht man bereits von "Greedflation", der "Gierflation". Als Lösungsansatz wünscht sich Ökonomin Isabella Weber eine "Profitzurückhaltung".

    Eine Person zählt im Supermarkt ihr Geld, während sie vor dem Regal steht.
    In den Supermärkten bekommen Kunden die steigenden Preise deutlich zu spüren.
    Quelle: Photocase

    ZDFheute: Lieferkettenengpässe, Inflation und gleichzeitig Rekordgewinne bei den Unternehmen - wie passt das zusammen?
    Isabella Weber:  Nehmen wir als Beispiel die Engpässe in der Chipproduktion. Wenn zwei Autounternehmen im Wettbewerb stehen, dann würden sie in normalen Zeiten nicht einfach die Preise erhöhen, denn dann könnten sie ja ihre Kunden an die Konkurrenz verlieren.

    Isabella Weber
    Quelle: Isabel Estevez

    ... ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der University of Massachusetts Amherst (USA). Die Einführung des Gaspreisdeckels geht auf ihre Idee zurück. Im April erschien ihr Buch "Das Gespenst der Inflation".

    Wenn aber jedes Unternehmen von dem anderen Unternehmen weiß, dass es seine Produktion nicht ausweiten kann, dann ist die Gefahr, dass man die Kunden verliert, sehr viel geringer.

    Die Kunden können gewissermaßen nicht davonlaufen.

    Und in so einer Situation können Unternehmen Preise erhöhen und damit höhere Profite einstreichen. Und das ist dann ein Ergebnis der Krise und der Lieferkettenengpässe.
    ZDFheute: Das heißt, viele Unternehmen sind Gewinner der Krise und Otto-Normalverbraucher ist der Verlierer?
    Weber: Auch im Unternehmenssektor ist es ziemlich ungleich verteilt. Der Edeka-Chef beispielsweise hat sich beschwert, dass Unternehmen wie Mars und Pepsi die Preise viel zu sehr erhöht haben. Auf eine Art und Weise, wie sie der Supermarkt am Ende seinen Kunden nicht mehr vermitteln kann. Mit der Folge, dass Edeka gewissermaßen die beiden Marken boykottiert, da sie offenbar davon ausgehen, die Preissteigerungen nicht weitergeben zu können.

    Insofern gibt es auch im Unternehmenssektor einen Verteilungskonflikt.

    Trotzdem ist es so, dass die Stückprofite seit 2022 insgesamt viel stärker gestiegen sind als die Lohnstückkosten. So dass man für den Unternehmenssektor als Ganzes schon sagen kann, dass er als Krisengewinner hervorgeht.
    Krisenverlierer sind primär diejenigen, die einen großen Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel und Energie ausgeben müssen. Das sehen wir auch in der Studie von Allianz Trade, dass die untersten 20 Prozent auf der Einkommensskala eine deutlich höhere Inflation zu tragen haben als die höheren Einkommensgruppen.
    Inflation in Deutschland (inkl. Nahrung und Energie)
    ZDFheute Infografik
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    ZDFheute: Entsteht durch die Inflation ein nachhaltiger Wohlstandsverlust?
    Weber: Ich denke, dass es eine nachhaltige Umverteilung gegeben hat. Denn diese sehr hohen Gewinnmargen bei einigen Unternehmen heißen nicht einfach nur, dass sie viel verdient haben. Es gibt ja schließlich auch Leute, die diese Aktien halten und entsprechend früher oder später von diesen Profitsteigerungen profitieren.
    Das heißt, es gibt Menschen, die in dieser Krise reicher geworden sind. Die höheren Energiepreise, die einen wichtigen Anteil an der Inflation haben, bedeuten aber auch, dass das deutsche Wirtschaftsmodell nachhaltiger unter Druck gerät. Es braucht dringend Investitionen für eine ökologische Transformation.
     Links der Blick auf ein geöffnetes Portemonnaie, in dem ein 50€-Schein brennt; rechts eine junge Frau, die traurig/nachdenklich einen Einkaufswagen schiebt.
    Rekordpreise an Tankstellen und in Supermärkten, Ebbe in den Geldbörsen: Die Inflation hat uns im Griff, ein Ende ist nicht abzusehen.12.09.2022 | 44:15 min
    ZDFheute: Sie sagen, Sie haben auch kein Allheilmittel gegen die Inflation. Aber was könnte denn ein erster Ansatz sein, die Inflation zu bekämpfen?
    Weber: Ich glaube, es braucht jetzt eine Art von Burgfrieden, in dem einerseits die enormen Reallohnverluste, die es gegeben hat, kompensiert werden. Andererseits die Unternehmen zusagen, dass sie diese Lohnsteigerungen nicht als neuen Vorwand für weitere Preissteigerungen nutzen und im Gegenzug die Gewerkschaften zusagen, dass - wenn die Inflation entsprechend fällt - , sie dann in der nächsten Runde keine besonders hohen Lohnforderungen stellen.
    Das würde die Asymmetrie der letzten Konzertierten Aktion korrigieren, die nur auf Lohnzurückhaltung gesetzt hat - ohne Profite in den Blick zu nehmen. Wir brauchen jetzt sozusagen nach der Lohnzurückhaltung im letzten Jahr eine Profitzurückhaltung.
    Wolfgang Schröder bezeichnet Gewerkschaften als relevantes Gegengewicht.
    Damit "Inflation kompensiert wird", seien "starke Gewerkschaften ganz wichtig als Gegengewicht zu den Arbeitgebern", sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder.01.05.2023 | 5:28 min
    ZDFheute: Man hätte frühzeitig handeln müssen, sagen Sie mit Blick auf die Inflation. Wie hätte das denn aussehen können?
    Weber: In Deutschland haben die Gaspreise eine ganz zentrale Rolle gespielt für die Inflation. Insofern hätte frühzeitiges Handeln bedeutet, schon im ersten Halbjahr 2022 eine Gaspreisbremse auf den Weg zu bringen. Frühzeitiges Handeln hätte auch heißen können, zu vermeiden, dass Unternehmen die Preise so erhöhen können, wie sie es getan haben.

    Da wäre ein Mittel zum Beispiel eine Übergewinnsteuer, die automatisch greift, wenn man in einem Notstand wie Pandemie oder Krieg ist.

    Das heißt, wenn es Katastrophen gibt, die strukturell Gelegenheit für Zufallsgewinne bieten.
    Weil das auch was mit unserem gesellschaftlichen Zusammenhalt macht, wenn in einer absoluten Notsituation Menschen, um zu sparen, eine Mahlzeit weniger essen oder im Kalten sitzen. Und gleichzeitig ein paar Unternehmen Rekordgewinne verzeichnen. Es braucht aber auch Pufferlager für essenzielle Güter wie Gas, so dass auf ein Angebotsschock reagiert werden kann, ohne dass eine Preisexplosion erst entsteht.
    Das Interview für ZDFheute führte Eva Schmidt.

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