16:34 min
Rentenangleichung zum 1. Juli:Was im Osten trotzdem anders bleibt
von Elias Hamann und Cornelia Schiemenz
|
33 Jahre nach der Einheit sind die Renten jetzt bundesweit angeglichen. Dennoch haben viele Menschen im Osten Geldsorgen. Ein Blick nach Leipzig.
Im KOMM-Haus im Leipziger Stadtteil Grünau wird an diesem Tag kräftig gelacht. Eingeladen hat das Seniorenkabarett "Spottvögel" - und die ehrenamtlichen Schauspieler wissen, was ihr Publikum hören will.
Eine halbe Stunde Programm - über Hüftleiden, Hundehalter und das liebe Geld. Die Rente ist ein emotionales Dauerthema. Klaus Dannegger, künstlerischer Leiter der "Spottvögel", weiß, warum.
Deutliches Rentenplus im Osten höher als im Westen
Das Problem mit der niedrigen Rente, im Osten Deutschlands immer wieder Thema. Die "Spottvögel" sparen in ihrem Programm nicht mit Kritik an der Politik. Ironisch zwitschern sie davon, wie sie all das Geld für teure Autos und Luxusuhren verprassen würden, wenn sie es denn hätten, wie es in einer Liedzeile heißt.
Deutlich wird, oft reicht die Rente nur geradeso zum Leben. Die Politik weiß das seit Jahrzehnten und steuert gegen. Jedes Jahr am 01. Juli steigen die Renten. Das betrifft deutschlandweit etwa 21 Millionen Menschen.
In diesem Jahr ist das Rentenplus deutlich: Im Westen steigen die Altersbezüge um 4,39 Prozent, im Osten um 5,86 Prozent. Zudem gilt nun ein einheitlicher Rentenwert von bundesweit 37,60 Euro. Und das ist der entscheidende Punkt: denn erstmals seit der Wende gilt dieser Wert für alle, in Ost und West.
Im Osten gesetzliche Rente meist einzige Einnahme
Für Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung, ein Grund zu jubeln: "Wir schließen jetzt die letzte Lücke Deutscher Einheit".
Doch ein wesentlicher Nachteil für Seniorinnen und Senioren in Ostdeutschland bleibt: Für 91 Prozent von ihnen ist die gesetzliche Rente die einzige Einnahmequelle. Johannes Geyer, Rentenexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erklärt:
"Und das ist natürlich ein Problem", fügt Geyer hinzu. Ein Problem, das seit vielen Jahren zu viel Unmut führt - trotz der jährlichen Rentensteigerungen. Denn noch immer haben viele Menschen im Osten das Gefühl, benachteiligt zu sein.
Schneider: Rente ist "emotionales Thema" wegen Lebensleistung
Carsten Schneider kann das zu einem gewissen Grad nachempfinden:
Obdachlose, Rentner, Geringverdiener, Migranten: Immer mehr Menschen sind hilfsbedürftig und drängen in soziale Einrichtungen.23.09.2021 | 43:30 min
Im Publikum der Leipziger "Spottvögel" sind die Meinungen zur Rente gemischt. "Die Rente ist einfach zu niedrig, weil Krankenkasse und Pflege alles wieder auffressen", findet Jochen Bartrak.
Und Gerhard Kahler hofft, dass die versprochene Rentenanpassung jetzt auch wirklich so kommt - "nicht, dass da noch ein Haken dran ist".
"Die Renten sind sicher"
"Spottvogel" Petra Schellenberg dagegen ist von Haus aus eine Frohnatur und hat bereits ihren neuen Rentenbescheid erhalten: "70 Euro mehr, ich freue mich."
Das Programm der 'Spottvögel' endet traditionell mit dem 'Frühlingslied'. "Hört das Lachen, das Gekicher; unsre Renten, die sind sicher!" singen sie aus vollem Hals. Denn der Humor vergeht ihnen nicht. Egal, welche weiteren Überraschungen auf sie noch warten.