Mehr Rente durch Manipulation? Was dran ist | Terra-X-Kolumne

"Zwischen den Umfragen und der Kurzfristigkeit und dem allgemeinen Interesse des Landes entscheide ich mich für das allgemeine Interesse des Landes", sagt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Gegen den Willen vieler Bürger*innen will seine Regierung die umstrittene Rentenreform durchsetzen, bei der unter anderem das Renteneintrittsalter erhöht werden soll. Man könnte sagen, aus seiner Sicht will er die Bevölkerung zu ihrem Glück zwingen, denn von einer stabilen Rente haben schließlich alle etwas.

Bei uns in Deutschland gab es noch keine Ausschreitungen wegen der Rente, aber es empfiehlt sich eindeutig, selbst fürs Alter vorzusorgen. Dass wir diese eigene Vorsorge oft vernachlässigen, liegt zum Teil daran, dass wir einfach nicht so viel Kapital dafür aufbringen können, wie wir es gerne würden. Zum anderen aber auch daran, dass die Rentenzeit oft noch weit entfernt ist und besonders die Jüngeren von uns nur selten und ungern darüber nachdenken wollen.

Ähnlich wie bei der Klimakrise gilt hier: Die Jüngsten haben am wenigsten zur Misere beigetragen, werden aber am meisten darunter leiden. Dabei sieht man das Problem doch schon seit Jahrzehnten auf uns zukommen! Die Politik setzt aber darauf, dass wir uns selbst so gut wie möglich um unsere eigene Vorsorge kümmern, um die gesetzlichen und betrieblichen Ansprüche zu entlasten.

Die Wünsche der Bevölkerung zu übergehen, war schon häufiger keine gute Idee. Aber so ganz entspannt können wir die Sache auch nicht angehen, denn dann sorgen wir vermutlich zu wenig vor. Was bleibt dann noch?

Einen Lösungsvorschlag hat die Psychologie gefunden: das Nudging. Dabei handelt es sich um Situationen, die bewusst so gestaltet werden, dass ein bestimmtes Verhalten häufiger oder seltener gezeigt wird. Greifbares Beispiel: die Schokoriegel an der Supermarktkasse. Die man überhaupt nicht kaufen wollte, aber last minute dann doch noch schnell aufs Band legt - das ist erfolgreiches Nudging.

Aber gerade im Ernährungsbereich wird Nudging auch gerne eingesetzt, um gesundheitsförderliches Verhalten zu erzeugen. Eine Studie wollte sich mal genauer anschauen, ob das denn auch etwas bringt: In einer Firmenkantine in Süddeutschland sollten Angestellte dazu gebracht werden, sich häufiger in die Schlange fürs Salatbuffet zu stellen als in die fürs All-You-Can-Eat-Buffet. Der Salat als neuer Kraftriegel für die Fachkräfte quasi.

Dazu wurden kurz vor der Mittagszeit speziell entworfene E-Mails verschickt, die auf die Vorzüge des Salatbuffets hinweisen, und grüne Aufkleber auf den Boden sollten den Weg dorthin verdeutlichen. Die Ergebnisse der Studie waren ernüchternd: Je nach untersuchter Gruppe brachten diese Interventionen nicht viel - bei den Praktikant*innen führten sie sogar dazu, dass es weniger Zulauf am Salatbuffet gab. Wie gesagt, wir lassen uns nur ungern Dinge vorschreiben - unabhängig davon ist ein All-You-Can-Eat-Buffet für einen unterbezahlten Prakti natürlich die erste Wahl.

Das einzig positive Ergebnis ergab sich stattdessen durch einen Glücksfall: Während der Untersuchung fiel eine Kasse des All-You-Can-Eat-Buffets für eine Woche aus und es bildeten sich längere Schlangen als sonst. Diese ungeplante Intervention hatte tatsächlich den Effekt, dass sich die Leute eher einen Salat holten.

Können wir uns so etwas auch für die finanzielle Vorsorge vorstellen? Nur mit Riester statt Rucola und Dividenden statt Endivien? Ein klares: Es kommt drauf an. Auf der einen Seite hat eine Studie aus Spanien gezeigt, dass finanzielles Nudging sogar bei Mitarbeitenden einer großen Lebens- und Rentenversicherung funktioniert: Dabei wurden empfohlene freiwillige Vorsorgebeiträge direkt vom Gehalt abgezogen, konnten aber jederzeit gestoppt werden. Das Ergebnis: Viele Mitarbeitenden blieben in diesem Programm und zusätzliche freiwillige Beiträge nahmen sogar zu.

Wirft man allerdings einen strengeren Blick auf die Nudging-Forschung, so muss man den eigenen Enthusiasmus etwas dämpfen. Eine Meta-Analyse hat sich über zweihundert Studien zum Nudging angeschaut und festgestellt: Am erfolgreichsten war Nudging im Bereich Ernährung - am geringsten im Finanzbereich.

Wie die E-Mail zum Salatbuffet hat Nudging keine Wirkung, wenn man die Bevölkerung zu eigenen finanziellen Entscheidungen leiten will. Ergebnisse wie die aus Spanien scheinen Einzelfälle zu sein oder nur in bestimmten Zusammenhängen zu funktionieren. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand kann man ein Nudging für die Rente daher nicht empfehlen.

Es gibt also leider keinen Schokoriegel, den man nahe der Renten-Kasse platzieren kann, damit die Leute von sich aus mehr vorsorgen.

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