Verdi-Chef Werneke: "Gemeinsam Druck machen"

    Interview

    Frank Werneke:Verdi-Chef: "Gemeinsam Druck machen"

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    Am Montag wird in ganz Deutschland gestreikt. Im Interview erklärt Verdi-Chef Frank Werneke, warum das nötig ist und was für die Gewerkschaft die wichtigste Forderung ist.

    ZDFheute: Herr Werneke, Sie mobilisieren landesweit zu Warnstreiks, gerade auch im ländlichen Raum. Was wollen Sie damit bezwecken?
    Werneke: Ich bin in den letzten Wochen in großen wie in kleineren Städten unterwegs gewesen, zum Beispiel vor einigen Tagen in Bayreuth. Auch da arbeiten sehr viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in den Verwaltungen, in Kitas, in kommunalen Krankenhäusern.
    Und die haben genauso Anspruch darauf, die hohen und weiter steigenden Preise ausgeglichen zu bekommen, insbesondere die große Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die weniger verdienen. Und das sind leider sehr viele Menschen, die unteren und mittleren Entgeltgruppen angehören und die besonders stark unter der Inflation leiden.
    ZDFheute: Es ist im Gespräch, dass Sie mit der Eisenbahngewerkschaft gemeinsam den Verkehr lahmlegen wollen. Das wäre das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. Was wollen Sie damit erreichen?
    Werneke: Wir haben ähnliche Situationen bei der Eisenbahn wie im Nahverkehr oder auch an den Flughäfen. Die Beschäftigten in Verkehrsberufen halten dieses Land am Laufen und sind dafür zu schlecht bezahlt. Wir befinden uns jeweils in laufenden Tarifverhandlungen, bei denen die jeweiligen Arbeitgeber - soweit es Verdi betrifft: bei uns im kommunalen Bereich, also Städte und Gemeinden - unsere Argumente nicht ernst nehmen und sich einem sozial ausbalancierten Tarifabschluss bislang komplett verweigern, wo diejenigen, die nicht so hohe Einkommen haben, besonders berücksichtigt werden.

    Zudem fordern die Arbeitgeber irre lange Laufzeiten: Sie wollen 27 Monate. Das sind Vorstellungen, die nicht von dieser Welt sind.

    Frank Werneke, Vorsitzender Verdi

    Deshalb ist es notwendig, zum Beginn der dritten Verhandlungsrunde, die am Montag in Potsdam beginnt, noch mal ein starkes Zeichen zu setzen. Und wir rufen deshalb gezielt diejenigen, die in den Verkehrsbereichen sind, zum Arbeitskampf auf. Aber die letzten Tage haben natürlich gezeigt - wir haben insgesamt 400.000 Streikteilnehmerinnen und Streikteilnehmer -, dass in der gesamten Breite des öffentlichen Dienstes auch in Krankenhäusern, auch in Kitas, auch in den Verwaltung, in Abfallwirtschaftsunternehmen die Unterstützung für die Tarifforderung enorm groß ist.
    ZDFheute: Wollen Sie mit vereinten Kräften in einer gemeinsamen Aktion mit einer anderen Gewerkschaft noch mehr Macht erlangen?
    Werneke: Wir werden dadurch, dass wir mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft gemeinsam zu Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen, zu einer größeren Wirkung kommen. Vollkommen klar, das nutzen wir, dass wir mit vereinter Möglichkeit gemeinsam Druck machen in den Tarifverhandlungen. In der Hoffnung, dass dieses Zeichen wirkt und wir dann möglichst bald zu Abschlüssen kommen, die für die Beschäftigten dann akzeptabel sind.
    ZDFheute: Sie haben zuletzt Zehntausende neue Mitglieder gewonnen. Überrascht Sie das?
    Werneke: Genau genommen sind es bis heute über 70.000 neue Mitglieder, die wir gewonnen haben seit Anfang diesen Jahres. Das ist ein enormer Zuspruch. Wir gewinnen in Tarifverhandlungen immer auch viele neue Mitglieder.

    Aber in der Größenordnung hat es das seit Menschengedenken nicht mehr gegeben.

    Frank Werneke, Vorsitzender Verdi

    Das spricht aber dafür, mit welcher Unterstützung wir in diesen Tarifrunden unterwegs sind. Und das zeigt sich auch an der enorm hohen Bereitschaft, sich an Arbeitskampfmaßnahmen zu beteiligen.
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    ZDFheute: Mit welchen Forderungen gehen Sie in die dritte Verhandlungsrunde?
    Werneke: Unsere Forderungen sind ja bekannt: 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro, 200 Euro mehr für die Auszubildenden. Das Wichtigste daran ist der Mindestbetrag von 500 Euro. Der berücksichtigt vor allen Dingen die Beschäftigtengruppen, die nicht so hohe Einkommen haben: Busfahrerinnen und Busfahrer, Menschen, Abfallwirtschaftsunternehmen, viele andere Jobs im öffentlichen Dienst, die nicht ausreichend bezahlt sind und wo die Kolleginnen und Kollegen massiv von gestiegenen Preisen belastet sind.
    Und solange die öffentlichen Arbeitgeber sich hinstellen und den Ausgleich verweigern und sagen, das sei irgendwie nicht ihr Ding, weil diejenigen, die die einfachen Tätigkeiten machen sowieso ersetzbar seien, solange wird diese Tarifrunde zu keinem Ergebnis führen.
    ZDFheute: Wo würden Sie Abstriche machen?
    Werneke: Alle unsere Positionen sind natürlich verhandlungsfähig. Das gehört sich so in Tarifverhandlungen. Das Wichtigste ist bei einem Abschluss ein ausreichend hoher Mindestbetrag, um diejenigen, die nicht so hohe Einkommen haben, besonders zu würdigen und zu berücksichtigen.
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    ZDFheute: Was wäre, wenn es mit Ihren aktuellen Forderungen zu keiner Einigung käme? Haben Sie sich dafür schon Szenarien überlegt?
    Werneke: Wir gehen mit großer Zuversicht und natürlich auch dem notwendigen Schuss an Optimismus in die Tarifverhandlungen am Montag und setzen darauf, dass die Arbeitgeber sich deutlich bewegen und dann ein Tarifabschluss möglich ist. Das wird im Wesentlichen davon abhängen, ob es gelingt, mit den Arbeitgebern einen ausreichend hohen Mindestbetrag zu vereinbaren. Wenn das nicht geht, dann sind verschiedene Dinge denkbar.

    Aber erst einmal setzen wir auf Verhandlungen und dann entscheiden wir am Ende des dritten Verhandlungstages, wie es weitergeht, und informieren dann gerne.

    Frank Werneke, Vorsitzender Verdi

    ZDFheute: Immer wieder ist auch von Urabstimmung und unbefristeten Streiks die Rede. Wie stehen Sie dazu?
    Werneke: Wenn das notwendig ist, sind wir natürlich in der Lage, auch eine Urabstimmung durchzuführen. Wir würden einen solchen Schritt aber mit der notwendigen Ernsthaftigkeit diskutieren, wenn es absolut notwendig ist. Denn das würde bedeuten, dass es vermutlich einen wochenlangen Arbeitskampf gibt, der sowohl die Beschäftigten, aber natürlich auch die Bevölkerung belastet. Das wollen wir nicht. Das setzt aber voraus, dass es zu einem Ergebnis kommt, was für die Beschäftigten tragbar und akzeptabel ist - in Potsdam.
    Das Interview führte Antje Klingbeil.

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