Vier Jahre nach erstem Lockdown:Jugendliche und Corona "Pandemie wirkt nach"
von Clara Andersen
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Auch vier Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown zeigen sich noch Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Wie Experten die Situation einschätzen.
Kontaktbeschränkungen, geschlossene Schulen, Ausgangssperre: Am 22. März 2020 wurde das alles Realität. Und die Corona-Pandemie hat noch heute Folgen, vor allem für Kinder und Jugendliche. "Das Stresslevel ist bei ihnen noch immer stark erhöht", sagt Stephan Bender, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Köln.
Nach Aussage des Experten gegenüber ZDFheute gebe es dafür zwar mehrere Ursachen - zum Beispiel den Ukraine-Krieg und den Klimawandel - insgesamt legten Studien und die Einschätzung von Ärztinnen und Ärzten jedoch nahe, dass Corona eine der zentralen Ursachen sei. Denn das Stresslevel junger Menschen habe sich seither deutlich über dem Niveau vor der Pandemie eingependelt.
Experte: "Die Pandemie wirkt nach"
Auch seien Anstiege bei psychischen Störungen zu verzeichnen, sagt Bender. Das geht auch aus den Daten des DAK- Kinder- und Jugendreports von Ende 2023 hervor: Vor allem die Rate bei Ess- und Angststörungen sowie Depressionen ist deutlich erhöht.
Verglichen mit 2019 erkrankten 2022 zum Beispiel 51 Prozent mehr Mädchen an Essstörungen, nämlich eine von 100. Inzwischen gehen die Zahlen demnach zwar langsam wieder zurück, liegen aber ebenfalls noch deutlich über Vorkrisenniveau. Ähnlich sieht es dem Report zufolge auch bei Angststörungen und Depressionen aus: 2022 wurden unter 15- bis 17-jährigen Mädchen 4,1 Prozent erstmalig mit einer Depression diagnostiziert und 4 Prozent mit einer Angststörung, das sind 44 Prozent mehr als noch 2019.
Die Schulschließungen hätten dafür gesorgt, dass Jugendliche isoliert wurden. Gleichzeitig hätten sich einige schwer damit getan, den Unterrichtsstoff anschließend aufzuholen. Ereignisse, die in so einer prägenden Lebensphase schwer auszublenden seien, so der Experte.
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Lockdowns führten teils zu "psychischen Erkrankungen"
Auch Christina Teckentrup von der auf Psychosomatik spezialisierten Schön-Klinik in Bad Bramstedt spricht von einem "großen Ausmaß" an Störungsbildern - vor allem bei Ess- und Angststörungen sowie Depressionen - welche die Zeit der Corona-Beschränkungen überdauerten.
"Wenn die Lockdowns nicht gewesen wären, hätte ein Teil der Betroffenen sicherlich keine Essstörung oder andere psychische Erkrankungen entwickelt", so die Einschätzung von Teckentrup. Denn Jugendliche seien ganz besonders auf soziale Kontakte angewiesen.
Jugendliche unterstützen - diese Maßnahmen braucht es
Der heutige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), bis Ende 2021 bereits als Parlamentarier an den Entscheidungen im Bundestag beteiligt, räumt inzwischen Mängel in der Corona-Politik ein: "Der größte Fehler war, dass wir bei den Kindern zum Teil zu streng gewesen sind und mit den Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich etwas zu spät angefangen haben."
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Ärztin Teckentrup wünscht sich, dass man aus diesen Fehlern lernt: "Wir sollten jetzt schauen, was man beim nächsten Mal anders machen kann." Vor allem geht es angesichts der hohen Erkrankungszahlen weiter darum, die Jugendlichen möglichst umfassend zu unterstützen.
Es brauche mehr Klinikplätze, um die Wartezeiten zu verkürzen. Mehr Plätze sind auch bei ambulanter Therapie nötig: Laut Bundespsychotherapeutenkammer haben sich Wartezeiten für Kinder und Jugendliche seit Pandemiebeginn auf rund 25 Wochen nahezu verdoppelt.
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