Die Angst, nicht zu genügen: Das Hochstapler-Syndrom

    Promis haben Angst, zu versagen:Das Hochstapler-Syndrom: Wann fliege ich auf?

    von Miriam Müller
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    Viele Prominente wie Lady Gaga oder Michelle Obama glauben, trotz ihres Erfolges, den Ruhm nicht zu verdienen. Psychologin Stefanie Stahl erklärt das Hochstapler-Syndrom.

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    Das Hochstapler-Syndrom: Promis wie Lady Gaga leiden unter der ständigen Angst, nicht zu genügen. Psychologin Stefanie Stahl erklärt, warum vor allem Frauen betroffen sind. 07.02.2024 | 5:49 min
    Die Sängerin Lady Gaga leidet darunter, genauso wie die frühere First-Lady von Amerika, Michelle Obama. Sie haben sich in Interviews dazu bekannt, das Impostor-Syndrom zu haben, auf Deutsch: das Hochstapler-Syndrom.

    Hochstapler-Syndrom: Erfolge zählen nicht

    Menschen, die darunter leiden, werten sich und ihre Leistungen grundsätzlich ab. Sie fühlen sich wie ein Hochstapler, der nur durch Zufall so weit gekommen ist. Und befürchten, jederzeit enttarnt werden zu können.
    Und das, obwohl sie meist extrem erfolgreich und talentiert sind. Sie schreiben ihre Erfolge äußeren Umständen zu und nicht dem eigenen Können.
     Lady Gaga trägt ein rosafarbenes Kleid mit Puffärmeln. Hellblonde Haare reichen ihr bis zur Schulter und sie trägt lange künstliche Wimpern. Im Hintergrund sind Fotografen und ein Mann im Smoking zu sehen.
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    Lady Gaga: ein Leben mit ständigen Selbstzweifeln

    Lady Gaga zum Beispiel hat als Künstlerin alles erreicht, was man im Showbusiness erreichen kann. Sie ist preisgekrönt, bekam bereits einen Oscar, zwei Golden Globes und 13 Grammys. Und doch wird sie täglich von Selbstzweifeln geplagt, wie sie in einem ZDF-Interview zugibt:

    Stellen Sie sich vor, sie sind nie glücklich oder zufrieden mit sich. Sie haben dieses Talent, fragen sich aber immer: Bin ich gut genug?

    Lady Gaga

    Psychologin: Die Ursachen liegen in der Kindheit

    Der Ursprung dieser Gedanken liegt im Selbstwertgefühl, dem Epizentrum unserer Psyche", erklärt Stefanie Stahl. Die Psychologin und Bestsellerautorin ist Expertin, was Kindheitsprägungen betrifft.

    Stefanie Stahl ist Psychologin, Psychotherapeutin, Autorin und Podcasterin mit eigener Praxis in Trier. Ihr Bestseller 'Das Kind in dir muss Heimat finden' beschäftigt sich mit Kindheitsprägungen und wurde in über 30 Sprachen übersetzt. Stahl möchte mit ihrer Arbeit Menschen dazu ermutigen, sich mit ihrer eigenen Psyche zu beschäftigen.
    Quelle: dpa

    ... ist Psychologin, Psychotherapeutin, Autorin und Podcasterin mit eigener Praxis in Trier. Ihr Bestseller "Das Kind in dir muss Heimat finden" beschäftigt sich mit Kindheitsprägungen und wurde in über 30 Sprachen übersetzt. Stahl möchte mit ihrer Arbeit Menschen dazu ermutigen, sich mit ihrer eigenen Psyche zu beschäftigen.

    Der Selbstwert bildet sich laut Stahl in den ersten Lebensjahren aus. Wir bemessen unseren Wert danach, was unsere Eltern oder das nahe Umfeld uns spiegeln.

    Wenn ich grundsätzlich das Gefühl habe, eigentlich genüge ich nicht, fällt es mir schwer, mich vom Gegenteil zu überzeugen.

    Stefanie Stahl, Psychologin und Psychotherapeutin

    Die Fallhöhe bei Promis ist hoch

    Bei bekannten Persönlichkeiten kommt laut Stahl hinzu, dass sie viel mehr im beobachtenden Fokus der Öffentlichkeit stehen und deshalb auch das Gefühl haben, sich vergleichen zu müssen.
    Außerdem werden hohe Anforderungen an sie gestellt. Das kann zu großen Versagensängsten führen:

    Bin ich gut genug, diese Frage hat mich einen großen Teil meines Lebens begleitet. Dann auch, bin ich gut genug, die First Lady der Vereinigten Staaten zu sein?

    Michelle Obama

    Diese Fragen beschäftigten Michelle Obama viele Jahre, wie sie in einem Interview mit der Zeitung "The Guardian" preisgibt.
    Michelle Obama bei Veranstaltung
    Michelle Obama kennt die Angst, sich selber nicht zu genügen.
    Quelle: AP

    Sie habe lange dafür gebraucht, das eigene Stigma im Kopf umzuprogrammieren. Das habe sie nur durch harte Arbeit an sich selbst überwunden.

    Stefanie Stahl: Das Hochstapler-Syndrom ist heilbar

    Das Hochstapler-Syndrom ist keine Erkrankung, sondern lediglich ein psychologisches Phänomen. Es ist möglich, daran zu arbeiten, sagt Stefanie Stahl.

    Das erste ist, einen Faktencheck zu machen und realistisch auf mich zu schauen, den Blick auf meine Stärken zu richten.

    Stefanie Stahl, Psychologin und Psychotherapeutin

    Man könne zum Beispiel jeden Tag drei Sachen aufschreiben, die man gut gemacht hat. Die Psyche zu verändern, sei ein Lernen.
    Und Lernen profitiere von Wiederholungen und Einsichten. "Wenn ich neue Glaubenssätze trainiere, ergeben sich neue Verknüpfungen. Dann kann ich das alte Muster tiefgreifend verändern."
    Wichtig ist es also, sich seine Prägungen erst einmal bewusst zu machen. Ihnen quasi auf die Schliche zu kommen. Und sie einer Realitätsprüfung zu unterziehen.

    Das Hochstapler-Syndom: Ein Frauen-Phänomen?

    Tatsächlich werden hauptsächlich Frauen von solchen negativen Gedankenmustern beeinträchtigt. Frauen seien eher sozialisiert worden, bescheiden zu sein, sagt Stefanie Stahl.
    Ihnen sei oft von frühester Kindheit an suggeriert worden, dass sie nicht so viel können, wie Männer.

    Ich fühle mich immer noch wie ein Loser in der Highschool und muss mich jeden Morgen daran erinnern, dass ich ein Superstar bin.

    Lady Gaga

    Die 37-Jährige möchte diesen alten Glaubenssatz unbedingt endlich überwinden.
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    Michelle Obama hat ihr Hochstapler-Syndrom inzwischen im Griff. Sie hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, vor allem Mädchen und Frauen dabei zu unterstützen, ihre Selbstzweifel in andere Bahnen zu lenken.
    In einem Interview mit der Zeitschrift "Vogue" sagt sie: "Während negative Gedanken so oder so auftauchen, wenn man neue Rollen und Herausforderungen annimmt, kann man sie akzeptieren, ohne sich von ihnen davon abhalten zu lassen, Raum einzunehmen."
    Michelle Obama
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    Es brauche aber Übung, um das Selbstvertrauen zu gewinnen, sich in der Welt Gehör zu verschaffen.

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