Adoptionen: Warum die Zahl in Deutschland sinkt

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    Adoptionen in Deutschland:"Das beste Leben, das ich hätte haben können"

    von Anne-Kathrin Dippel
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    Die Zahl der Adoptionen ist in Deutschland deutlich gesunken. Woran das liegt - und wie zwei Erwachsene auf ihre Adoption zurückblicken.

    Ein Elternteil hält die Hand ihres Kindes.
    Quelle: iStock/PeopleImages

    Als Isabels Adoptivmutter sie als Baby das erste Mal auf den Schoß nimmt, spürt sie: Es gibt keinen Unterschied zwischen der Liebe zu einem leiblichen und einem adoptierten Kind. So erzählt es Isabel selbst. Die 34-Jährige wurde in Sri Lanka geboren und kurz nach ihrer Geburt von ihren deutschen Eltern adoptiert. Da sie unehelich geboren wurde, gab ihre biologische Mutter sie zur Adoption frei. Die Probleme wären in der sri-lankischen Gesellschaft zu groß gewesen.
    Fragt man Isabel nach ihrer Adoptionsgeschichte, hört man viel Gutes - über Liebe und Offenheit, über ein Familienmodell, das für viele ein Gewinn ist. Und doch scheint es ein Modell zu sein, über das immer weniger Menschen nachdenken - denn die Zahl der Adoptionen in Deutschland sinkt seit Jahren. Woran liegt das?

    Warum die Zahl der Adoptionen in Deutschland sinkt

    1989 war Isabel eines von rund 7.100 adoptierten Kindern in Deutschland. 2022 gab es nur noch 3.800 Adoptionen. Die Zahl der Adoptionsbewerbungen fiel sogar noch stärker - um mehr als 80 Prozent. Rechnerisch kamen laut Statistischem Bundesamt 2022 auf ein zur Adoption vorgemerktes Kind vier mögliche Adoptiveltern.
    Die Grafik zeigt, wie sich die Zahl der Adoptionen in Deutschland entwickelt hat: Sie sank von über 10.000 in den 70er Jahren auf 3.800 im Jahr 2022
    Für Iris Egger-Otholt, die Leiterin des rheinland-pfälzischen Landesjugendamts, ist der Rückgang auf zwei Faktoren zurückzuführen: "Einerseits können sich heute mehr Paare, die sich ein Kind wünschen, mithilfe der fortgeschrittenen Reproduktionsmedizin den Traum vom Kind erfüllen."
    Andererseits sei auch die Bereitschaft der Eltern gesunken, ihr Kind zur Adoption freizugeben. Stattdessen entschieden sich viele eher dafür, ihr Kind in Pflege zu geben, da so die rechtliche Bindung zum Kind bestehen bleibe. "Das können viele Eltern besser mit sich vereinbaren."

    Fruchtbarkeitsprobleme Hauptgrund für Adoption

    Als bei Christofers* Eltern der Wunsch nach einem eigenen Kind unerfüllt blieb, entschieden sie sich für eine Adoption. Kurz nach seiner Geburt auf den Philippinen kam er zu ihnen. Seine leiblichen Eltern hatten bereits mehrere Kinder und nicht genug Geld, um alle zu versorgen. Die genauen Hintergründe seiner biologischen Familie kennt Christofer nicht: "Ich will es eigentlich auch nicht wissen. Meine nicht-biologischen Eltern sind für mich meine Eltern."
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    Laut Egger-Otholt sind Fruchtbarkeitsprobleme auch heute bei den meisten Paaren der Hauptgrund für eine Adoption fremder Kinder. "Viele haben jedoch auch altruistische Motive und wollen einem Kind ein Leben ermöglichen, das es sonst vielleicht nicht hätte."




    Offener Umgang mit Adoption wichtig

    Um Adoptivkindern so ein Leben zu ermöglichen, sei es unter anderem wichtig, dass Eltern offen über die Adoption sprechen, sagt Egger-Otholt. Christofer hat dies jedoch anders erlebt: "Ich habe es nicht von meinen Eltern selbst erfahren, sondern durch andere Familienmitglieder. Ich habe meine Eltern aber nie direkt darauf angesprochen und habe versucht, selbst damit klarzukommen", sagt der 23-Jährige.
    Obwohl er sich hin und wieder unwohl mit der Situation gefühlt habe, kritisiert er seine Adoptiveltern nicht: "Ich liebe meine Eltern und will von ihnen auch keine Antworten auf irgendwelche Fragen. Sie haben mir nie das Gefühl gegeben, ungewollt zu sein. Ich habe jetzt einfach das beste Leben, das ich hätte haben können."
    Isabel erzählt, dass ihre Eltern von Beginn an offen mit der Adoption umgegangen sind - und rät das auch Paaren, die darüber nachdenken, ein Kind anzunehmen: "Wir hatten tolle Kinderbücher, die das Thema Adoption altersgerecht behandelt haben. Meine Eltern haben während des ganzen Adoptionsprozesses in Sri Lanka viele Bilder gemacht, auch von meiner leiblichen Mutter, die sie mir immer wieder gezeigt haben."
    *Name von der Redaktion geändert
    Redaktion: Kevin Schubert, Kathrin Wolff
    Grafiken im Auftrag des ZDF: Luca Zink

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