World Sexual Health Day: Was bedeutet "Consent"?

    World Sexual Health Day:Was bedeutet "Consent"?

    von Felix Molchanov und Jan Henrich
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    Der diesjährige Welttag der sexuellen Gesundheit dreht sich um die Frage, wann Handlungen einvernehmlich sind. Aktuelle Skandale zeigen, wie viel Klärungsbedarf besteht.

    Das Bild zeigt die Hand eines Menschen, die auf der Hand einer anderen Person abgelegt ist.
    In Deutschland ist jede sexuelle Handlung strafbar, die gegen den erkennbaren Willen einer Person vorgenommen wird.
    Quelle: Imago

    Spanien diskutiert über einen Skandal-Kuss. Ausgerechnet das Land, das erst im vergangenen Herbst sein Sexualstrafrecht deutlich verschärft hat und damit als europäisches Vorbild galt, scheint nun tief gespalten im Streit über Macho-Kultur.
    Dabei sollte klar sein: Zu einvernehmlichen Handlungen gehört das Einverständnis aller Beteiligten - kurz gesagt "Consent". Darauf macht auch der diesjährige Welttag der sexuellen Gesundheit aufmerksam. Aber was ist genau damit gemeint und wann ist die Grenze zur Strafbarkeit überschritten? Ein Überblick.

    Was bedeutet "Consent"?

    Der Begriff "Consent" meint insbesondere bei sexuellen Handlungen, dass diese in den für sich persönlich gezogenen Grenzen aller Beteiligten stattfinden. Wichtig ist: Die Zustimmung kann jederzeit zurückgezogen werden.
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    In der 2011 von 45 Mitgliedsstaaten des Europarats beschlossenen Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt heißt es zudem:

    Das Einverständnis muss freiwillig als Ergebnis des freien Willens der Person, der im Zusammenhang der jeweiligen Begleitumstände beurteilt wird, erteilt werden.

    Auszug der Istanbul-Konvention

    Was unterscheidet "Ja heißt Ja" und "Nein heißt Nein" voneinander?

    Im Sexualstrafrecht wird dabei häufig unterschieden zwischen "Nein heißt Nein", also der ausgedrückten Ablehnung einer Handlung, und "Ja heißt Ja", also dem Prinzip, dass es für einvernehmlichen Sex eine klare verbale oder nonverbale Zustimmung braucht. Spanien und Schweden hatten sich beispielsweise in den vergangenen Jahren für die "Ja heißt Ja"-Variante entschieden.
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    Seit einer Gesetzesreform von 2016 gilt in Deutschland der Grundsatz: "Nein heißt Nein". Für eine Strafbarkeit kommt es seitdem nicht mehr darauf an, ob mit Gewalt gedroht oder diese angewendet wurde.

    Wann ist eine sexuelle Handlung strafbar?

    Strafbar ist seit der Reform des deutschen Sexualstrafrechts jede sexuelle Handlung, die gegen den erkennbaren Willen einer Person vorgenommen wird. Die Ablehnung braucht keine Worte: Jemanden wegstoßen, weinen, sich wegdrehen - das sind klare Signale, die das Gegenüber als Nein erkennen muss. Ein Nein ist es auch, wenn eine Person ihren Willen gar nicht ausdrücken kann, zum Beispiel weil sie schläft oder unter Drogeneinfluss steht.
    Dabei kann auch ein Kuss in manchen Fällen schon als sexuelle Handlung gelten. Nach deutschem Recht kommt es auf die Gesamtumstände und Intensität der Handlung an.
    Strafbar ist zudem das sogenannte "Stealthing" - Geschlechtsverkehr, bei dem das Kondom heimlich abgezogen wird. In der Schweiz hat man im Zuge der aktuellen Reform des Sexualstrafrechts zudem explizit das sogenannte "Freezing" in den Tatbestand der Vergewaltigung aufgenommen. Demnach wird auch Schockstarre als klare Ablehnung gewertet.

    Was tun, wenn eine sexuelle Handlung nicht einvernehmlich war?

    In so einer Notlage reagiert jeder Mensch anders. Eine Vertrauensperson oder professionelle Beratungsstelle kann unterstützen. Bei Gewalt gegen Frauen steht zum Beispiel das Hilfetelefon des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben unter der Telefonnummer 116 016 zur Verfügung. Die Beratung ist anonym, kostenfrei und barrierefrei. Zudem gibt es medizinische und psychologische Angebote.
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    Betroffene können sich unmittelbar medizinische Hilfe suchen und dort Verletzungen vertraulich dokumentieren lassen. Bei der Polizei kann eine Anzeige erstattet werden, das muss aber nicht sofort geschehen.
    Sollte es dann zum Strafverfahren kommen, hilft es, Beweise vorzubereiten. Die betroffene Person kann auch ein Gedächtnisprotokoll schreiben. Beschädigte Kleidung oder Wäsche sollte aufbewahrt werden.

    Was passiert, wenn ein Fall vor Gericht kommt?

    Vor Gericht kann die Frage aufkommen, ob der Wille der Betroffenen für das Gegenüber eindeutig erkennbar war. Innere Vorbehalte gegen eine sexuelle Handlung reichen nicht aus. Gerade diese Erkennbarkeit der Ablehnung führt in der Praxis häufig zu Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen vor Gericht.
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    Bei sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung wird nach einer Dunkelfeldstudie des Bundeskriminalamts aus dem Jahr 2020 nur etwa jede zehnte Tat überhaupt angezeigt. Und wiederum führt nur ein kleiner Bruchteil davon zu einer Verurteilung.
    Neben der geringen Aufklärungsquote kann auch das Strafverfahren selbst für Betroffene psychisch belastend sein. Verletzte von Sexualstraftaten können deshalb eine psychosoziale Prozessbegleitung in Anspruch nehmen. Zudem unterstützen Hilfeeinrichtungen, beispielsweise der "Weisse Ring".
    Felix Molchanov und Jan Henrich sind Teil der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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