Warum vor allem Mädchen an Depressionen leiden

    Psychische Gesundheit:Warum Depressionen häufiger Mädchen betreffen

    Houben Luisa
    von Luisa Houben
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    Bei Problemen ziehen sich Mädchen eher zurück. Jungen werden aggressiv. So weit das Klischee. Was dahinter steckt und welche Rolle Social Media dabei spielt.

    Die Erinnerungen an der Corona-Lockdown sitzen bei Maren noch tief: "Ich war nur noch ein Schatten meiner selbst", erzählt die mittlerweile 18-Jährige. Von Tag zu Tag habe sie sich unwohler mit sich selbst gefühlt, viel Sport gemacht, wenig gegessen. Statt mit ihren Freundinnen oder Eltern zu sprechen, am Smartphone gehangen.

    Ich wäre nicht allein gewesen, wenn ich mein Zimmer verlassen hätte. Aber ich habe mich einfach total abgeschottet.

    Maren, Psychiatrie-Patientin

    Die Folgen des Lockdowns spürt sie bis heute - so wie viele andere Kinder und Jugendliche.

    Psychische Auffälligkeiten nach Corona-Einschränkungen

    23 Prozent von ihnen zeigen auch nach Ende der Corona-Einschränkungen psychische Auffälligkeiten. Zu diesem Ergebnis kommt die Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Die Forschenden schlussfolgern außerdem, dass vor allem Mädchen ein höheres Risiko für Ängste und Depressionen haben, insbesondere 14- bis 17-Jährige - wie Maren damals.
    Fehlende Therapieplätze durch Corona
    Für Menschen mit psychischen Problemen hat die Corona-Pandemie das Leben noch schwerer gemacht, denn Therapien waren oft unmöglich.27.01.2023 | 3:04 min
    Hilfe bekommt sie in der Tagesklinik der Tübinger Jugendpsychiatrie. Und auch hier wird der Geschlechterunterschied deutlich. Wegen Depressionen sind vor allem Mädchen in Behandlung. Die Gründe dafür sind vielfältig.

    Warum werden Mädchen häufiger depressiv?

    Psychische Erkrankungen zeigen sich entweder mit internalisierenden und externalisierenden Symptomen. Internalisierende Symptome richten sich nach innen, gegen einen selbst. Man stelle sie häufiger bei Mädchen fest, erklärt Tobias Renner, Ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie Tübingen.
    Das können Depressionen oder Angststörungen sein. Häufig sei es so, dass selbstverletzendes Verhalten zur Gefühlsregulation hinzukäme oder ein Essproblem wie Magersucht.
    Externalisierende Symptome wirken nach außen und treten häufiger bei Jungen auf, zum Beispiel aggressives Verhalten.
    Eine eindeutige Erklärung für diesen Geschlechtsunterschied gibt es laut Tobias Renner nicht. Der Psychiater geht davon aus, dass die hormonellen Veränderungen in der Pubertät eine Rolle spielen, sowie gesellschaftlich konstruierte Rollenbilder.

    Es wird immer wieder angeführt, dass Mädchen und Jungs schon in der Kindheit andere Inhalte angeboten bekommen und das Einfluss nehmen könnte, wie später auch Krisen bewältigt werden.

    Tobias Renner, Kinder- und Jugendpychiatrie Tübingen

    Welche Rolle spielt Social-Media-Nutzung?

    Als es Maren immer schlechter geht, ist sie am liebsten allein. Verbringt die meiste Zeit in ihrem Zimmer und am Smartphone. "Mein Handy war mein bester Freund", erinnert sie sich. Instagram, Tiktok oder Youtube waren ihre Zufluchtsorte.
    Doch was sie auf den Plattformen sieht, zieht sie noch weiter in die Depression.

    Ständig die Supermodels auf Instagram zu sehen, das tut in der Seele weh.

    Maren, 18 Jahre alt

    "Wenn man sich dann selbst anguckt und denkt: So sehe ich aber gar nicht aus, vielleicht müsste ich da ein bisschen was mehr machen und da ein bisschen weniger machen." Die Folge des ständigen Vergleichs: Maren treibt exzessiv Sport und isst zu wenig.

    Smartphones in Tagesklinik verboten

    Eine Studie des University College London bestätigt, dass Social-Media-Nutzung einen Einfluss auf die seelische Gesundheit von Jugendlichen hat. 14-jährige Mädchen litten demnach doppelt so häufig wie Jungen an Depressionen. Sie nehmen ihren eigenen Körper als defizitär und ihr Leben als unspektakulär wahr.
    In der Tagesklinik der Tübinger Jugendpsychiatrie sind Smartphones verboten. Statt sich damit abzulenken, hat Maren gelernt, sich ihren Gefühlen zu stellen. Zusammen mit anderen Patientinnen und Patienten hat sie Schulunterricht, puzzelt, bastelt, liest. Und es macht ihr Spaß.
    Betreuer und Therapeutinnen sind jederzeit für sie da. So hat Maren nach fast einem halben Jahr Therapie wieder Vertrauen geschöpft - vor allem in sich selbst.  
    Wenn Sie, Ihre Kinder oder andere Angehörigen depressive Gedanken haben, finden Sie hier Hilfe:




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