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Interview

Kinder besonders betroffen : Risiko Ernährungsarmut: Zu wenig, zu ungesund

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Millionen Menschen in Deutschland haben nicht genug Geld für gesunde Nahrungsmittel. Auch Kinder sind davon betroffen. Ernährungsforscher Jakob Linseisen fordert ein Gegensteuern.

Frühstück in einer Grundschule
3,5 Prozent der Menschen in Deutschland sind von Ernährungsarmut betroffen - und damit auch viele Kinder.
Quelle: Inga Kjer/ photothek

Wer sich eine gesunde Ernährung nicht leisten kann, sei gesundheitlich und sozial benachteiligt, sagt Jakob Linseisen. Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE), der sich aktuell mit Ernährungsarmut in Deutschland befasst hat. Das Ergebnis der Untersuchung: Die Politik ist gefordert. Die Stellungnahme wurde gerade erst dem Bundesministerium für Ernährung überreicht.

Im Interview mit ZDFheute erklärt der Ernährungsforscher das Problem und welche politischen Maßnahmen der Beirat empfiehlt.

ZDFheute: Was ist eigentlich Ernährungsarmut?

Prof. Dr. Jakob Linseisen: Ernährungsarmut bedeutet, dass aus finanziellen Gründen eine gesunde Ernährung nicht sichergestellt werden kann. Der Begriff ist eng mit dem Begriff der Armut verknüpft, international wird auch von "food insecurity" gesprochen. In Deutschland gibt es dazu aber bislang kaum Daten. Schätzungen zufolge sind hierzulande drei Millionen Menschen betroffen. Das sind 3,5 Prozent der Bevölkerung, also unglaublich viele.

Es ist völlig inakzeptabel, dass in Deutschland Ernährungsarmut existiert.
Jakob Linseisen, Ernährungsforscher

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ZDFheute: Wer ist davon betroffen?

Linseisen: Es sind vor allem armutsgefährdete Haushalte mit geringem Nettoeinkommen, Haushalte, die Arbeitslosen- oder Bürgergeld beziehen, Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentner, Nutzer der Tafeln. Und natürlich sind auch die Kinder in diesen Haushalten betroffen.

ZDFheute: Wie kauft man im Supermarkt ein, wenn man kaum Geld hat?

Linseisen: Pflanzliche Lebensmittel sind gesund, aber eher teuer. Wer wenig Geld hat, greift häufiger zu günstigeren Lebensmitteln. Die sättigen zwar und enthalten viel Energie, aber meistens auch viel Fett und Zucker. Oft sind es Produkte, die hoch verarbeitet und arm an essentiellen Nährstoffen sind.

ZDFheute: Welche gesundheitlichen Folgen hat das?

Linseisen: Wir orientieren uns gegenwärtig an Ergebnissen, die für unterschiedliche Einkommensgruppen, Bildungsgruppen oder soziale Schichten existieren. Da kann man klar sehen, dass ein massives Problem mit Übergewicht und Adipositas besteht. Für Kinder ist gesunde Ernährung auch für die körperliche und geistige Entwicklung und das Immunsystem relevant. Ernährungsarmut hat aber auch psychische und soziale Folgen.

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ZDFheute: Was sind das für soziale Folgen?

Linseisen:

Es ist nicht nur wichtig, was wir essen, sondern auch, wie wir essen.
Jakob Linseisen, Ernährungsforscher

Vom Regelsatz sollte es möglich sein, auch mal Freunde nach Hause zum Essen einzuladen oder außer Haus zu essen. Wir haben Ernährungsarmut in Krisenzeiten beleuchtet. Und gerade die Pandemie hat doch gezeigt, wie problematisch fehlende soziale Kontakte und sozialer Ausschluss sich auf die Gesundheit auswirken.

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ZDFheute: Was sollte die Politik tun?

Linseisen: Die Politik muss dringend handeln. In unserer Stellungnahme empfehlen wir ihr deshalb ein ganzes Bündel konkreter Maßnahmen. Drei der wichtigsten sind:

  • Der Bürgergeld-Satz für Lebensmittel muss angepasst werden. Er reicht für eine gesunde Ernährung nicht aus. Dabei sollte auch die soziale Gesundheit berücksichtigt werden.
  • Die Situation bei den Tafeln und anderen karitativen Einrichtungen ist bereits angespannt. Viele haben Aufnahmestopps verhängt. Auch hier muss der Staat unterstützen.
  • Die Versorgung von Kindern muss sichergestellt werden, am besten mit kostenloser qualitätsgesicherter Mittagsverpflegung in Schulen und Kitas als wichtigem Baustein.

ZDFheute: Was kann die Wissenschaft zur Verbesserung beitragen?

Linseisen: Wir wissen noch zu wenig über Ernährungsarmut in Deutschland. Deshalb empfehlen wir, eine solide Datengrundlage zu Häufigkeit, Ursachen und Folgen zu schaffen. Mit einem Monitoring-Programm können dann auch Gegenmaßnahmen in ihrer Wirkung beurteilt werden.

Das Interview führte Markus Böhle, Autor für das Gesundheits-Team der "Vollen Kanne".

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