Haftstrafe im Mordfall Yeboah - 32 Jahre nach Brandanschlag

    Brandanschlag im Jahr 1991:Nach 32 Jahren: Haftstrafe im Mordfall Yeboah

    Jan Henrich
    von Jan Henrich
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    Im September 1991 starb Samuel Yeboah bei einem Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft. Im Prozess gegen eine ehemalige Neonazi-Größe erging am Montag das Urteil.

    Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal des Oberlandesgerichts zur Verkündung des Urteils geführt.
    Haftstrafe für den Angeklagten im Fall des Mordes an Samuel Yeboah.
    Quelle: dpa

    Offiziell war der Brandanschlag auf die Asylbewerberunterkunft in Saarlouis lange Zeit nicht als rassistische Tat anerkannt. Das Umlenken bei der örtlichen Stadtverwaltung kam erst vor wenigen Wochen - 32 Jahre nach dem Tod von Samuel Kofi Yeboah.

    Späte Anerkennung für Opfer des Brandanschlags

    Der Bürgermeister der saarländischen Stadt entschuldigte sich. Eine späte Anerkennung, auf die viele Opfer lange gewartet hatten. Wie auch auf das Urteil im Mordprozess vor dem Oberlandesgericht Koblenz vom heutigen Montag.
    Der angeklagte ehemalige Saarlouiser Neonazi Peter S. hatte im Laufe des Verfahrens gestanden, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Heute ist er unter anderem wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt worden.
    Doch der Fall wirft Fragen auf, wie Polizei und Behörden in den neunziger Jahren mit rechten Gewalttaten umgegangen sind.

    Zeugin meldete sich 2019 - durch Zufall

    Das Feuer hatte den damals 27-jährigen Yeboah in den frühen Morgenstunden des 19. September 1991 im Dachgeschoss seiner Asylbewerberunterkunft erfasst. Der ghanaische Staatsbürger starb noch am selben Tag an schweren Verbrennungen und einer Rauchvergiftung. Weitere Bewohner konnten vor den Flammen gerettet werden.
    Samuel Kofi Yeboah
    Samuel Kofi Yeboah starb 1991 bei einem Brandanschlag.
    Quelle: Landespräsidium Saarland

    Dass es nach drei Jahrzehnten noch zu einem Prozess kam, ist eher dem Zufall geschuldet. Nur elf Monate nach der Tat wurden die Ermittlungen zunächst ergebnislos eingestellt. 2019 meldete sich eine Zeugin bei der Polizei, nachdem sie in den Medien auf den Fall aufmerksam wurde. Sie erinnerte sich, Peter S. habe bei einer Grillfeier mit der Tat geprahlt. Die Bundesanwaltschaft übernahm daraufhin die Ermittlungen und die Anklage.

    Teilgeständnis des Angeklagten am 25. Prozesstag

    Der Prozess am Oberlandesgericht Koblenz dauerte fast ein Jahr. Am 25. Verhandlungstag gab der Angeklagte ein Teilgeständnis ab. Er habe den Brand zwar nicht gelegt, sei aber dabei gewesen. Die Verteidigung forderte daher eine Verurteilung wegen Beihilfe.
    Beauftragter für Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern
    Aufgrund zunehmender rassistischer Diskriminierung befürwortet eine Mehrheit in Deutschland eine Antidiskriminierungspolitik.25.04.2023 | 1:31 min
    Das Gericht sah es nun als erwiesen an, dass Peter S. den Brand gelegt hat, bei dem Yeboah starb. Mit dem Strafmaß bleibt das Gericht unter der Forderung der Bundesanwaltschaft. Sie verlangte neuneinhalb Jahre Haft wegen Mordes. Die Tat wird nach Jugendstrafrecht bewertet, da Peter S. zur Tatzeit noch als Heranwachsender galt.

    Westdeutsche Hochburg rechtsextremer Strukturen

    Springerstiefel- und Baseballschlägerjahre - gewaltbereite Neonazi-Strukturen, sie hatten auch in Westdeutschland ihre Hochburgen. Eine davon die saarländische Stadt Saarlouis, sagt Roland Röder von der Aktion 3. Welt Saar.

    Die Nazis hatten in den 90er Jahren das Stadtbild geprägt. Es war eine mehr oder weniger flächendeckende Struktur, die sie aufgebaut hatten.

    Roland Röder, Geschäftsführer Aktion 3. Welt Saar e.V.

    Sein Verein hatte in den letzten Jahrzehnten immer wieder an den Brandanschlag erinnert und den Umgang der Behörden mit rassistischen Gewalttaten kritisiert.
    Eine Frau und ein Mann mit weißen Rosen bei einer Gedenkkundgebung für Samuel Yeboah; Saarlouis; 19.09.2022
    Gedenkkundgebung in Saarlouis für Samuel Yeboah im Jahr 2022.
    Quelle: dpa

    Denn im Saarland gab es zu der Zeit eine ganze Serie ähnlicher Fälle. Selbst die Bundesanwaltschaft geht von mindestens sechs weiteren Anschlägen oder Anschlagsversuchen auf Asylbewerberunterkünfte und linke Zentren aus. Darunter ein Sprengstoffanschlag 1999 auf die Wehrmachtsausstellung in Saarbrücken. Doch die Taten wurde nie aufgeklärt und die Ermittlungen in allen Fällen ergebnislos eingestellt.

    Versäumnisse sollen in Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden

    Ob rechte Strukturen unterschätzt oder bei Ermittlungsbehörden vielleicht sogar bewusst weggeschaut wurde, soll nun aufgearbeitet werden - unter anderem in einem Untersuchungsausschuss des Saarländischen Landtags.

    Es wurden viele Fehler gemacht, und jetzt ist es allerhöchste Zeit diese aufzuarbeiten und auch ein Zeichen zu setzen, dass sowas in Zukunft nicht nochmal passieren darf.

    Kira Braun, Mitglied des Untersuchungsausschusses (SPD)

    Es geht um mangelhafte Ermittlungen bei der Polizei, um die Rolle des Verfassungsschutzes und Versäumnisse der saarländischen Politik. Vollumfänglich will man den Umgang mit rassistischen Gewalttaten unter die Lupe nehmen, so zumindest die Ankündigung der Ausschuss-Beteiligten.
    Wie viel Aufarbeitung nach drei Jahrzehnten allerdings noch möglich ist, wird sich zeigen müssen.
    Jan Henrich, ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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