Baerbock in Indien: Verzweifeltes Lachen in Neu Delhi

    Baerbock in Indien:Verzweifeltes Lachen in Neu Delhi

    von Andreas Kynast
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    Außenministerin Baerbock will Indien etwas näher in Richtung Westen locken. Sie stößt in Neu Delhi nicht nur auf politische, sondern auch auf praktische Probleme.

     Indien, Neu Delhi: Annalena Baerbock (l, Bündnis 90/ Die Grünen), Bundesaußenministerin, spricht bei einer Diskussionsveranstaltung des German Marshall Fund im Rahmen eines Indo-pazifischen Forums von Indien, den USA und Deutschland.
    Außenministerin Annalena Baerbock spricht bei einer Veranstaltung in Neu Delhi.
    Quelle: Carsten Koall/dpa

    "Wir brauchen Köche und Kellner, wir brauchen Ingenieure und IT-Experten", sagt Annalena Baerbock (Grüne) und der Saal in Neu Delhi lacht. Baerbock lacht ein bisschen mit, aber nicht besonders herzlich: "Dafür müssen wir schneller werden bei der Ausstellung von Visa, auch hier in Delhi. Das wird eine meiner größten Aufgaben im nächsten Jahr sein." Die Lage in der Visa-Stelle der Deutschen Botschaft ist nicht lustig. Was Baerbock in Indien zu hören bekommt, ist ein verzweifeltes Lachen.
    Während die Ampel-Koalition in Berlin die Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes feiert, stapeln sich in Deutschlands Vertretung in Neu Delhi die Visa-Anträge bis fast unter die Decke. Antragsteller müssen teils Monate warten, Studenten verpassen den Semesterbeginn, Mitarbeiter sprechen von einem Desaster. Noch sei, sagt ein Diplomat, nicht jedem in Berlin klar, wie sehr der Visa-Stau an Deutschlands Bild in Indien kratzt.

    Beziehungen mit "Wertepartnern"

    Dabei ist Baerbock nach Indien gereist, um dem aus westlicher Sicht zu Russland-freundlichen Riesenstaat ein Gegenangebot zu machen. Deutschland habe selbst "auf brutale Weise gesehen", was es koste, von einem Nachbarn abhängig zu sein, "der eben kein Wertepartner ist". So etwas könne volkswirtschaftlich dramatische Folgen haben. Die indische Regierung gibt Baerbock recht. Aber nur, solange es um den einen großen Nachbarn geht: China. Vom anderen Nachbarn, von Russland, beabsichtigt Indien sogar, noch mehr zu profitieren. 
    Belehrungen über Russland nerven Indiens Führung. Sie bekommt von Baerbock auch keine zu hören. Als eine deutsche Journalistin Außenminister Jaishankar fragt, warum Indien seinen Handel mit Russland noch auszuweiten will, wird der bis dahin so höfliche, leise Mann plötzlich scharf. Indien beziehe weniger fossile Energie aus Russland als die europäischen Staaten: "Die westlichen Regierungen haben das verstanden, jetzt müssen es noch die westlichen Medien verstehen."

    Distanzierung von Ukraine-Krieg bei G20-Gipfel

    Es ist Baerbock, die daran erinnert, dass sich Indiens Premierminister Modi auf dem G20-Gipfel in Bali so deutlich wie nie von Russlands Angriff auf die Ukraine distanziert hat, als er sagte, dieses Zeitalter dürfe kein Zeitalter des Krieges sein. Aber Jaishankar stellt klar, was das alles nicht bedeutet. Vor allem soll niemand erwarteten, dass Indien weniger Handel mit Russland treibe. Im Gegenteil: Gerade erst haben beide Länder Listen mit Gütern ausgetauscht, die sie sich voneinander wünschen. 

    Wir können mit Indien offen und freimütig auch über unsere Differenzen reden.

    Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin

    Und so, wie sie es sagt, können die indischen Gastgeber heraushören: mit anderen nicht. Und mit anderen ist vor allem Indiens ewiger Antagonist China gemeint. Die Befürchtungen, die Chinas zunehmend aggressive Außenpolitik auslöst, sind im Moment die stabilste Gemeinsamkeit zwischen Indien und Deutschland. Und für die Visa-Stelle hat Baerbock einen Drucker mitgebracht. 

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