Volksglauben in China: Baby-Boom im Jahr des Drachen?

    Volksglauben in China:Baby-Boom im Jahr des Drachen?

    Elisabeth Schmidt, Korrespondentin ZDF-Studio Peking
    von Elisabeth Schmidt, Peking
    |

    Drachen-Jahre gelten dem chinesischen Volksglauben nach als besonders geeignet zum Kinderkriegen. Die Staatsführung hofft auf einen Babyboom. Der könnte kommen, aber nur kurz.

    China, St. Paul's: Künstler führen vor den Ruinen von St. Paul einen Löwentanz zur Feier des chinesischen Neujahrsfestes in das Jahr des Drachen auf.
    Das Jahr des Drachen gilt in Chian für viele als gutes Omen, um Kinder zu kriegen. (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    "Zeugen Sie einen kleinen Drachen-Jungen, bekommen Sie ein kleines Drachen-Mädchen! Werden Sie bis zum 15. Mai schwanger, damit Ihr Kind noch in diesem Mond-Jahr geboren wird." Das postete vor wenigen Tagen ein bekannter Gynäkologe aus Taiwan auf seiner Facebook-Seite.
    Ein bunter Leucht-Drache ist bei den Neujahrs-Feiern in China zu sehen.
    Viele Chinesen hoffen, auch wegen der Wirtschaftskrise, auf das Jahr des Drachen: Traditionell steht es für Glück, Energie und Kinderreichtum.10.02.2024 | 1:27 min

    Drachen werben für Kinder

    Auf dem chinesischen Festland werben Kinderwunsch-Kliniken mit ähnlichen Slogans. Im Westen mag das seltsam anmuten, genießt der Drache hierzulande doch eher einen miesen Monsterruf als feuerspeiendes Ungeheuer, vor dem die Bevölkerung erst durch edle Prinzen oder Ritter gerettet werden muss.
    Ein Zeichentrickfilm der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua greift das Drachen-Dilemma humoristisch auf: Der weinende westliche Drache beklagt sich darüber, dass er wie ein Prinzessinnen raubender Psychopath dastehe, während der chinesische Drache wie eine Gottheit verehrt werde.
    Archiv: Neugeborene in einem chinesischen Krankenhaus
    Vor zehn Jahren lockerte China seine strenge Ein-Kind-Politik. Doch der Babyboom blieb aus. Statt Reformen auf den Weg zu bringen, setzt die Staatsführung nun Frauen unter Druck.28.12.2023 | 1:33 min

    Aberglaube auch in anderen Ländern

    In Fernost assoziieren die Menschen den Drachen mit einem weisen, gütigen Fabeltier, das vor bösen Geistern schützen soll. Er war ein Symbol der Kaiser und steht für Glück, Erfolg, Wohlstand und Kinderreichtum. Kinder, die im Tierkreiszeichen "Drache" geboren werden, gelten laut chinesischer Astrologie als entschlossen, selbstbewusst und klug.
    In früheren Jahren des Drachen stiegen die Geburten in China, Hongkong, Taiwan und anderen Ländern mit hohem chinesischem Expat-Anteil wie Singapur und Malaysia tatsächlich oft an: In China ging sie zum Beispiel in den Jahren 2000 und 2012 nach oben. In Hongkong stieg die Ziffer im Jahr 2000 sogar um etwas mehr als fünf Prozent an.
    Auf dem Bild ist ein chinesischer Drache zu sehen.
    Die Abhängigkeit von China ist für Deutschland gefährlicher als die von russischem Gas und Öl. Wie erpressbar ist Deutschland im Falle eines Konfliktes? Und wie konnte es so weit kommen?23.11.2023 | 57:36 min

    Ein-Kind-Politik wurde für China zum Problem

    Auf diesen Babyboom hofft jetzt die chinesische Staatsführung. Denn die Bevölkerung des Riesenreichs mit 1,4 Milliarden Menschen ist 2023 das zweite Jahr in Folge geschrumpft. China droht Überalterung, und damit verbunden Probleme wie Fachkräftemangel und fehlende Innovationskraft.
    Die strenge Ein-Kind-Politik, die Eltern in China mehr als 30 Jahre nur ein Kind erlaubte, ist seit 2015 zwar aufgehoben. Trotzdem entscheiden sich heute immer mehr junge Paare, nur ein oder gar kein Kind zu bekommen. China gilt nach Südkorea weltweit als teuerstes Land, um Kinder großzuziehen. Auch die Wirtschafts- und Immobilienkrise sowie die hohe Jugendarbeitslosigkeit belasten die Familienplanung.
    Familie mit einem Kind in der Mitte
    Da Chinas Gesellschaft zu überaltern drohte, lockerte China vor genau zehn Jahren die Ein-Kind-Politik. Die Statistik zeigt: Der Geburtenschnitt pro Frau ist immer noch gering. 28.12.2023 | 1:33 min

    Junge Chinesen sind immer weniger abergläubisch

    Indien hat die Volksrepublik inzwischen als bevölkerungsreichstes Land der Erde abgelöst. Das Jahr des Drachen ist diesmal gleichzeitig auch ein "Jahr der Witwe". Der chinesische Frühlingsanfang lag kalendarisch vor dem Beginn des Drachen-Jahres. Dieses Jahr hat also keinen Frühling. Das gilt als schlechtes Omen für männliche Energie. Aus diesem Grund rät der Aberglaube von Heiraten in solchen Jahren ab.
    Doch immer mehr junge Menschen lassen sich von alten Traditionen nicht mehr beeindrucken. "Ich glaube persönlich nicht, dass sich gerade die urbane, junge Mittelschicht, die auch aus ganz anderen Gründen mit dem Kinderkriegen ringt - aufgrund der Kosten, aufgrund der unsicheren Lage innerhalb des eigenen Landes - jetzt nicht von solchen Traditionen und Vorhersagen in die Familienplanung hineinreden lässt", sagt die Sinologin Kristin Shi-Kupfer von der Universität Trier.
    HONG KONG-CHINA-CULTURE-LUNAR-NEW YEAR
    Die Drachen-Jahre stehen traditionell für Erfolg und Wohlstand. Doch wirtschaftlich steht China schlecht dar. Arbeitslosigkeit und die Immobilienkrise belasten den Staat. 10.02.2024 | 2:31 min

    Baby-Boom könnte nur von kurzer Dauer sein

    Im letzten "Jahr des Drachen" 2012 kamen in China zwar fünf Prozent mehr Kinder zur Welt. Allerdings hatten sich die Geburten nur verschoben. Denn im "Jahr des Hasen" davor und im "Jahr der Schlange" danach lag die Geburtenziffer unter dem Durchschnitt.
    Experten gehen davon aus, dass es diesmal ähnlich sein wird: Bis zum Ende des Mondjahres am 28. Januar 2025 dürften mehr Drachen-Kinder das Licht der Welt erblicken. Danach ist das nächste Tierkreiszeichen, die Schlange, dran. Sie genießt im Volksglauben lange keinen so guten Ruf wie der Drache.
    Elisabeth Schmidt ist Korrespondentin im ZDF-Auslandsstudio Peking.
    Thema

    Mehr zu China