Klimawandel: Ein Mega-Sonnenschirm für die Erde?

    Eingriff in das Klimasystem:Ein Mega-Sonnenschirm für die Erde?

    Mark Hugo
    von Mark Hugo
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    Der Klimawandel ist schwer zu bremsen. Forschende denken deshalb längst über einen Partikel-Sonnenschirm für den Planeten nach. Aber auch über mögliche Risiken und Nebenwirkungen.

    Blick auf die Erde aus dem Weltall
    Ein Staubsauger für Treibhausgase, CO2-fressende Algen, ein Sonnenschild aus Partikeln. Kann moderne Technik den Klimawandel bremsen? Oder bringt sie neue Risiken und Nebenwirkungen?23.04.2023 | 28:40 min
    Die Hitze macht dem Great Barrier Reef vor Australien zu schaffen. Drei verheerende Korallenbleichen haben es seit 2016 schwer in Mitleidenschaft gezogen. Bei der letzten wurden nach einer Schätzung 91 Prozent der Korallen geschädigt.
    Künstliche Wolken könnten so etwas womöglich bald verhindern. Mit Kanonen, die an solche auf Skipisten erinnern, sprühen Forschende der australischen Southern Cross University Wasserpartikel in die Luft. Die Wolken sollen bei Hitzeereignissen künftig die Sonne abschirmen und das Riff kühlen.

    Nicht genügend Wolkenkanonen

    Noch wird viel getestet. Und noch gibt es längst nicht genügend Kanonen für einen spürbaren Effekt. Es sei zwar "eine kreative Lösung", sagt auch Dr. Thorben Amann, Geologe an der Universität Hamburg. Allerdings:

    Man versucht, mit den Folgen des Klimawandels klarzukommen und die Probleme ein bisschen abzumildern. Aber ich glaube, es wäre sinnvoller, daran zu arbeiten, das große Problem zu lösen.

    Dr. Thorben Amann, Universität Hamburg

    Heißt: Deutliche Reduktion des Treibhausgasausstoßes und technische Lösungen, um CO2 wieder aus der Atmosphäre zu holen.

    Experte zu negativen Emissionen
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    Es reicht nicht, im Kampf gegen den Klimawandel nur den Treibhausgasausstoß zu reduzieren, sagt Geologe Thorben Amann. Aber auch technische Lösungen würden nun schnell gebraucht.
    Mit Hilfe dieser Iglus wird CO2 im Boden Islands dauerhaft gespeichert
    Interview
    Oder wird in Australien vielleicht der Schutzschirm einfach nur nicht groß genug gedacht? Als 1991 auf den Philippinen der Vulkan Pinatubo ausbrach, richtete er schwere Verwüstungen an. Hunderte Menschen starben.

    Schleier reflektiert das Sonnenlicht

    Daneben machte der Vulkan etwas, das Forschende weltweit seitdem nicht mehr loslässt: Er schleuderte Schwefelgas bis hoch in die Stratosphäre. Dort reagierte es mit Sauerstoff und bildete kleine Teilchen. Ein Schleier entstand, der das Sonnenlicht reflektierte oder dämmte. Über Monate hinweg war es auf der Erde um ein halbes Grad kühler als sonst.
    Mit Flugzeugen, die hoch genug fliegen können, sei so ein Schirm aus Partikeln schon in wenigen jahren auch künstlich zu erzeugen, davon ist Dr. Ulrike Niemeier vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg überzeugt. Im Fachjargon wird das Prinzip "solares Strahlenmanagement" genannt.

    Ganze Erde wären von Methode betroffen

    Wie das klappen kann, rechnet Niemeier in Computermodellen durch. Basis sind Daten, die bei Vulkanausbrüchen gesammelt wurden. Eine Erkenntnis: Grenzen spielen keine Rolle, egal wo der Schwefel freigesetzt wird. "Er wird immer über die Strömungen global verteilt", so Niemeier. "Es sind alle davon betroffen."
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    Und das macht es schwierig, Wirkung und Folgen einzuschätzen. Nebenwirkungen wie Niederschläge oder Trockenheit, auch in weiter entfernten Regionen, sind nämlich nicht ausgeschlossen. So könnte der Partikelschild möglicherweise die Monsunregenfälle in Asien und Afrika beeinflussen. Millionen Menschen sind von den Niederschlägen aber abhängig.

    Schwefel müsste ständig erneuert werden

    Eine weitere Gefahr ist der sogenannte "Abbruchschock": Weil sich die Partikel schnell abbauen, müsste der Schwefel kontinuierlich ein bis dreimal jährlich in die Stratosphäre gebracht werden, um eine gleichbleibende Schicht zu halten.

    Wenn man das Ganze abbricht, dann ist der Schwefel in spätestens zwei Jahren weg, und die Temperatur würde rasant ansteigen.

    Dr. Ulrike Niemeier, Max-Planck-Institut für Meteorologie

    Ulrike Niemeier forscht zwar noch an dieser Methode, in einem Punkt ist sie sich aber jetzt schon sicher: "Es sollte nur eine absolute Notlösung sein." Eine Karte, die aber schon bald gezogen werden könnte, glaubt sie. Nämlich dann, wenn das Leben in manchen Regionen durch den Klimawandel schwieriger wird, "auch wenn wir dann natürlich wieder künstlich irgendetwas auf den künstlichen Klimawandel drauflegen."

    Forschende fordern Verbot

    Notwendig sei daher ein internationaler politischer Rahmen, der den Einsatz der Technologie regelt und auch klärt, wer für unerwünschte Folgen bei Unbeteiligten haftet, fordert die Meteorologin. Etwa 60 Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft gingen letztes Jahr noch weiter und forderten in einem offenen Brief ein weltweites Verbot von solarem Strahlenmanagement.
    "Wir dürfen auf keinen Fall noch mehr in das empfindliche Klimasystem unseres Planeten eingreifen", warnte etwa Prof. Dirk Messner, Leiter des Umweltbundesamtes und einer der Unterzeichner.

    Wir müssen aufhören, Öl, Kohle und Gas zu verfeuern. Nur so können wir die Überhitzung des Planeten aufhalten.

    Prof. Dirk Messner, Umweltbundesamt

    Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.

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