Tiny Forest: Urwald für die Stadt

    Aufforsten gegen den Klimawandel:Tiny Forest: Urwald für die Stadt

    von Gesine Enwaldt und Ingo Mende
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    Hitzestress zwischen Asphalt und Beton. Im Sommer leiden besonders Stadtbewohner unter dem Klimawandel. Eine Idee zur Abkühlung kommt aus Japan: Der Tiny Forest.

    Freiwillige pflanzen einen Tiny Forest in Polen
    Trockenheit, Brände und immer mehr Stürme. Der Klimawandel zerstört unsere Wälder. Überall auf der Welt suchen Menschen nach Wegen, um das Waldsterben aufzuhalten.13.07.2023 | 29:45 min
    Warum nicht gleich ganze Urwälder in die Stadt verpflanzen und die wilde Natur zu den Stadtbewohnern bringen, dachte sich der 28-jährige Forstwissenschaftler Stefan Scharfe aus Eberswalde.

    Idee des Tiny Forest kommt aus Japan

    Gemeinsam mit Gleichgesinnten entdeckte er das Konzept des sogenannten Tiny Forest wieder - eine Idee, die der japanische Pflanzensoziologe Akira Miyawaki in den 70er und 80er Jahren entwickelte.
    Miyawaki forschte an natürlichen Waldökosystemen und war an der Pflanzung von über 40 Millionen Bäumen beteiligt. Sein klimaresilientes Bewaldungskonzept setzt auf standortangepasste, heimische Arten. Was Stefan Scharfe besonders fasziniert: Ein Tiny Forest kann auf kleinster Fläche in den Städten gedeihen. Nur 200 Quadratmeter Brachfläche braucht es, um eine urbane Wildnis wachsen zu lassen mit vielen verschiedenen heimischen Baum und Straucharten, die in kürzester Zeit ein resilientes Ökosystem bilden.
    Personenaufstellung für Pressefoto
    Wie können Städte und darin lebende Menschen hohen Temperaturen besser trotzen? Ein Team aus Dresden und Erfurt geht mit ihrem Projekt "HeatResilientCity" dieser Frage nach. 02.11.2021 | 3:49 min

    Erster Urwald in der Stadt in der Uckermark

    Vor drei Jahren starteten Stefan Scharfe und sein Team ihr erstes Projekt in der Uckermark, 800 Quadratmeter auf einem privaten Grundstück, über 3.000 Sträucher und Bäume, dicht an dicht gepflanzt.

    Wir legen ganz besonderen Wert auf die Bodenbearbeitung nach Miyawaki. Das unterscheidet uns auch von anderen urbanen Waldprojekten.

    Stefan Scharfe, MIYA

    "Nach der Miyawake Methode wird der Boden mit Mikroorganismen und Pilzen bearbeitet, um die mikrobiologische Aktivität des Wäldchens zu erhöhen", sagt Stefan Scharfe.

    • Die Vielfalt der Pflanzen bieten Lebensraum für Vögel und Insekten.
    • Durch die dichte Vegetation und die Bearbeitung des Oberbodens wächst das Wäldchen schneller als herkömmliche Waldpflanzungen.
    • Er filtert Luftschadstoffe wie Stick- und Schwefeloxide.
    • Wie ein Schwamm nehmen die Waldinseln Wasser auf, was vor allem bei Starkregen hilfreich ist.

    Während das mittlerweile drei Jahre alte Wäldchen in Brandenburg prächtig gedeiht, wächst auch das Interesse an der Tiny-Forest-Idee. Immer mehr Anfragen trudeln bei Stefan Scharfe und dem eigens gegründeten gemeinnützigen Verein MIYA ein.

    Das Projekt am Klinikum Herford zieht Freiwillige in Scharen an

    Zum Beispiel aus Herford. Auf dem Gelände des Klinikums Herford liegt im Schatten eines Parkhauses ein unansehnliches Stück Brachland. Zu klein für einen Park, zu groß für ein Blumenbeet und genau richtig für einen Tiny Forest. Stefan Scharfe berät die Macherinnen und Macher der Idee. Nachdem der Boden aufbereitet wurde und 750 Setzlinge bereitstehen, kommen die Freiwilligen in Scharen, Mitarbeitende der Klinik und ihre Kinder, Patienten und Patientinnen.

    Plan B
    Quelle: ZDF

    Mehr Dokumentationen von plan b und Hintergründe dazu finden Sie jederzeit in der ZDF-Mediathek oder samstags um 17:35 Uhr im TV.

    Vor allem über die Kinder freut sich Stefan Scharfe, denn das Tiny-Forest-Konzept verfolgt auch ein waldpädagogisches Ziel.

    Wir wollen vor allem die Stadtkinder an die Natur heranführen. Sie lernen hier, wie man Bäume pflanzt, wühlen in der Erde, sind den ganzen Tag an der frischen Luft.

    Stefan Scharfe, MIYA

    "Wenn wir fertig sind, schauen wir nur in glückliche Gesichter,“ sagt Scharfe. Besonders Schulen und Kindergärten sind interessiert an der Tiny Forest Idee und ungenutzte Brachflächen gibt es in deutschen Städten mehr als genug. Im Gegensatz zu Parklandschaften brauchen die kleinen Urwälder keine Pflege, sondern versorgen sich selbst.

    Die Wärmebelastung, die ein Mensch empfindet, die sogenannte gefühlte Temperatur wird mit verschiedenen Indizes beschrieben, zum Beispiel dem UTCI, dem Universellen thermischen Klimaindex. Messungen der TU Dresden in Erfurt haben ergeben, dass Bäume am Tag den Belastungsstress des Menschen um eine Stufe verringern können, zum Beispiel von sehr starkem Hitzestress (32 – 36 Grad) auf erträglichen moderaten Hitzestress (26 – 32 Grad).

    ZDFheute-KlimaRadar
    :Daten zum Klimawandel im Überblick

    Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.
    von Moritz Zajonz
    Fünf Icons mit Fabrikschlot, Blitz, Thermometer vor Deutschland und Weltkarte, und einem Haus über Wellen. Im Hintergrund ein Braunkohlekraftwerk.
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