Göttingen: Das Problem mit der Plastik-Droge "Flex"

    Schlimmer als Heroin oder Meth:Das Problem mit der Plastik-Droge "Flex"

    Malin Ihlau, Redakteurin im ZDF-Landesstudio Niedersachsen.
    von Malin Ihlau
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    Die Droge "Flex" breitet sich aus. Vor allem Göttingen scheint eine "Flexer-Szene" zu sein. Für Suchtberater eine besorgniserregende Entwicklung. Denn die Droge hat fatale Folgen.

    Auf dem Bild sieht man eine gefährliche Droge.
    Bekannt als Flex oder Monkey Dust, ist die Droge MDPV gefährlicher als Heroin. Sie führt zu rascher Abhängigkeit, Aggressivität und körperlichem Abbau.19.12.2023 | 2:08 min
    Gustav schaut hektisch aus dem Fenster. Seit fünf Jahren konsumiert der Göttinger die Droge "Flex". Er kommt nicht davon los, im Moment ist der Suchtdruck zu hoch. Doch er will im Interview mit dem ZDF warnen:

    Es gibt zu wenig Prävention. Diese 'Plastik-Droge' ist wirklich gefährlich. Sie macht Menschen kaputt, und das sehr schnell.

    Gustav, Konsument der Droge Flex

    Gustav hat Kokain, Crack und Heroin über Jahre konsumiert. Doch das, was er jetzt nehme, sei schlimmer als alles zusammen, sagt er.
    Birgit Grämke | Koordinierungsstelle für Suchtthemen Mecklenburg-Vorpommern
    Birgit Grämke von der Koordinierungsstelle für Suchtthemen benennt die Gründe für höheren Drogenkonsum seit Corona13.07.2023 | 3:54 min

    Göttingen: Droge "Flex" breitet sich rasant aus

    "Flex" ist eine zerstörerische und extrem abhängig machende Droge. Sie ist günstig im Erwerb, der Rausch ist besonders intensiv. Die Droge wird geraucht oder gespritzt. Vor allem in der niedersächsischen Stadt Göttingen verbreitet sich Flex.
    Das Landeskriminalamt (LKA) registriert einen Anstieg der Fallzahlen und spricht von der Stadt als Hotspot. Mehr als 100 Süchtige schätzt die Polizeiinspektion Göttingen. Die Drogenberatungsstelle schätzt die Zahl mit 200 Süchtigen weitaus höher ein - für eine 120.000 Einwohner Stadt ist das schon recht hoch.




    Sozialarbeiterin sieht psychotische Nebenwirkungen

    Sozialarbeiterin Vivian Häusler arbeitet seit einem Jahr hier in der Diakonie Göttingen mit Menschen, die mit harten Drogen zu tun haben. Im Kontaktladen am Leinekanal sind Häusler und ihre Kollegen für die Abhängigen die tägliche Anlaufstelle. Hier bekommen sie einen Kaffee, etwas zu essen, Hilfe bei alltäglichen Problemen oder schlicht ein wenig Ruhe. Doch obwohl Häusler jedem mit einem freundlichen Lächeln begegnet und an das Gute im Menschen glaubt, sagt sie:

    Ich verstehe, dass die Menschen in Göttingen Angst haben. Flex-Dauerkonsumenten können sehr aggressiv werden. Sie sind nicht mehr wohnfähig.

    Sozialarbeiterin Vivian Häusler

    Die Sozialarbeiterin weiß: "Der Dauerkonsum von Flex bringt psychotische Menschen hervor. Der körperliche Abbau ist schon nach kurzer Zeit des Konsums sichtbar."

    Von Aggressionen bis Panikattacken: Die gefährliche Wirkung von "Flex"

    Die Wirkungsweise der Droge: Schon eine Konsumeinheit von 0,05 Gramm hält den Konsumenten für gut 24 Stunden wach. Hinzu kommen erhöhter Blutdruck, Unruhe, Aggressionen, Hyperaktivität und bei höherer Dosierung Wahnvorstellungen und Panikattacken.
    Oft landen Konsumenten in der Notaufnahme der Universitätsmedizin Göttingen bei Prof Dr. Dirk Wedekind: "Die Leute werden eigen und fremd aggressiv. Sie bekommen psychotische Symptome. Es geschehen schreckliche Unfälle durch Intoxikationen, die wir vermehrt bei uns in den Notfallaufnahmestationen sehen", so der besorgte Arzt.
    Gefährlicher Trend: Partydroge Lachgas
    Warum die Partydroge gefährliche Nebenwirkungen hat16.11.2023 | 5:44 min

    Flex-Craving: Forscher warnt vor der Suchtspirale

    Da das Craving, also der Bedarf nachzulegen, bei Flex sehr hoch ist, sind hohe Dosierungen die Regel. Zumal die Designerdroge leicht und billig verfügbar ist. Ein Gramm ist in Göttingen derzeit angeblich für unter zehn Euro zu bekommen. Der Weg in die seelische Abhängigkeit ist schon nach zweimaligen Gebrauch gebahnt, warnen Suchtforscher wie Markus Lingemann von Diakonie Göttingen aus der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention.

    Das macht ein unheimlich starkes Craving. Also das wird in Rattenversuchen gezeigt, wie oft drücken Ratten auf einen Knopf, um eine Droge zu bekommen. Das ist bei Kokain sehr hoch. Das ist bei Flex zehn Mal höher.

    Markus Lingemann, Diakonie Göttingen

    Lingemanns größte Sorge ist, dass die Droge zu jungen Probierern durchrutscht. Zum einen würden sich die Gruppierungen in Göttingen an denselben Plätzen aufhalten, zum anderen seien die Jugendlichen Flex gegenüber viel zu sorglos.
    Im Netz locken Versprechen von Euphorie und hoher Leistungsfähigkeit, veränderter Sinneswahrnehmung und sogar gesteigertem Verlangen. Die Wahrheit über die Horrordroge sei noch zu wenig bekannt.
    Malin Ihlau ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Niedersachsen.

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