Kurschus-Rücktritt von der EKD-Spitze: Richtige Entscheidung

    Kommentar

    Rücktritt von der EKD-Spitze:Kurschus trifft die richtige Entscheidung

    von Reinold Hartmann
    |

    Für die Glaubwürdigkeit der Kirche ist der Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Kurschus ein herber Schlag, für die Missbrauchs-Aufarbeitung eine gute Entscheidung. Ein Kommentar.

    EKD-Ratsvorsitzende Kurschus spricht auf dem Podium zu den Pressevertretern
    Die Chefin der Evangelischen Kirche Deutschlands hat ihre Ämter niedergelegt. Sie soll als frühere Gemeindepfarrerin mehrere Fälle von sexuellem Missbrauch vertuscht haben.20.11.2023 | 3:04 min
    Am Ende war der Druck zu groß. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus tritt von allen ihren Ämtern zurück.
    Der Vorwurf: Sie habe angeblich schon vor vielen Jahren von einem sexuell übergriffigen Verhalten eines damaligen Kirchenmitarbeiters gewusst. Dieser Fall ist Anfang des Jahres Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen geworden.

    Beteiligungsforum sah Glaubwürdigkeit infrage gestellt

    Das neu eingerichtete Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD war zuletzt auf Distanz zur Ratsvorsitzenden gegangen. Die Glaubwürdigkeit sei infrage gestellt. Nach ihrer Wahl zur Ratsvorsitzenden 2021 hatte Kurschus gesagt: "Ich werde dieses Thema zur Chefinnensache machen."
    Mit ihrer Rücktritts-Entscheidung hat sie dem Thema "Missbrauch in der Evangelischen Kirche" einen Dienst erwiesen. Es ist die richtige Entscheidung.
    Zweifel an der Person der Ratsvorsitzenden hätten sich vor die dringliche Aufgabe einer klaren Aufarbeitung geschoben. Die Stimmen der Betroffenen wären nicht laut gehört worden.
    Ein Kruzifix mit goldenen Elementen vor dunklen Wolken
    In Deutschland ließen die großen Kirchen Menschen mit und ohne Konfession befragen. Für rund 80% der Befragten hat Religion wenig oder keine Bedeutung mehr.14.11.2023 | 1:45 min

    Kurschus hätte früher und offensiver reagieren sollen

    Im Kern ist es auch die Begründung für ihren Rücktritt. Ein Konflikt zwischen den Betroffenen und ihr könnte die "Erfolge" gefährden, "die wir in der Aufarbeitung und Bekämpfung sexualisierter Gewalt gemeinsam in vielen Jahren errungen haben".
    "In der Sache bin ich mit mir im Reinen", sagte die Ratsvorsitzende und hat damit keine Fehler bei der Aufarbeitung eines Verdachtsfalles eingeräumt. Zur jetzigen Zeit kann nicht gesagt werden, ob keine Fehler gemacht worden sind oder ob es sich um Erinnerungslücken, Fehleinschätzungen oder ein Verschweigen im Hinblick auf ihre Zeit als Gemeindepfarrerin gehandelt hat.
    Auf alle Fälle wäre es gut gewesen, wenn die Ratsvorsitzende früher und offensiv mit ihrem Wissen und Nichtwissen umgegangen wäre und nicht erst der Druck des Betroffenenrates und führender Köpfe in der EKD die Entscheidung zum Rücktritt mit veranlasst hätten.
    Heinrich Bedford-Strohm (4.v.l), Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, spricht beim Eröffnungsgottesdienst des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentags am Hauptmarkt.
    Beim Kirchentag in Nürnberg ging es auch um Konflikte und den Mitgliederschwund.07.06.2023 | 1:31 min

    Rücktritt ist herber Schlag für die EKD

    Für die Evangelische Kirche in Deutschland ist der Rücktritt von Annette Kurschus ein herber Schlag. Unvergessen der Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann im Jahr 2010 nach einer Fahrt unter Alkoholeinfluss am Steuer ihres Dienstwagens. Wieder ein Verlust an Glaubwürdigkeit.
    Die in diesem November veröffentlichte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hatte unter anderem das Ergebnis, dass zwei Drittel der evangelischen Kirchenmitglieder zum Austritt tendieren. Der Rücktritt heute ist eine Argumentationshilfe für die Austrittsbereiten.
    Für die Kirche ist es wichtig, einen klaren Neuanfang zu beginnen. Mit Bischöfin Kirsten Fehrs steht eine profilierte Theologin und Führungspersönlichkeit bereit, die das Vertrauen der EKD genießt und die Aufgabe als kommissarische Ratsvorsitzende nun bewältigen muss.

    Mehr zum Thema Kirche