Können Airlines die "Letzte Generation" verklagen?

    FAQ

    "Letzte Generation":Können Airlines die Aktivisten verklagen?

    von Celine Löffelhardt
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    Aktivisten der "Letzten Generation" störten kurzzeitig den Betrieb der Flughäfen in Düsseldorf und Hamburg. Jetzt fordert die Lufthansa Schadensersatz. Was ist rechtlich möglich?

    Hamburg: Klimaaktivisten kleben auf einem Rollfeld des Hamburger Flughafens.
    Klimaaktivisten klebten sich unter anderem in Hamburg auf einem Rollfeld des Flughafens fest.
    Quelle: dpa

    Nach den Flughafen-Blockaden durch die Klimaschutz-Aktivistengruppe "Letzte Generation" fordert der Lufthansa-Konzern Schadensersatz. Es geht um Dutzende Flüge, die am 13. Juli dieses Jahres bei Blockaden in Düsseldorf und Hamburg ausgefallen waren, sowie um einen Klima-Protest am 24. November 2022 am Berliner Hauptstadtflughafen.

    Worum geht es?

    Allein bei der Lufthansa-Tochter Eurowings waren wegen des Protests 55 Flüge ausgefallen. Dazu kommen Flüge der Konzerngesellschaften Austrian, Swiss und der Lufthansa selbst.
    Bei allen Protest-Aktionen waren Mitglieder der "Letzten Generation" festgenommen worden, nachdem sie sich auf den Rollbahnen festgeklebt hatten. Die Polizei hatte Ermittlungen gegen die Personen aufgenommen, die nun auch als Beklagte für die Schadensersatzforderungen infrage kommen.
    Düsseldorf, 13.07.2023: Aktivisten der Letzten Generation kleben sich am Düsseldorfer Flughafen fest.
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    Können die Airlines Schadensersatz verlangen?

    Theoretisch ist das möglich, denn nach dem deutschen Zivilrecht gibt es die Haftung für sogenannte "unerlaubte Handlungen". Eindeutig ist die Rechtslage, wenn bei den Aktionen konkrete Sachen anderer beschädigt werden.
    Schwieriger wird es, wenn durch das Festkleben, beispielsweise auf Rollfeldern von Flughäfen, Flugzeuge nicht starten und landen können - wenn also der Betrieb und die Nutzung des Flugplatzes gestört wird.
    Außerdem müssen die Gerichte entscheiden, inwiefern die Motive der Aktivistinnen und Aktivisten für den Protest eine Rolle spielen und ob sie vielleicht durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gerechtfertigt sind.

    Die Versammlungsfreiheit ist ein wichtiges Grundrecht, das in Artikel 8 des Grundgesetzes steht. Es garantiert die Freiheit, friedliche Versammlungen zu organisieren, abzuhalten und daran teilzunehmen. Staatliche Maßnahmen, die dieses Recht einschränken, müssen immer verhältnismäßig sein.

    Was ist eine Versammlung? Mindestens zwei Personen müssen sich treffen, um gemeinsam ihre Meinung zu politischen oder gesellschaftlichen Themen kundzutun. Die Versammlungsgesetze sehen vor, dass Versammlungen zwar nicht genehmigt, aber bei der zuständigen Versammlungsbehörde angemeldet werden müssen und ein Veranstalter zu benennen ist.

    Die Anmeldepflicht gilt aber nicht für so genannte Spontanversammlungen. Das sind Versammlungen, die nicht vorab organisiert werden, sondern bei denen Menschen aufgrund aktueller Ereignisse spontan auf der Straße zusammenkommen. Das muss möglich sein, auch wenn eine Anmeldung dann in der Kürze der Zeit nicht erfolgen kann.

    Unter Experten ist deshalb umstritten, ob eine Schadensersatzklage gegen die Aktivisten Erfolg haben wird. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass die Versammlungsfreiheit kein Zutrittsrecht zu beliebigen privaten Orten, beispielsweise einem Rollfeld, verschafft.

    Kann man die "Letzte Generation" verklagen?

    Hierfür ist relevant, ob die "Letzte Generation" als Gruppierung haftet oder nur die einzelnen Mitglieder, die an Aktionen beteiligt waren. Die "Letzte Generation" selbst sieht sich keiner Rechtsform zugehörig.
    Eine offizielle selbst gewählte Zuordnung braucht es aber nicht unbedingt. Denn die "Letzte Generation" weist teilweise Organisationsstrukturen auf, wie man sie beispielsweise auch von einem Verein oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts kennt. Dann kann sie auch genauso haften.
    Auch ein Rückgriff auf Mitglieder, die nicht unmittelbar an Aktionen beteiligt waren, wäre möglicherweise denkbar. Von Gerichten geklärt sind die Fragen allerdings noch nicht.
    Die Hand eines Aktivisten der Letzten Generation ist auf der Straße festgeklebt.
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    Gibt es schon Rechtsprechung aus der Vergangenheit?

    Bislang haben die Gerichte vor allem strafrechtliche Urteile gegen die Klimaaktivisten ausgesprochen. Die Gerichte bestätigten darin, dass es sich bei den Klebeaktionen um strafbare Nötigungen handelt. Zivilrechtliche Urteile, bei denen es um Schadensersatz gegen die "Letzte Generation" geht, sind bislang noch nicht bekannt.
    Aber es lassen sich vergleichbare Fälle finden. Beispielsweise hat ein Gericht erst vor wenigen Jahren einzelne Klima- und Tierschützer zu Schadensersatzzahlungen verurteilt, nachdem diese einen Tönnies-Schlachtbetrieb blockierten.

    Um wie viel Geld könnte gehen?

    Lufthansa äußerte sich zunächst nicht zur Schadenshöhe, die aber in die Millionen Euro gehen dürfte. Diese Einschätzung teilt auch der Hamburger Luftfahrtexperte Gerald Wissel in der "Rheinischen Post":

    Insgesamt kann es zu Schadenersatzforderungen in Höhe einiger Millionen Euro kommen.

    Gerald Wissel, Luftfahrtexperte

    Insgesamt seien laut "Rheinischer Post" 48 Flüge storniert worden, zwei wurden umgeleitet. "Da mussten Hotels für Passagiere gebucht werden, es entgingen Ticketeinnahmen, Ersatzflugzeuge mussten gefunden werden, andere Crews mussten eingesetzt werden, da kommt einiges zusamme", so Wissel.
    Die Fluggesellschaften Condor und Tuifly prüfen ebenfalls Ansprüche, äußerten sich bisher aber nicht zu der Frage, ob sie tatsächlich klagen wollen.
    Celine Löffelhardt arbeitet in der ZDF-Rechtsredaktion.
    Mit Material von dpa und AFP

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