Luise: Tatverdächtige strafunmündig - wie geht es weiter?

    Tatverdächtige im Fall Luise:Geständig, aber strafunmündig: Was folgt nun?

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    von Christoph Schneider
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    Eine 12- und eine 13-Jährige haben gestanden, Luise aus Freudenberg getötet zu haben. Beide sind strafunmündig, können juristisch nicht belangt werden. Wie geht es für sie weiter?

    : Polizisten suchen am Fundort des getöteten Mädchens Luise nach weiteren Hinweisen
    Die mutmaßlichen Täterinnen im Fall Luise sind zu jung, um strafrechtlich belangt zu werden. Sie hatten gestanden, die 12-Jährige getötet zu haben. (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    Die beiden mutmaßlichen Täterinnen im Fall der getöteten zwölfjährigen Luise werden nicht strafrechtlich verfolgt. Sie sind 12 beziehungsweise 13 Jahre alt - und damit schuldunfähig, wie es im deutschen Strafgesetzbuch in § 19 steht. Das heißt aber nicht, dass seitens des Staates keine Handlungsmöglichkeiten bestehen.
    Sie sind vorerst nicht mehr bei ihren Familien, wie der zuständige Landkreis Siegen-Wittgenstein mitteilt, sondern "außerhalb des häuslichen Umfeldes untergebracht" worden. Kontakt zu ihren Eltern haben sie aber weiterhin: "Der Kontakt zur Familie ist aufgrund des jungen Alters der Mädchen für die Entwicklung einer gelingenden Unterstützung sehr bedeutsam und wird insofern unterstützt". Der Landkreis teilte außerdem mit, "dass die Kinder nicht ihre bisherigen Schulen besuchen".

    Tatverdächtige schuldunfähig - was dann?

    In erster Linie greifen hier Maßnahmen der Jugendhilfe, von denen der Landkreis, dem auch das zuständige Jugendamt untersteht, Gebrauch gemacht hat. So kann das Jugendamt die Kinder in Obhut nehmen oder auch eine Inobhutnahme in einer Einrichtung, beispielsweise in einem Kinderheim, veranlassen.
    Wichtig ist hier, dass nach Eilmaßnahmen später auch eine richterliche Zustimmung vom zuständigen Familiengericht erfolgen muss. Dabei werden natürlich auch die Eltern als Erziehungsberechtigte einbezogen.

    Fall Luise: Jugendamt in erster Linie zuständig

    Im nächsten Schritt, auch das haben die Behörden angekündigt, werden die Geschehnisse mit den Beteiligten aufgearbeitet; dabei geht es auch um Unterstützungsleistungen. Ein offener Prozess, der sich zeitlich nicht eingrenzen lässt. Sollte aber an dessen Ende stehen, dass eine Erziehung in den jeweiligen Elternhäusern nicht möglich ist, gibt es auch die Möglichkeit, das Sorgerecht zu entziehen und die Heimerziehung als eine pädagogisch-therapeutische Form der Hilfe vorzusehen.

    Strafmündigkeit in Deutschland gilt seit 1953

    Unterdessen wird nach dieser schrecklichen Tat eine intensive Debatte über eine mögliche Senkung des Strafmündigkeitsalters geführt. 1871 stand im Reichsstrafgesetzbuch die Strafmündigkeit bei 12 Jahren, wurde 1923 auf 14 angehoben; Hintergrund war, dass in der Weimarer Zeit die Schulpflicht mit 14 endete - ein guter Anknüpfungspunkt für die Anhebung der Grenze.
    Die Nationalsozialisten senkten im Reichsjugendgerichtsgesetz 1943 die Strafmündigkeit wieder auf 12, ehe sie 1953 wieder auf 14 Jahre angehoben wurde - bis heute. Und 1980 forderten die Jugendminister der Länder gar eine Anhebung auf 16 Jahre, die aber nicht umgesetzt wurde.

    Frankreich, England und Schweiz belangen auch jüngere Kinder

    In den meisten europäischen Ländern liegt die Grenze zur Strafmündigkeit regelmäßig bei 14 oder 15 Jahren. Es gibt aber auch niedrigere Grenzen von 10 Jahren, die in England und der Schweiz gelten. Und in Portugal beginnt die Strafmündigkeit ab dem 16. Lebensjahr.
    In den USA liegt die Altersgrenze auf Bundesebene bei 10 Jahren, ansonsten unterscheidet sich die Strafmündigkeit dort von Bundesstaat zu Bundesstaat.
    Zurück zur deutschen Debatte: Im "Handbuch der Forensischen Psychiatrie" schreiben die Forscher Günter und Karle zur Schuldfähigkeit bei Kindern: "Empirisch lässt sich eine feste, chronologisch verankerte Altersgrenze der strafrechtlichen Reife nicht begründen." Heißt: Die Festlegung, wann die Strafmündigkeit beginnt, folgt weniger aus wissenschaftlichen Erkenntnissen über Einsichtsfähigkeit und Reife junger Menschen als mehr nach dem politischen Kompromiss.
    Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es zum Thema Strafmündigkeitsgrenzen: "Es gibt aber auch niedrigere Grenzen von 10 Jahren, die in Frankreich, England und der Schweiz gelten." Richtig ist, dass es in Frankreich keine Strafmündigkeitsgrenze gibt.
    Christoph Schneider ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
    Quelle: ZDF, dpa

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