Wie Wissenschafts-Elite Macht missbraucht | Terra-X-Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Wie die Wissenschafts-Elite Macht missbraucht

    von Dr. Victoria Striewe und Franziska Saxler
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    Belästigung, Machtmissbrauch, geschlechterbezogene Diskriminierung: Die Wissenschaft hat ein Metoo-Problem. Welche psychologischen Mechanismen und Konsequenzen dahinterstecken.

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Victoria Striewe und Franziska Saxler

    #metoo ist eine bekannte Bewegung - doch nicht nur bei Filmproduktionen sind Machtmissbrauch und geschlechterbezogene Diskriminierung ein massives Problem. Unlängst deckten Studien und Erfahrungsberichte auf: Auch in der Wissenschaft, an deutschen Universitäten, kam es vielfach zu Fällen von Belästigung, Erniedrigungen, Mobbing und sexualisierten Übergriffen. Was muss getan werden, um Betroffene in Zukunft besser zu schützen? Braucht es ein besseres Verständnis von Machtmissbrauch?

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Studien: Geschlechterbezogene Belästigung an Unis

    Studien legen offen, dass geschlechterbezogene Belästigung an Universitäten ein Problem von nahezu epidemischem Ausmaß ist. Weit über die Hälfte der Beschäftigten und Studierenden an deutschen Fakultäten geben laut UNI-SAFE-Umfrage an, bereits sexuell belästigt worden zu sein.
    Starre Hierarchien, kurze Vertragslaufzeiten, unausgeglichene Geschlechterverhältnisse, harscher Wettbewerb - die Forschung nennt viele Gründe, warum gerade das Universitäts- und Wissenschaftssystem besonders anfällig für diese Formen des Machtmissbrauchs sind. Die eigene Karriere im System hängt zudem oft von einzelnen Personen ab, etwa Doktorvater oder Doktormutter. Auch das kann übergriffige Verhaltensweisen begünstigen.
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    Mangelhafte Aufklärung und kaum Konsequenzen für Täter

    Schätzungen zufolge gehen nur wenige Betroffene tatsächlich gegen Belästigungen vor. Wer einen solchen Fall schließlich meldet, muss strukturelle Hindernisse überwinden. Es gibt wenige Beschwerdestellen, oft keinen Rechtsbeistand und die Beweislast liegt stets auf Seite der Betroffenen.
    Welche Maßnahmen eine Universität dann einleitet, hängt vom Beschäftigungsverhältnis der Beschuldigten und der "Schwere" des Vergehens ab. Was als unethisches Verhalten eingestuft wird und wie dagegen vorgegangen werden soll, liegt in der Regel im Ermessen der Universitäten selbst. Dokumente der Verfahren halten sie häufig unter Verschluss - und nur selten führen diese Verfahren zu schweren Konsequenzen für Täter*innen.
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    Belästigung kommt in vielen Formen vor

    Hinzu kommt: Belästigung ist nicht einheitlich definiert. Sie kommt in vielen Formen und Schattierungen vor - und beschränkt sich nicht auf offensichtliche körperliche oder verbale Übergriffe. In den oft starren Leitlinien von Universitäten wird das kaum berücksichtigt.
    Eine dieser Schattierungen: psychische Gewalt. Hier geht es um Formen von Gewalt, die ohne Aufklärung und Konsequenzen dazu führen können, dass Betroffene nicht nur psychisch leiden, sondern teils auch ihre Karrieren aufgeben und die Universitäten verlassen. Die Berichte von Betroffenen werden häufig nicht ernstgenommen, ihr Erlebtes infrage gestellt. Sie werden gar verantwortlich gemacht oder geben sich selbst die Schuld. Psycholog*innen sprechen von Victim Blaming und sekundärer Viktimisierung. So werden Opfer erneut belastet.
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    Strukturen an den Universitäten müssen sich ändern

    Es braucht daher Aufklärung. Für alle, die an Universitäten lehren, arbeiten, forschen und lernen, aber auch für die Gesellschaft, die hinter ihnen steht.
    Universitäten sind Vorbilder für Bildung und Aufklärung. Das sollte auch für sämtliche Formen von Gewalt und Machtmissbrauch gelten. Es braucht unabhängige, sichtbare Beschwerdestellen, die Betroffene vertreten, beraten und unterstützen. Ziel muss es sein, bestehende gesellschaftliche Mythen und Machtpraktiken aufzubrechen, nachhaltig zu verändern und einen öffentlichen Raum zu schaffen, der für alle sicher ist.
    Eine Studentin sitzt allein im Hörsaal, in der offenen Tür steht ein Mann.
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