Erzbistum Freiburg: Mehr als 250 mögliche Missbrauchstäter

    Erzbistum Freiburg:Missbrauch: Mehr als 250 mögliche Täter

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    Das Erzbistum Freiburg hat seinen Bericht zu sexuellem Missbrauch vorgelegt. Mehr als 250 Priester sind demnach mögliche Täter - auch Alt-Erzbischof Zollitsch wird schwer belastet.

    Das Freiburger Münster, im Hintergrund Innenstadt.
    Missbrauchsbetroffene fühlen sich von dem Bericht in ihren Erfahrungen bestätigt. Über Jahrzehnte wurden in dem Bistum Taten verschleiert und Täter geschützt.18.04.2023 | 1:50 min
    Der Freiburger Bericht über sexuellen Missbrauch durch Geistliche hat Abgründe des Machtsystems Kirche offengelegt und gnadenlos mit der Ära des damaligen Erzbischofs Robert Zollitsch (84) abgerechnet. Dessen Amtszeit bis 2013 war durch "konkretes Vertuschungsverhalten" geprägt, wie es in dem in Freiburg vorgelegten Report heißt.
    Die Autoren der unabhängigen Studie bewerteten am Dienstag auch das Verhalten von Zollitsch' verstorbenen Amtsvorgänger Oskar Saier äußerst kritisch. In der Amtszeit des amtierenden Erzbischofs Stephan Burger seien hingegen keine Verfehlungen aufgefallen.

    Missbrauchsbericht: Vorwürfe gegen Alt-Erzbischof Zollitsch

    "Das sticht heraus", sagte der Freiburger Theologe und Vorsitzende der Aufarbeitungskommission, Magnus Striet, insbesondere mit Blick auf Vorwürfe gegen Zollitsch. Der hohe Geistliche war von Februar 2008 bis März 2014 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und damit Gesicht und Stimme der katholischen Kirche gewesen.
    Als Erzbischof habe Zollitsch alles unterlassen, was kirchenrechtlich vorgeschrieben gewesen wäre, sagte einer der Autoren der Studie, Eugen Endress. Auf eigentlich verpflichtende Meldungen von Missbrauchsfällen nach Rom habe Zollitsch komplett verzichtet.

    Nichts ist passiert, alles lief so wie immer.

    Eugen Endress, Autor der Studie

    Zollitsch hatte bereits im Oktober in einem Video schwerwiegende Fehler und persönliche Schuld eingeräumt. "Er lag mit dieser Selbsteinschätzung richtig", kommentierte dies Endress mit einem Anflug von Ironie.
    Das Kreuz eines Grabsteins ragt vor der katholische Kirche St. Nikolaus in Garching An Der Alz in den Himmel.
    Die Erzdiözese München und Freising hat jetzt erklärt, dass sie sich nicht darauf berufen will, dass die Taten verjährt sind.31.01.2023 | 2:28 min

    Erzbistum Freiburg gehört zu den größten der 27 Diözesen in Deutschland

    Zollitsch führte das Erzbistum Freiburg von 2003 bis 2013. Von 1983 an war er zwei Jahrzehnte lang Personalreferent im Erzbischöflichen Ordinariat gewesen. Mit rund 1,8 Millionen Katholiken gehört das Erzbistum zu den größten der 27 Diözesen in Deutschland.
    Schon während seiner Zeit als Personalreferent des damaligen Erzbischofs Saier habe Zollitsch entscheidend dazu beigetragen, Verdachtsfälle von Missbrauch durch Geistliche zu vertuschen, lautete ein Vorwurf. Saier habe gegenüber dem Missbrauchsthema eine "bewusste Ignoranz an den Tag gelegt", die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft verweigert und den Umgang mit dieser Thematik faktisch Zollitsch überlassen.
    Dieser habe Missbrauchsfälle vertuscht und auch darauf geachtet, dass Akten möglichst sicher aufbewahrt und möglichst auch für Anklagebehörden nicht zugänglich gemacht wurden, berichtete Endress. Saier amtierte von 1978 bis 2002.











    Kirche war eigenes Image offenbar wichtiger

    Des Missbrauchs beschuldigte Priester seien versetzt worden, ohne dass Begründungen für diese Versetzungen irgendwo auftauchten oder gar aktenkundig wurden. Endress sagte:

    Das war dann halt einfach so.

    Eugen Endress, Autor der Studie

    Dokumente, Protokolle, Personalakten seien vernichtet und damit der Weg von Opfern, doch noch zu ihrem Recht zu kommen, erschwert worden, teilte der Betroffenenbeirat in einer Stellungnahme mit. Der Bericht dokumentiere, dass missbrauchte Kinder und verletzte Kinderseelen über Jahrzehnte gleichgültig gewesen seien.
    "Wichtiger waren der Kirche ihr Image und damit der Schutz von Menschen, die grausamste Taten an Kindern und Jugendlichen begangen haben." Das unabhängige Gremium soll Betroffene unterstützen. Es ist nach eigenen Angaben unzufrieden mit den sogenannten Anerkennungsleistungen, denn die Beträge seien nicht hoch genug.

    Burger räumt Versäumnisse ein und bittet um Verzeihung

    Burger räumte bei der Pressekonferenz auch eigene Versäumnisse ein. "Dass ich Fehler begangen habe, steht für mich außer Frage", sagte der 60-Jährige. Er bitte die Betroffenen um Verzeihung." Burger war von September 2007 bis Juni 2014 Offizial - also Kirchengerichtsleiter - der Erzdiözese Freiburg. Über mögliche kirchenrechtliche Konsequenzen für Zollitsch müsse nun der Heilige Stuhl im Rom entscheiden. "Die notwendigen Maßnahmen dazu sind eingeleitet", sagte Burger. Es gehe dabei um ein Verfahren, um Verdachtsfälle von Vertuschung zu melden.
    Kommissionsleiter Striet sagte auf die Frage zum rechtlichen Status des knapp 600 Seiten starken Abschlussberichts:

    Das müssen die Gerichte entscheiden.

    Kommissionsleiter Magnus Striet

    Nach Auskunft des Verwaltungschefs der Erzdiözese, Christoph Neubrand, sind bisher keine Klagen bekannt. Im Erzbistum wird von über 540 Betroffenen ausgegangen, sagte Striet. Es gebe zudem über 250 beschuldigte Kleriker.

    Missbrauchstudie im Bistum Essen
    :Das systemische Problem der Kirche

    Eine unabhängige Studie zum Bistum Essen kommt zu dem Schluss: Missbrauch ist nicht nur ein persönliches Problem der Täter, sondern ein systemisches der Kirche.
    von Dorthe Ferber
    Studie zu sexualisierter Gewalt im Bistum Essen
    Quelle: dpa

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