Paulskirche Frankfurt: Was wird aus dem Haus der Demokratie?

    Paulskirche in Frankfurt:Was wird aus dem Haus der Demokratie?

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    von Peter Theisen
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    1848 stritt man in der Paulskirche um die Demokratie, heute streitet man um die Zukunft des Gebäudes. In der Nähe soll ein "Haus der Demokratie" entstehen. Das gefällt nicht allen.

    Die Paulskirche in Frankfurt am Main
    In der Paulskirche in Frankfurt am Main trat 1848 die Frankfurter Nationalversammlung zusammen.
    Quelle: dpa

    Frankfurt hat Großes vor. Von der Paulskirche und einem neuen Haus der Demokratie soll in Zukunft eine Strahlkraft für die Demokratie ausgehen, die weit über Hessen und Deutschland hinaus reicht. Wie ein solches Haus aussehen soll, vor allem aber wo genau es stehen soll? Darüber wird in Frankfurt nun heftig debattiert.  
    Dass die Paulskirche grundlegend saniert gehört, darüber sind sich eigentlich alle einig. Die Technik ist veraltet und die Schautafeln zur großen Geschichte des Bauwerks wirken alles andere als zeitgemäß.
    Zu sehen ist die Frankfurter Paulskirche in frontaler Ansicht.
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    So meint Peter Cachola Schmal, Chef des Deutschen Architekturmuseums:

    Die Paulskirche muss einfach mehr aus sich machen.

    Peter Cachola Schmal, Chef des Deutschen Architekturmuseums

    "Und wenn sie ihrer Bedeutung gerecht werden will, dann geht das nur im Zusammenspiel mit einem weiteren, neuen Gebäude, das auf sie hinweist."

    Widerstand in Frankfurt gegen Standort von Haus der Demokratie

    Schmal war Mitglied einer Expertenkommission, die einen Vorschlag herausgearbeitet hat, wie die Paulskirche und ein Haus der Demokratie in Zukunft aussehen könnten. Die Empfehlung wurde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht. Danach soll ein Neubau ganz in der Nähe der Kirche entstehen, am besten auf dem Paulsplatz selbst.
    Doch pünktlich zum historischen Jubiläum regt sich Widerstand in der Stadt. Eine neu gegründete Bürgervereinigung befürchtet, dass die Paulskirche - im wahrsten Sinne des Wortes - ihr Alleinstellungsmerkmal verliere, wenn ein weiteres wichtiges Gebäude direkt neben ihr auf dem doch recht engen Paulsplatz stünde.
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    Bürgervereinigung befürchtet Bedeutungsverlust

    Die Paulskirche müsse weiter das "signature building" am Platz sein, so Bettina Wiesmann, Vorsitzende des Bürgervereins Demokratieort Paulskirche.

    Wir möchten keinen Anbau, der die Paulskirche überwölbt und sie zu einem Museum macht.

    Bettina Wiesmann, Vorsitzende des Bürgervereins Demokratieort Paulskirche

    Dafür sei die Paulskirche einfach zu bedeutsam in der deutschen Demokratiegeschichte, so Wiesmann.

    Frankfurter Stadtpolitik steckt im Dilemma

    Die Stadtpolitik um den frisch gewählten Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) steckt in einem Dilemma. Die Empfehlungen der Expertenkommission hält Josef in allen inhaltlichen Punkten für "wunderbar", doch bei der Standortfrage ist man in der Zwickmühle: Die Stadtkoalition aus Grünen, SPD, FDP und VOLT hatte nämlich im Koalitionsvertrag eine Bebauung des Paulsplatzes ausgeschlossen. 
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    Josef befürwortet nun einen Architekturwettbewerb, der nach Ansicht vieler aber als Ergebnis nur einen Standort hervorbringen kann: den Paulsplatz. Auch Mirjam Wenzel, Chefin des Jüdischen Museums und Mitglied der Expertenkommission, schwärmt von diesem Platz, der sich hervorragend eigne, mit einem Haus der Demokratie die Paulskirche zur Stadt hin zu öffnen. Und die Menschen über das neue Gebäude zur Paulskirche hinzuführen.       

    Entscheidung für den Paulsplatz ist am wahrscheinlichsten

    Und so ist eine Entscheidung für den Paulsplatz am Ende wohl die wahrscheinlichste. Der Chef des Architekturmuseums, Peter Cachola Schmal, weist darauf hin, dass dort auch früher ein Gebäude stand: die alte Börse. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als die schwer zerstörte Paulskirche als erstes historisches Gebäude Frankfurts wieder aufgebaut wurde, bekam sie den Freiraum, den sie heute hat.      
    Weitgehend einig ist man sich, welche Funktion Paulskirche und Haus der Demokratie (das am Ende auch ganz anders heißen könnte) in Zukunft haben sollten: Orte, an denen immer wieder neu über Demokratie diskutiert und gestritten wird.
    Über Fragen wie: Welche Formen von Demokratie existieren heute welche sind denkbar für die Zukunft? oder: Sind Demokratien in der Lage, Herausforderungen wie der Klimakrise und der Macht der Tech-Konzernen zu begegnen?. Und vielleicht die wichtigste: Woran können Demokratien scheitern?
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    Paulskirche ist Austauschort über Zukunft der Demokratie

    Über all das hat die Paulskirche viel zu erzählen. Es gibt in Deutschland also wohl keinen besseren Ort für einen Austausch über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Demokratie als den Frankfurter Paulsplatz.
    Jetzt muss er nur noch so gestaltet werden, dass von ihm aus wirklich die erhoffte Strahlkraft für die Demokratie weit über Frankfurt hinaus ausgeht. Wie das 1848 schon einmal der Fall war.

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