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Interview mit Ehrenpreisträger:Scorsese: "Immer noch ein Außenseiter"
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Böse Schurken, kleine Ganoven, Außenseiter: Martin Scorseses Filmfiguren sind Antihelden und doch große Helden auf der Leinwand. ZDFheute im Gespräch mit einer Hollywood-Ikone.
Seit den 70ern zählt er zu den stilprägendsten Kino-Regisseuren weltweit: Martin Scorsese21.02.2024 | 2:29 min
Der Raum, in dem das Interview geführt wird, darf nicht zu warm sein. Das gereichte Wasser soll kalt, aber nicht zu kalt sein. Es ist ein Interview mit einem echten Star. Doch der Martin Scorsese, der dann zum Interview kommt, ist ausgesprochen zugewandt, freundlich und scherzt mit dem Team.
Eigentlich will der 81-Jährige nicht mehr so viel Rummel - nur ein Einzel-Interview auf der diesjährigen Berlinale hat Scorsese zugesagt - exklusiv fürs ZDF.
ZDFheute: Willkommen in Berlin - Sie bekommen den Goldenen Bären für Ihr Lebenswerk. Wie fühlt sich das an?
Martin Scorsese: Für mich ist es ein bisschen surreal. Ich schaue nicht zurück auf mein Lebenswerk. Ich arbeite ja noch. Ich bin noch voll dabei.
Aber tatsächlich kann ich auf eine lange Schaffenszeit zurückblicken, und vielleicht ist es das, was am Ende von mir bleibt. Aber ich hoffe, noch ein bisschen weitermachen zu können.
Ich will einfach noch Spaß am Schaffensprozess haben. Und ich hoffe, dass ich noch genug Energie habe und Begeisterung fürs Kino.
Quelle: epa
... wurde 1942 in New York geboren und hat im Viertel "Little Italy" seine Kindheit verbracht. Seit den 1970er Jahren gilt er als Ikone des Hollywood-Kinos. Zu seinen bekanntesten Filmen zählen "Taxi Driver" (1975), "Die Farbe des Geldes" (1986), "Good Fellas" (1990) und "Gangs of New York" (2002). Bei der Berlinale 2024 erhält der US-Regisseur den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk.
ZDFheute: Sie sind 81 Jahre alt. Sie haben immer noch Projekte, sind so stark. Was treibt Sie an?
Scorsese: Ich denke, es ist immer noch die Begeisterung. Ich wollte erst sagen, dass es darum geht, eine Geschichte mit Bildern zu erzählen. Aber es geht um mehr. Es geht um die Form selbst, denke ich: Die Art und Weise, wie man heutzutage Geschichten fürs Kino erzählt, das offen für neue Technologien ist.
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Aber in erster Linie geht es darum, sich mit Menschen, mit dem Individuum zu beschäftigen.
ZDFheute: Lassen Sie uns über Ihre Einflüsse sprechen. Sie sind in "Little Italy" in New York aufgewachsen. Wie hat Sie das als Person und auch Ihre Arbeit geprägt?
Scorsese: Da ging es zu wie auf einem Bruegel-Gemälde: Überall Menschen, Schlachtbetriebe, Knochenreste und die Tiere, die zum Schlachter gebracht werden, Fischgeschäfte und Metzgereien, Beerdigungsinstitute, Lebensmittelgeschäfte, Erfrischungsbars und Musik auf den Straßen aus Jukeboxen.
Die Zuwanderer aus dem Süden Italiens haben ihre Familienstrukturen mitgebracht, die von den Dorfältesten ausgeht. Diese Ältesten wurden dann zu Kriminellen und führten kriminelle Familien an.
Das wusste ich damals nicht. Das waren normale Leute für mich. Aber mitten in dieser Atmosphäre bin ich aufgewachsen.
Und dann gab es da noch die katholische Kirche um die Ecke, die Old Saint Patrick’s Kathedrale, die erste katholische Kirche in New York, die um 1810 erbaut wurde. Dort bin ich zur Schule gegangen.
In dieser Gegend habe ich versucht klarzukommen, bis ich es dann 1960 zur "New York University" geschafft habe.
ZDFheute: Sie haben so ein großes Herz für die Außenseiter. Für Menschen, die nicht die strahlenden Stars sind.
Scorsese: Oh ja, in mancher Hinsicht bin ich immer noch ein Außenseiter. Mein Ansatz war immer, von außen zu kommen und dann von innen das zu bekommen was einem nutzt. So bekommst du das, was du willst, wenn du dich richtig anstellst.
ZDFheute: Was bedeutete Ihnen Film?
Scorsese: Die Frage ist ja, was Kunst ist!
Ohne Schönheit und Kunst kann man nicht leben. Ich kann nicht sagen, ob sich meine Gedanken immer in Schönheit verwandeln.
Aber Schönheit ist einfach der wichtigste Aspekt menschlicher Existenz. Das mit Hilfe der Kunst zu erforschen, nährt meine Seele.
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Das Interview führten Henriette de Maizière und Nadia Nasser.
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