Reichsbürgerszene: Prozessauftakt gegen "Vereinte Patrioten"

    Geplante Lauterbach-Entführung:"Vereinte Patrioten" vor Gericht

    von Jan Henrich
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    Sie sollen eine Entführung Lauterbachs geplant haben und wollten wohl "bürgerkriegsähnliche Zustände" auslösen. Nun hat der Prozess gegen fünf mutmaßliche Reichsbürger begonnen.

    Zum Prozessauftakt wird ein mutmaßliches Mitglied der Terrorgruppe ·Vereinte Patrioten· in den Verhandlungssaal gebracht und unterhält sich mit seinen Verteidigern.
    Heute hat der Prozess gegen fünf mutmaßliche Reichsbürger begonnen. Sie sollen den Sturz der Bundesregierung und die Entführung von Gesundheitsminister Lauterbach geplant haben.17.05.2023 | 1:34 min
    Seit dem vergangenen Jahr sitzen die vier Männer und eine Frau in Untersuchungshaft. Unter anderem wirft die Bundesanwaltschaft ihnen vor, eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben. Sie sollen Anschläge auf die Strominfrastruktur und Entführungen geplant haben, um so Unruhen auszulösen und die Bundesregierung zu stürzen.
    Jetzt hat vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Koblenz der Prozess begonnen. Zum Auftakt des Verfahrens an diesem Mittwoch wurde die Anklage verlesen. Die Verhandlung soll am 24. Mai fortgesetzt werden. Es wird ein umfangreiches Verfahren erwartet, bereits jetzt hat das Gericht über 40 Verhandlungstage angesetzt.

    "Blackout" geplant und Lauterbach-Entführung

    Einen dreistufigen Aktionsplan habe die Gruppe vorbereitet, so die Bundesanwaltschaft. In einem ersten Schritt sollten dabei Stromleitungen und Umspannwerke zerstört werden, um einen bundesweiten Stromausfall ("Blackout") auszulösen. Danach hätten die Angeklagten geplant, einen hochrangigen Regierungsvertreter zu entführen.
    Insbesondere Gesundheitsminister Karl Lauterbach soll dabei im Visier der Gruppe gestanden haben. Die resultierenden "bürgerkriegsähnlichen Zustände" wollte man laut Anklage nutzen, um die bisherige Regierung abzusetzen und eine neue "Führungsperson" zu installieren.
    In verschiedenen Telegram-Chatgruppen und bei mindestens vier realen Treffen sollen die Taten ab Oktober 2021 geplant worden sein.

    Insbesondere der feste Vorsatz zuzuschlagen und der Besitz von Waffen hat die Gruppe aus Sicht der Ankläger so gefährlich gemacht.

    Sarah Tacke, ZDF-Rechtsexpertin

    Den fünf Angeklagten drohen bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Gefängnis.

    Regierungssystem nach Vorbild des Deutschen Kaiserreichs

    Die mutmaßlichen Mitglieder stammen aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands. Die angeklagte Elisabeth R. soll das ideologische Fundament der Gruppe maßgeblich geprägt haben, wonach ein Regierungssystem nach dem Vorbild des Deutschen Kaiserreichs etabliert werden sollte.



    Laut Medienberichten hatte die 75-jährige habilitierte Theologin bereits seit längerem wirre Verschwörungstexte veröffentlicht und soll auch Briefe im Namen des "Bundesstaats Preußen - Präsidialstaat Deutsches Reich 1871" geschrieben haben.

    Festnahme der Angeklagten bei fingierter Waffenübergabe

    Skurril auch die mutmaßliche Rolle des angeklagten Michael H. - der frühere Alleinunterhalter und Comedian soll die Aufgabe gehabt haben, eine "False Flag"-Aktion im Fernsehen zu inszenieren. Ein Schauspieler sollte dabei den amtierenden Bundespräsidenten imitieren und erklären, dass die Bundesregierung abgesetzt sei.
    ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke berichtet in Koblenz.
    Der Prozess gegen fünf Mitglieder des „Reichsbürger-Milieus“ hat große Bedeutung für den deutschen Rechtsstaat. Eine Einschätzung von ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke. 17.05.2023 | 1:20 min
    Die drei weiteren Angeklagten haben laut Bundesanwaltschaft zum "militärischen Zweig" der Gruppe gehört. Sie sollen mit der Beschaffung von Waffen und Sprengstoff betraut gewesen sein. Thomas O. wurde schließlich festgenommen, nachdem er zwei vollautomatische Sturmgewehre des Typs AK 47 sowie vier Kurzwaffen der Marke Glock entgegennahm. Allerdings war das Verkaufstreffen von den Ermittlern fingiert.
    Der Reichsbürger Heinrich XIII. Prinz Reuß wird nach Razzia gegen Reichsbürger vor seinem Wohnhaus von Polizisten in Handschellen abgeführt.
    Die Razzia gegen Prinz Reuß und sein "Reichsbürger"-Netzwerk 21.12.2022 | 17:07 min

    Mehrere Verfahren gegen Reichsbürgerszene

    Es ist nicht das einzige Verfahren rund um "Reichsbürger", mit dem sich die Bundesanwaltschaft aktuell beschäftigt. Man habe inzwischen ein besonderes Augenmerk auf die Szene gelegt, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank vor einigen Wochen gegenüber Pressevertretern.
    Ein weiterer großer Komplex ist die mutmaßlich terroristische Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß. In dem Verfahren sind bislang über 60 Beschuldigte erfasst und die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Daneben hat die Bundesanwaltschaft in letzter Zeit auch mehrere Einzelfälle übernommen, in denen es zu Gewalttaten durch "Reichsbürger" gekommen war.
    Jan Henrich ist Reporter in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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