Einsamkeit kann krank machen, auch deswegen rückt das Thema mehr in den Fokus von Wissenschaft und Politik. Was man darüber weiß - und was man gegen Vereinsamung tun kann.
Wenn der Freundeskreis schrumpft, Partner sterben, die Gesundheit nicht mehr mitmacht oder auch das Geld für Kino und Restaurantbesuche fehlt, können vor allem ältere Menschen schnell in die Einsamkeit abrutschen. Ein Gefühl, das auch Helga Müller aus Berlin-Tempelhof kennt. Ihre Tochter lebt in Athen, die Freunde sind krank, verstorben oder weggezogen.
"Ich gehe zwar jeden Tag raus, kaufe ein und mache meine Gymnastik, aber zum Reden fehlt mir jemand", sagt die 85-Jährige. Seit fast zwei Jahren kann sich die Rentnerin immerhin auf ein ausgiebiges Gespräch pro Woche freuen. Der in verschiedenen Großstädten aktive Verein "Freunde alter Menschen" hat ihr Jan Römmler, einen Besuchspaten, vermittelt.
Mehr Einsamkeit während der Corona-Pandemie
"Ich möchte meine Zeit sinnvoll nutzen und anderen schenken", sagt der 50-jährige gelernte Koch und Frührentner. Man sieht Helga Müller die Freude an. Sie strahlt, als Römmler sie zum Spaziergang abholt. Das Thema Einsamkeit rückt immer mehr in den Fokus von Politik und Wissenschaft.
In einer Studie des KNE heißt es, dass vor der Covid-19-Pandemie rund 14 Prozent der Menschen in Deutschland einsam waren. Während der Pandemie sei der Anteil auf 42 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Allerdings wurden alle Menschen mitgezählt, die angaben, sich mindestens manchmal einsam zu fühlen.
Keine messbare Definition von Einsamkeit
"Wirklich dauerhaft einsam fühlt sich eine Minderheit. Die meisten Menschen fühlen sich geborgen", sagt Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum. Sie geht von etwa fünf Prozent an chronisch einsamem Menschen in der Bevölkerung aus.
Junge Menschen und die Folgen der Pandemie.
Wie sich die Zahl der Einsamen seit der Corona-Pandemie entwickle, wisse man noch nicht. Statistiken seien generell schwierig. "Es gibt keine messbare Definition. In der Wissenschaft wird Einsamkeit als ein Zustand definiert, bei dem die sozialen Beziehungen nicht den Erwartungen der Menschen entsprechen. Dieser Punkt ist für jede Person irgendwo anders", so Luhmann.
Alleinsein ist nicht gleich Einsamkeit
Es lasse sich auch nicht sagen, dass sich die Zahl der Einsamen in den vergangenen Jahrzehnten erhöht habe. "Wir wissen nicht, wie einsam die Menschen vor 20, 30 oder 50 Jahren waren", so Luhmann. Die Einsamkeitsforschung stecke in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Heute lebten zwar viele Menschen allein. Das bedeute aber nicht automatisch, dass sie sich auch einsam fühlten.
Mit der Individualisierung der Gesellschaft gehe "ein größeres Einsamkeitsrisiko" einher, so der Stressforscher Dr. Mazda Adli. Er appelliert ans Reden.
Einsamkeit kann krank machen: "Einsamkeit tut weh. Bei chronischer Einsamkeit werden im Gehirn dieselben Areale aktiviert wie bei Schmerz", so Psychologin Luhmann.
Chronische Einsamkeit kann Krankheiten begünstigen
Man wisse, dass Einsamkeit mit großen Risiken einhergehe. So könne chronische Einsamkeit sowohl psychische als auch physische Erkrankungen wie Depressionen, koronare Herzerkrankungen, Schlaganfälle oder Herzinfarkte begünstigen.
Das Gefühl der Einsamkeit bedeute Dauerstress für den Körper, da er sich in ständiger Alarmbereitschaft befinde. Es fehle das soziale Umfeld als Puffer für mögliche Gefahrensituationen.
Besonders ältere Menschen zur Präventation ermutigen
Eine weitere Gefahr bestehe in der fehlenden intellektuellen Herausforderung. "Wenn keine Interaktion und Reize kommen, verkümmert das Gehirn wie ein unbenutzter Muskel. Das kann der Beginn von Alzheimer und Demenz sein", so Peters.
Eine der wichtigsten Maßnahmen gegen Einsamkeit aus Luhmanns Sicht: Prävention. "Gerade bei Älteren muss man viel in diese Richtung denken, sie ermutigen, dass sie sich, wenn sie es noch können, um ihre sozialen Beziehungen kümmern, sich ein Netz aufbauen."