Könnten Quallen das neue nachhaltige Superfood sein?

    Proteinreiches Nahrungsmittel:Quallen - das neue Superfood?

    von Daniela Hoyer
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    Die Menschheit wächst, viele Lebensmittel werden knapp. Neue, proteinhaltige und nachhaltige Nahrungsquellen sind dringend gesucht. Quallen könnten künftig dazugehören.

    "planet e.: Quallenchips und Algenpesto - Neue Nahrung aus dem Meer": Taucher in einem Unterwassergarten.
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    Zufrieden hält Dr. Holger Kühnhold seinen "Quallenchip" ins Licht. Die getrocknete, leicht gelbliche Mangrovenqualle sieht tatsächlich wie ein Kartoffelchip aus – und gar nicht mal unappetitlich. "Wir wollen schauen, wie man Quallen den Verbrauchern in Deutschland und Europa näherbringen kann", meint der Meeresbiologe.
    "Chips sind ein Produkt mit einer angenehm knusprigen Konsistenz, nicht so glibberig, wie man das normalerweise mit Quallen in Verbindung bringt." Kühnhold arbeitet im Meereslabor des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung im Projekt "food4future" – Nahrung der Zukunft", gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms "Agrarsysteme der Zukunft".

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    Übrigens: Die Dokumentation "Quallenchips und Algenpesto" können Sie auch am Sonntag, 5. März, um 15:45 Uhr im ZDF sehen.

    Das Ziel der Wissenschaftler: Innovationen für eine nachhaltige und gesunde Lebensmittelversorgung. Kühnhold konzentriert sich dabei auf die Erschließung alternativer Nahrungsquellen aus dem Meer, die nahrhaft, proteinhaltig und in großen Mengen verfügbar sind. 

    Konventionelle Fischerei in der Kritik

    Die Menschheit steht vor einem wachsenden Ernährungsproblem. Konventionelle Fischerei und Aquakultur sind zu großen Teilen zum Raubbau am Meer geworden; es wird mehr Fisch gefangen als nachwachsen kann.
    Die gewaltigen Nachteile der Fleischproduktion sind ebenso bekannt: konventionelle Massentierhaltung schadet dem Klima, benötigt riesige Landflächen und zu viel Wasser. Und Getreide wird durch Krieg und Krisen immer teurer.
    Am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung untersucht Dr. Holger Kühnhold den Nährstoffgehalt von Quallen.
    Am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung untersucht Dr. Holger Kühnhold den Nährstoffgehalt von Quallen.
    Quelle: ZDF/Daniela Hoyer

    Kühnhold: Quallen als Nahrungsmittel unterschätzt

    Was sollen wir in Zukunft also essen? Neue Ideen sind gefragt. Die Qualle ist ein von vielen unterschätzter Kandidat, glaubt Dr. Holger Kühnhold.

    Weiter unten in der Nahrungskette im Meer stoßen wir auf Ressourcen, die wir bisher noch gar nicht als mögliche Nahrungsquelle wahrgenommen haben.

    Dr. Holger Kühnhold

    "Quallen sind ein gutes Beispiel dafür. Sie enthalten Eiweiß, wertvolle Antioxidantien und ungesättigte Fettsäuren. Diese Mischung macht sie wirklich interessant", so Kühnhold.
    Quallen
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    In Asien sind Quallen Delikatessen

    Ein weiterer Vorteil: Quallen gehören zu den wenigen Gewinnern des Klimawandels. Während viele Fischarten immer seltener werden, kommen die meisten Nesseltiere mit der Meereserwärmung gut zurecht. An vielen Stränden ist das zu beobachten. Quallen sind mancherorts zu einer regelrechten Plage geworden. Schon deshalb haben sie in Europa einen schlechten Ruf.
    Viele Quallen sind sogar giftig. Sie zu verspeisen, kommt bei uns kaum jemandem in den Sinn. Anders ist das in vielen Teilen Asiens. Dort gelten Quallen seit jeher als Delikatesse. Rund 35 Arten werden als Nahrung genutzt, in Form von Suppen, Salaten oder sogar am Spieß gegrillt.
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    Proteinquelle aus dem Meer ohne Ekel-Effekt

    Dass diese Form der Zubereitung für europäische Gaumen befremdlich wirken könnte, ist Dr. Holger Kühnhold bewusst. Deshalb experimentiert er neben dem Quallenchip auch mit anderen Zubereitungsformen.
    Kreative Lösungen sind gefragt, um die europäischen Gaumen zu überzeugen – oder zu überlisten. Für eine Nährstoffanalyse zerkleinert er gefriergetrocknete Quallen zu Pulver. Es ist sehr proteinhaltig und lässt sich anderen Nahrungsmitteln gut untermischen. So könnten die wertvollen Bestandteile der Qualle ganz beiläufig auf unseren Tellern landen – ohne Ekel-Effekt. 
    Kurios an Kühnholds Arbeit ist, dass er Quallenchips und Quallenpulver – zumindest offiziell – nicht einmal selbst probieren darf. Denn laut europäischer Novel-Food-Verordnung sind Quallen bei uns bislang nicht als Lebensmittel anerkannt. Es steht also noch ein langer Weg bevor, bis die Glibbertiere, in welcher Form auch immer, zum Bestandteil unseres täglichen Speiseplans werden können.

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