Autorin Sara Weber: "Mehr Bock auf Arbeit machen"

    Interview

    Autorin Sara Weber:"Mehr Bock auf Arbeit machen"

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    Was erwarten junge Menschen von ihren Arbeitgebern? Die Autorin Sara Weber im Interview über ihre Kündigung, Stress und schlechte Arbeitsbedingungen.

    Ein Laptop mit Haftnotiz auf der steht: Ich gehe!
    Viel Stress, wenig Wertschätzung, wenig Geld: Soll ich kündigen oder nicht? Sechs Menschen reagieren auf unterschiedliche Perspektiven - wie beeinflusst das ihre Entscheidung?29.04.2023 | 24:18 min
    ZDFheute: Sie hatten einen super Job, eine Führungsposition beim Business-Netzwerk LinkedIn. Dennoch haben Sie gekündigt. Warum?
    Sara Weber: Das Ganze war ungefähr ein Jahr nach Pandemiebeginn. Dieses Jahr war sehr anstrengend für mich - wie für viele andere Menschen auch. Im Homeoffice verschwammen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben. Ich habe plötzlich viel mehr gearbeitet, weil es sonst einfach nichts zu tun gab.
    Irgendwann habe ich gemerkt, dass mir die Wochenenden nicht mehr reichen, dass mir der Urlaub nicht mehr reicht, dass ich einfach an dem Punkt bin, wo für mich die richtige Entscheidung war, zu kündigen. Es wäre auf Dauer nicht gesund gewesen, auf dem Level weiterzuarbeiten.

    Autorin Sara Weber
    Quelle: Maya Claussen

    ...ist Journalistin und Digitalstrategin. Als Redaktionsleiterin von LinkedIn war sie das Gesicht des Netzwerks in Deutschland. In ihrem Buch "Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?" beschäftigt sie sich mit der Frage, wie sich die Arbeitswelt verändern müsste.

    ZDFheute: Danach haben Sie ein Buch geschrieben. In "Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?" attestieren Sie jungen Menschen "kollektiven Stress".
    Weber: Das Phänomen ist nicht neu, wurde durch die Pandemie aber verstärkt. Corona hat uns ganz anders mit unserer Sterblichkeit konfrontiert und für neue Stressfaktoren gesorgt. Systemrelevante Berufe sind härter und gefährlicher geworden.
    Viele Menschen saßen plötzlich im Homeoffice - oft gemeinsam mit ihren Kindern, die nicht mehr in die Kita oder Schule konnten - und niemand hat ihnen erklärt, wie sie das gut machen und wie sie nach der Arbeit abschalten können. All das addiert sich auf - und es ist nach der Pandemie auch nicht einfach vorbei.

    Wir sehen, dass der Stress und die Fehltage wegen psychischer Erkrankungen immer weiter ansteigen und zwar über alle Altersgruppen hinweg. 

    Sara Weber, Autorin

    ZDFheute: Eine aktuelle ZDF-Umfrage ergibt, dass jeder Fünfte Mensch zwischen 25 und 34 Jahren in Deutschland gerne kündigen würde. Haben die Jungen keinen Bock mehr auf Arbeit?
    Weber: Sie sagen ja nicht, dass sie morgen in Rente gehen wollen. Aber viele junge Menschen wollen unter anderen Bedingungen arbeiten. Denn die sind heute oft schlecht: beispielsweise in der Pflege, für Lehrer*innen, für Erzieherinnen und Erzieher. Da wäre es die Aufgabe von Politik und Wirtschaft, für Bedingungen zu sorgen, die wieder mehr Bock auf Arbeit machen.
    Burnout
    Lange gingen Ärzte davon aus, ein Burnout sei nur die Folge von Überarbeitung. Heute ist klar, dass viele verschiedene Gründe den Erschöpfungszustand auslösen können.10.03.2023 | 5:05 min
    ZDFheute: Wie können die aussehen?
    Weber: Vor allem Frauen haben mit einer Doppelbelastung zu kämpfen. Sie haben ihren Beruf und übernehmen außerdem einen Großteil der unbezahlten Sorge-Arbeit, kümmern sich um die Kinder, die pflegebedürftigen Eltern. Damit dieser Druck abgebaut werden kann, müssten unter anderem Kitas massiv ausgebaut werden, die Erzieher*innen-Ausbildung gefördert, der Beruf besser bezahlt und anerkannt werden.
    Außerdem sollten wir darüber nachdenken, die Arbeitszeit generell zu reduzieren. Eine Vier-Tage-Woche wäre sinnvoll.
    ZDFheute: Alle sollen weniger arbeiten, obwohl es jetzt schon einen Fachkräftemangel gibt?
    Weber: Es gibt Handwerksbetriebe, die die Vier-Tage-Woche schon eingeführt haben. Die hatten vorher Schwierigkeiten, Azubis und Fachkräfte zu finden. Plötzlich haben sie wieder mehr Bewerber*innen - einfach weil die Arbeitsbedingungen jetzt besser sind.

    Wir wissen, dass eine reduzierte Arbeitszeit den Menschen guttut, dass es sie gesünder und glücklicher macht.

    Sara Weber, Autorin

    Und für die Unternehmen ist es auch besser, weil Menschen, die ausgeruht zur Arbeit kommen, konzentrierter und produktiver sind.
    ZDFheute: Andrea Nahles, die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, kritisiert die Einstellung junger Leute und sagt: "Arbeit ist kein Ponyhof."
    Weber: Frau Nahles sagt aber auch, dass wir Themen wie Work-Life-Balance anders denken müssen. Dennoch ist es so, dass viele Ältere uns Jüngere nicht verstehen. Wir wollen nicht den ganzen Tag am Strand liegen.

    Viele sind bereit zu arbeiten, auch mal hart zu arbeiten. Die Frage ist halt: wofür, wenn das Aufstiegsversprechen so nicht mehr gilt?

    Sara Weber, Autorin

    Junge Menschen wollen eher für Unternehmen arbeiten, die sich für Klimaschutz einsetzen und denen Diversität und Inklusion wichtig sind. Wir wollen nicht 60 Wochenstunden, sondern lieber 32. Wir wollen Flexibilität, Wertschätzung, Entwicklungsmöglichkeiten und eine gute Bezahlung. Das sollten moderne Unternehmen leisten können.
    Das Interview führte Simon Pfanzelt.

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