Viele Handwerksbetriebe suchen händeringend Fachkräfte. Um für neue Bewerber attraktiv zu bleiben, gehen einige neue Wege und machen mit einer Vier-Tage-Woche gute Erfahrungen.
"Schreiner gesucht": Das Plakat hängt außen an der Produktionshalle der Schreinerei Mayr in Manching bei Ingolstadt. An Aufträgen mangelt es nicht, nur an Fachkräften. Innen herrscht Hochbetrieb. Die Firma fertigt unter anderem Küchen und Möbel, aber auch Stände für Messen. "Früher liefen die großen Maschinen sogar im Zwei-Schicht-Betrieb", sagt Firmenchef Andreas Mayr.
Er hat immer größere Probleme, an geeignete Fachkräfte zu kommen. Im Sommer hat er zusammen mit seinem Team ein Experiment gestartet: die Vier-Tage-Woche. Statt an fünf Tagen acht Stunden arbeiten sie hier an vier Tagen zehn Stunden. Andreas Mayr hofft, dass sein Betrieb dadurch für neue Bewerberinnen und Bewerber wieder attraktiver wird.
Einige Handwerksfirmen haben sie bereits eingeführt: die 4-Tage-Woche. Arbeitsstunden und Bezahlung bleiben gleich, aber die Stunden sind auf vier, statt fünf Tage verteilt. Betriebe wollen somit mehr Fachkräfte anwerben.
Handwerk kritisiert falsche Bildungspolitik
Bundesweit fehlen laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) schon jetzt 250.000 Handwerkerinnen und Handwerker. Der Verband geht davon aus, dass der Bedarf in den nächsten Jahren weiter steigen wird. Zudem blieben im vergangenen Jahr rund 19.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Das liegt zum einen am demografischen Wandel. Inzwischen gehen viele ältere Menschen in Rente, aber zu wenig junge Menschen kommen in den Arbeitsmarkt nach.
Holger Schwannecke, Generalsekretär des ZDH, kritisiert zudem eine falsche Bildungspolitik: Diese sende das Signal aus, nur mit Abitur und Studium mache man Karriere. "Das ist falsch", sagt Schwannecke.
Handwerkspräsident Dittrich verweist auf die mangelnde "Wertschätzung gegenüber der beruflichen Bildung" in Deutschland. Wichtig sei "junge Menschen in das Handwerk" zu bekommen.
Fachkräfte, Corona, Krieg: Handwerk in Krisenzeiten
Für die Handwerksbetriebe ist der Fachkräftemangel jedoch nicht das einzige Problem. Die Branche hatte sich langsam von der Corona-Krise erholt, da brachen aufgrund des Ukraine-Krieges erneut die Umsätze ein, teilt der Verband mit. Besonders die hohen Energie- und Rohstoffpreise haben die Betriebe unter eine große Belastungsprobe gestellt. Stand jetzt seien sie allerdings besser durch die Krise gekommen, als zunächst von Experten befürchtet wurde.
Die Krisen haben bei den Handwerksbetrieben viele Umbrüche ausgelöst, die mehr Flexibilität erfordern, sagt ZDH Generalsekretär Schwannecke. "Und diese Flexibilität erstreckt sich auch auf das Thema Arbeitszeit. Es gibt im Handwerk eine ganze Reihe von Unternehmen, die beispielsweise eine Vier-Tage-Woche schon haben."
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Unbesetzte Lehrstellen im Handwerk - für tausende Betriebe könnte das das Aus bedeuten. Die Anerkennung wachse, sei aber längst noch nicht groß genug, sagt die Branche.
Betrieb läuft durch Vier-Tage-Woche effizienter
In der Schreinerei Mayr in Manching läuft der Versuch Vier-Tage-Woche nun seit über einem halben Jahr. In der Produktion und Montage arbeiten sie nun an vier Tagen zehn Stunden. Das hat der Firmenchef mit seinen Mitarbeitern vereinbart. Andere, beispielsweise in der Planung, haben dafür den Montag frei.
Der Freitag fällt als Montage-Tag weg, dafür kann das Büro an dem Tag Aufgaben abarbeiten, die über die Woche liegen geblieben sind. Das Fazit von Andreas Mayr: "Die Mitarbeiter sind fokussierter und haben mehr Lust". Zudem laufe die Arbeit nun effizienter.
Wo man hinschaut, überall fehlen in Deutschland Fachkräfte. Doch woran liegt das? Gibt es zu wenig Arbeitskräfte oder sind die Arbeitsbedingungen in vielen Branchen zu schlecht?
Arbeitszeit zu starr geregelt
Die Vier-Tage-Woche und damit verbundene flexiblere Arbeitszeiten könnte sich auch Sebastian Brücklmaier vorstellen. Er führt zusammen mit seinem Vater einen Bäckereibetrieb in München. Von seiner Backstube aus beliefern seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeden Tag sieben Filialen im Großraum München.
Das Problem seien gesetzlichen Regeln zur Arbeitszeit, die eine neue flexiblere Dienstplanung der Mitarbeiter eher unflexibel machen. Der Wunsch von Sebastian Brücklmaier: "Den Leuten die Möglichkeiten geben, sich so zu entfalten, wie sie es gerne hätten und nicht so stark regulieren".
Das fordert auch der Verband ZDH von der Politik. Die gesetzliche Tageshöchstzeit müsse abgeschafft werden. "Es gibt viele Wünsche, diese auf eine Wochenhöchstarbeitszeit umzustellen, um mehr Flexibilität in der täglichen Arbeitszeit zu bekommen", sagt Generalsekretär Holger Schwannecke.
Auf der Internationalen Handwerksmesse in München geht es vor allem auch um fehlende Fachkräfte und darum, wie die Branche dem begegnet.
Hannes Köhle berichtet aus dem ZDF-Landesstudio in München.