"Cyprus Confidential": Geheime Millionen für Chelseas Erfolg

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    "Cyprus Confidential"-Recherche:Geheime Millionen für den Erfolg von Chelsea

    von Felix Klauser und Timo Schober
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    Abramowitsch hat beim FC Chelsea offenbar jahrelang heimlich Millionen für Transfers gezahlt. Einzelne Fälle hat der Klub bereits "proaktiv bei Fußballaufsichtsbehörden" angezeigt.

    Hochhaus mit Luxsapartments mit dem namen Apartment 360 in Nikosia auf Zypern mit Abendsonne von außen
    Interne Dokumente mehrerer zyprischer Finanzdienstleister legen offen, wie sanktionierte russische Oligarchen Zypern als eine Art Hintertür zur Europäischen Union genutzt haben.14.11.2023 | 40:51 min
    Der Mann, der das Oligarchentum im Fußball begründet hat, besitzt ein geschätztes Gesamtvermögen von rund 9 Milliarden US-Dollar und trägt den Namen Roman Abramowitsch. Als Klubbesitzer des FC Chelsea entwickelte er den Verein zu einem der besten Teams der Welt. Chelsea gewann in der Ära Abramowitsch in 19 Jahren 21 Titel, darunter zwei Mal die Champions League
    Bisher geheim gehaltene Unterlagen aus der Recherche "Cyprus Confidential" lassen die Titel und Trophäen des FC Chelsea in einem neuen Licht erscheinen. Sie zeigen: Mindestens 13 Jahre lang haben Offshore-Firmen von Abramowitsch offenbar geheime Deals eingefädelt und millionenschwere Zahlungen getätigt. Kosten, die nicht alle in den offiziellen Bilanzen von Chelsea auftauchten und dem Verein auf dem Platz womöglich einen unerlaubten Vorteil verschafften.  
    Chelsea-Eigentümer Roman Abramowitsch lächelt nach dem Spiel Chelsea gegen Sunderland an der Stamford Bridge in London am 21.05.2017.
    Der russische Oligarch Roman Abramowitsch nach dem Spiel Chelsea gegen Sunderland am 21.05.2017 in London.
    Quelle: Imago

    Schwarze Kassen, versteckte Zahlungen in Millionenhöhe 

    Es geht um Berater, Startrainer und Schlüsselspieler von Chelsea - wie den belgischen Offensivspieler Eden Hazard, der mittlerweile seine Spieler-Karriere beendet hat. Der schoss im Jahr 2011 den OSC Lille zum Meistertitel in Frankreich, war seinerzeit einer der begehrtesten Spieler in Europa. Im Transferpoker um Hazard setzte sich damals Chelsea durch - oder vielmehr: Roman Abramowitsch.
    Archiv: Eden Hazard feiert mit der Trophäe nach dem Sieg in der Premier League.
    Eden Hazard feierte 2017 mit dem FC Chelsea den Gewinn der Premier League.
    Quelle: Reuters

    Dokumente aus dem Zypern-Leak zeigen: Neun Monate nach Hazards Wechsel, im März 2013, schloss eine Briefkastenfirma von Abramowitsch einen geheimen Vertrag mit einer Firma aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ab: Gulf Value. Besitzer dieser Firma ist der Berater von Eden Hazard: John Bico-Penaque. Es geht um eine Zahlung von sieben Millionen Euro, für "Beratungsdienste im Bereich der Sportforschung und -beratung". Wofür das Geld konkret fließen soll, bleibt jedoch unklar - eine Anfrage von ZDF frontal lässt John Bico-Penaque unbeantwortet.
    Lesen Sie hier, wie russische Oligarchen Briefkastenfirmen in Zypern für ihre Deals nutzten:

    Recherche "Cyprus Confidential"
    :Oligarchen-Paradies Zypern

    Geheimverträge zeigen, wie russische Oligarchen in Zypern über Briefkastenfirmen ihr Geld mehren und den Westen beeinflussen wollen. Der Überblick zu "Cyprus Confidential".
    von Sophia Baumann, Maria Christoph, Felix Klauser, Hans Koberstein, Hannes Munzinger, Bastian Obermayer, Frederik Obermaier, Marta Orosz, Timo Schober und Sophia Stahl
    Zypern Confidential
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    Die versteckten Zahlungen von Abramowitsch seien ein echtes Problem, sagt Christian Müller, ehemaliger Finanzchef der Deutschen Fußball Liga (DFL). Alle Aufwendungen im Zusammenhang mit Spielertransfers müssten in der Gewinn- und Verlustrechnung des ​Klubs​ abgebildet werden.

    Hier sind Zahlungen für den Kader eines Klubs ganz woanders erfolgt. Ein ganz klarer Regelverstoß.

    Christian Müller, ehemaliger Finanzchef der Deutschen Fußball Liga (DFL)

    Zehn Millionen Pfund an Spielerberater 

    Betreut wurde die Zahlung an Hazards Berater von einem Finanzdienstleister mit Sitz auf Zypern - an die Öffentlichkeit kommt sie jetzt durch die Veröffentlichung von "Cyprus Confidential". Es ist nicht die einzige fragwürdige Transaktion, die sich in den über drei Millionen Dokumenten des Datensatzes verbirgt.
    Auch die Zusammenarbeit mit Chelsea-Startrainer Antonio Conte wirft Fragen auf. In einem geheimen Dokument beschließt eine Briefkastenfirma von Abramowitsch für zehn Millionen Pfund Anteile einer Firma zu kaufen, die dem italienischen Spielerberater Federico Pastorello gehört. Der war nach eigenen Angaben in die Verhandlungen zwischen Antonio Conte und Chelsea involviert. Unterschrieben wurde das Dokument an dem Tag, an dem die Einigung zwischen Conte und Chelsea verkündet wird.
    Eine Nachfrage von ZDF frontal möchte Pastorello nicht kommentieren und dementiert, Antonio Contes Berater zu sein. Der Trainer selbst lässt eine Anfrage unbeantwortet.

    Geheimzahlungen aus Russland
    :Hunderttausende für Putin-Experten Seipel

    Russland-Experte Seipel hat 600.000 Euro von einem Putin-nahen Oligarchen erhalten. Das zeigen ZDF-Recherchen. Seine Unparteilichkeit sieht der Journalist nicht beeinträchtigt.
    von Hans Koberstein, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Timo Schober
    Buchautor Hubert Seipel mit Wladimir Putin
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    Finanzexperte: Möglicher Verstoß gegen Financial Fair Play  

    Die Zahlungen von Abramowitschs Briefkastenfirma könnten ein Verstoß gegen das Financial Fair Play, das Regelwerk der UEFA sein, meint Kieran Maguire, der als Finanzexperte seit Jahren die Zahlungsströme britischer Fußballklubs analysiert. Die möglichen Folgen für Chelsea, so Maguire, seien durchaus schmerzhaft.

    Ich denke am wahrscheinlichsten ist ein Punktabzug - die schlimmste Konsequenz wäre sogar der Ausschluss aus der Premier League.

    Kieran Maguire, Finanzexperte  

    Mittlerweile ist die Ära Abramowitsch bei Chelsea beendet. Der sanktionierte Multimilliardär musste seine Anteile am Verein verkaufen. Die neuen Inhaber teilten auf Anfrage von ZDF frontal mit, dass es womöglich unvollständige Finanzberichte bei den Transfers gebe, die in der Zeit Abramowitschs getätigt wurden. Die Vorwürfe beträfen keine Personen, die nach dem Eigentümerwechsel noch bei Chelsea aktiv seien.

    Unmittelbar nach Abschluss des Kaufs hat der Klub diese Angelegenheiten proaktiv bei allen zuständigen Fußballaufsichtsbehörden angezeigt, (…) die zuständigen Aufsichtsbehörden proaktiv bei ihren Untersuchungen unterstützt und wird dies auch weiterhin tun.

    FC Chelsea  


     

    Die Ära Abramowitsch beginnt in London im Jahr 2003. Für umgerechnet rund ​​160 Millionen Euro kauft der schwerreiche Russe den FC Chelsea. Geld spielt im Londoner Westen plötzlich kaum noch eine Rolle: "Ich weiß nicht, wie viel Geld ich letztlich für den Klub ausgeben werde. Es wird davon abhängen, wie gut wir spielen", erzählt der Oligarch damals im Fernsehinterview.  

    Mehr als zwei Milliarden Euro hat Chelsea unter Abramowitsch für Transfers gezahlt, wurde zu einem der besten Vereine der Welt. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine musste Roman Abramowitsch seine Anteile am FC Chelsea verkaufen. Für knapp fünf Milliarden Euro. Von den Erlösen des bis dato teuersten Geschäfts in der Geschichte des Sports sieht der sanktionierte Oligarch jedoch nichts. Das Geld fließt in eine Stiftung, die der Ukraine zu Gute kommen soll. 

    UEFA: Neues Verfahren gegen Chelsea könnte eröffnet werden 

    Auf Anfrage von ZDF frontal teilt der europäische Fußballverband UEFA mit: Gegen Chelsea sei bereits eine Strafe von 10 Millionen Euro verhängt worden. Sollten neue, fragwürdige Zahlungen festgestellt werden, könnte "ein neues Verfahren gegen den Klub eröffnet werden".
    Auch wenn die Zusammenarbeit zwischen Chelsea und dem Oligarchen beendet ist: Die Ära Abramowitsch könnte den Verein und die Fußballwelt noch lange beschäftigen.

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