Familie droht Abschiebung: Vater seit 36 Jahren in Chemnitz

    Von Chemnitz nach Vietnam?:Wenn nach 36 Jahren die Abschiebung droht

    von Steffi Moritz-Möller und Relana Waldner
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    Vater Pham ist vor 36 Jahren aus Vietnam in die DDR gekommen - Chemnitz wurde das Zuhause seiner Familie. Warum ihnen nun die Abschiebung droht - und viele das ungerecht finden.

    Als Pham Phi Son nach Chemnitz kam, hieß die Stadt noch Karl-Marx-Stadt, 1987 reiste er als Gastarbeiter in die DDR ein und arbeitete dort bis zur Wende als Hilfsarbeiter. Chemnitz ist seitdem sein Zuhause, hier fühlt er sich wohl, wohnt zusammen mit seiner Frau und der sechsjährigen Tochter Emilia in einer kleinen Wohnung. Nun muss er aber - nach 36 Jahren - damit rechnen, abgeschoben zu werden.
    Sein Vergehen: 2016 war er länger als die erlaubten sechs Monate in Vietnam gewesen. Der Grund, so sagt er, sei eine Operation am Knie gewesen, Unterlagen habe er vorliegen. Auch der deutschen Botschaft habe er Bescheid gesagt.
    Trotz Integrationspreis droht Emanuele Afriyie die Abschiebung:

    Behörde entzog unbefristetes Aufenthaltsrecht

    Drei Jahre später wollte er für seine Tochter einen Reisepass beantragen, erst da fiel der Behörde auf, dass Pham Phi Son einst zu lange außer Landes war. Sofort wurde ihm das unbefristete Aufenthaltsrecht entzogen - und das hatte Folgen: Er durfte nicht mehr arbeiten. Sein Chef musste ihm kündigen, was ihm sehr leidgetan habe.
    Auch die Härtefallkommission entschied damals gegen ihn, weshalb er untertauchte, aus Angst vor Abschiebung. Ein Fehler, das weiß er inzwischen. Aber er gab nicht auf, wollte bleiben. Seine Anwältin erreichte Ende letzten Jahres mit einer Klage, dass er und seine Frau wenigstens wieder arbeiten dürfen.

    Drohende Abschiebung belastet Familie Son schwer

    Sein jetziger Chef in einem Restaurant bestätigt der Härtefallkommission:

    Eine Kombination aus Fleiß und Zuverlässigkeit, welches auf beide Mitarbeiter zutrifft, ist auf dem Arbeitsmarkt immer schwieriger zu finden.

    Arbeitgeber von Pham Phi Son

    Trotzdem scheiterte jetzt erneut ein Antrag. Damit hatte niemand gerechnet. Seitdem ist das Leben der vietnamesischen Familie komplett aus den Fugen geraten. Sie können nicht mehr schlafen, haben Angst nachts abgeholt und abgeschoben zu werden, und Emilia hat Angst in Chemnitz nicht zur Schule gehen zu können, denn sie soll im August eingeschult werden.
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    Petition sammelt 100.000 Unterschriften gegen Abschiebung

    Gründe nennt die Kommission nicht, verweist auf die Verschwiegenheitsklausel. Das noch immer schlechte Deutsch nach 36 Jahren soll aber auch eine Rolle gespielt haben. Für die Migrationsbeauftragte von Chemnitz, Etelka Kobuß,  ganz klar eine falsche Entscheidung:

    Klar hat Herr Pham Fehler gemacht, aber das steht doch nicht im Verhältnis zu der Strafe. Nicht nur ich, viele denken, dass das ungerecht ist.

    Etelka Kobuß, Migrationsbeauftrage von Chemnitz

    In einer Petition wurden fast 100.000 Unterschriften für Pham Phi Son gesammelt, die Moderatoren Joko und Klaas unterstützen die Familie auf ihren Instagram-Accounts und zu einer Kundgebung in Chemnitz kamen mehrere hundert Leute, die in der Familie Chemnitzer Bürger sehen und wollen, dass sie bleiben dürfen.

    Abgeordneter: Familie wichtig für Zukunft Deutschlands

    Landtagsabgeordneter Frank Richter (SPD) kümmert sich seit vielen Jahren um sogenannte Härtefälle. Auch er findet die Entscheidung gegen Familie Pham zutiefst ungerecht: "Ja, er hat Fehler gemacht, aber vor allem hat er vieles richtig gemacht, er hat gearbeitet, Steuern gezahlt, sich um die Familie gekümmert."

    In Sachsen werden oft die Falschen abgeschoben. Ich bin nicht gegen Abschiebung, aber diese Familie ist so freundlich und friedlich, sie sind wichtig für die Zukunft in unserem Land.

    Frank Richter (SPD), Landtagsabgeordneter in Sachsen

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    Ausländerbehörde verzichtet vorerst auf Abschiebung

    Doch Herr Pham und seine Frau müssen lernen, besser Deutsch zu sprechen. Das verlangt auch die Chemnitzer Ausländerbehörde und erwartet, dass die Familie weitere Unterlagen wie Sprachnachweise vorlegt.
    Bis dahin, so gab sie jetzt bekannt, wird vorerst auf eine Abschiebung verzichtet. Am Ende könnte der sächsische Innenminister eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären oder persönlichen Gründen ausnahmsweise erteilen.
    Steffi Moritz-Möller und Relana Waldner sind Mitarbeiterinnen im ZDF-Studio Dresden.
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