Bei der Wiederholungswahl in Berlin profitiert die CDU von viel Kritik am Senat und einer schwachen Bürgermeisterin - das zeigt die Analyse der Forschungsgruppe Wahlen.
Bei der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wird die CDU nach deutlichen Zugewinnen erstmals seit über zwei Jahrzehnten wieder stärkste Partei. SPD, Grüne und Linke haben im Vergleich zu 2021 Verluste, die AfD legt etwas zu, die FDP verliert und rutscht unter die Fünf-Prozent-Hürde.
Wahlergebnis: CDU profitiert ohne viel eigenes Zutun
Überlagert war die stark landespolitisch geprägte Wahl von heftiger Kritik am Senat. Allerdings gibt es auch Zweifel am Mehrwert möglicher Alternativen. Neben SPD und Grünen kann die CDU inhaltlich und personell ebenfalls nur bedingt überzeugen, profitiert aber von der Unzufriedenheit mit Rot-Grün-Rot, der Schwäche der FDP und einem spezifischen Mobilisierungserfolg. Bei geringerer Wahlbeteiligung - 2021 war parallel Bundestagswahl - ist die CDU in der relativ beteiligungsstarken Generation 60plus besonders stark.
Wer wählte wen: Starkes Altersgefälle
So wird die CDU von 38 Prozent der ab 60-Jährigen gewählt, schafft mit 31 Prozent aber auch bei den 45- bis 59-Jährigen ein gutes Ergebnis. Bei den 30- bis 44-Jährigen werden die Grünen mit 26 Prozent stärkste Partei vor CDU, Linke und SPD (21, 14 bzw. 13 Prozent). Bei den unter 30-Jährigen bleibt neben den Grünen auch die Linke relativ stark (25 bzw. 20 Prozent), CDU und SPD erzielen hier weiterhin nur wenig Zuspruch (13 bzw. zehn Prozent).
Spitzenkandidat*innen: Giffey ohne Zugkraft
Mitverantwortlich für das schwache SPD-Ergebnis ist eine Spitzenkandidatin, die weit weniger Zugkraft entfaltet als andere Länder-Regierungschefs. Nur 51 Prozent bescheinigen Franziska Giffey als Bürgermeisterin gute Arbeit. Beim Ansehen verfehlt Giffey klar das Niveau ihrer Amtsvorgänger Michael Müller oder Klaus Wowereit und liegt auf der +5/-5-Skala mit 0,4 (2021: 0,9) nur knapp vor Kai Wegner (CDU), der - wie alle Berliner CDU-Kandidaten seit 2001 - mit 0,3 (2021: 0,1) ebenfalls schwach bleibt.
Als Regierende*n Bürgermeister*in wünschen sich 32 Prozent Franziska Giffey, 27 Prozent Kai Wegner und nur 15 Prozent Bettina Jarasch (Grüne), die beim Image auf minus 1,3 (2021: 0,1) abstürzt.
Senat und Opposition: Berlin-typisch schwach
Sehr kritisch sehen die Berliner/innen die Leistungen des Senats, der auf der +5/-5-Skala nur minus 0,4 erreicht. Nur selten gab es für Regierungspolitik schlechtere Noten. Dabei unterschieden die Befragten jedoch klar zwischen SPD (0,3), Linke (minus 0,5) und auffällig schwachen Grünen (minus 1,0).
Berlin-typisch ist aber auch eine schwache Opposition, in der CDU (0,1) und FDP (minus 0,4) blass bleiben und die AfD (minus 3,1) miserabel bewertet wird. Nur 29 Prozent glauben, dass die CDU - würde sie regieren - ihre Sache besser machen würde (schlechter: 26 Prozent; kein Unterschied: 40 Prozent).
Top-Themen: Wohnungsmarkt und Verkehr
Bei den in Berlin wichtigsten Themen hat die SPD im Bereich "Wohnungsmarkt" Kompetenzverluste und liegt nur noch knapp vor der CDU und einer hier relativ starken Linken. Die Grünen brechen beim zweiten Top-Thema "Verkehr" heftig ein und werden von der CDU überholt. Daneben punktet die CDU in einer Stadt, in der der Senat für 62 Prozent der Befragten "bei Ausschreitungen und Randale viel zu lange weggeschaut hat", bei "Bekämpfung von Kriminalität".
Koalitionen: Durchweg kritische Distanz
Bei einer Wahl mit kaum bundespolitischem Einfluss ist das Ergebnis letztendlich auch Ausdruck von viel Unmut in einer Großstadt mit vielen Problemen, in der im Bundesländer-Vergleich beim Thema "Zukunftsvorbereiung" Rekord-Pessimismus herrscht.
Die Parteien vor Ort haben alle nur partielle Stärken und ein überzeugendes Gesamtpaket fehlt: Neben einer rot-grün-roten Neuauflage gehen die Berliner/innen auch zu sämtlichen anderen denkbaren Koalitionen auf Distanz.
Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.590 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Berlin in der Woche vor der Wahl sowie auf der Befragung von 17.478 Wähler/innen am Wahltag.
- CDU will "Berlin-Koalition anführen"
Die CDU und ihr Spitzenkandidat Kai Wegner haben die Berlin-Wahl gewonnen. Aber Rot-Grün-Rot könnte wohl trotzdem weiterregieren. Die FDP verpasst wahrscheinlich den Wiedereinzug.