Die CDU und ihr Spitzenkandidat Kai Wegner haben die Berlin-Wahl gewonnen. Aber Rot-Grün-Rot könnte wohl trotzdem weiterregieren. Die FDP verpasst den Wiedereinzug.
Nach dem Wahlsieg der CDU in Berlin beraten die Parteien nun über das Ergebnis. Die Union beansprucht die Regierungsbildung für sich, doch auch die SPD will eine Koalition bilden.
Die Berlin-Wahl hat einen deutlichen Gewinner: Mehr als zehn Prozent hat die CDU hinzugewonnen. Die SPD fährt mit drei Prozent die größten Verluste ein. Und trotzdem könnte es sein, dass nicht Kai Wegner von der CDU der neue Regierende Bürgermeister wird, sondern Franziska Giffey von der SPD das Amt behält.
So sieht das vorläufige Endergebnis zur Berlin-Wahl aus
Laut vorläufigem Endergebnis des Berliner Landeswahlleiters ist die Wahl in Berlin folgendermaßen ausgegangen:
- SPD: 18,4 Prozent
- CDU: 28,2 Prozent
- Grüne: 18,4 Prozent
- Linke: 12,2 Prozent
- AfD: 9,1 Prozent
- FDP: 4,6 Prozent
Die FDP schafft somit den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus in Berlin nicht.
Wahlsieger Kai Wegner im ZDF-Interview
"Die Berlinerinnen und Berliner haben uns, mir, das Vertrauen gegeben und wir haben jetzt den Auftrag, eine stabile Regierung zu bilden und dazu werden wir in den nächsten Tagen Gespräche führen", sagte Wahlsieger Kai Wegner im heute journal. Wie Wegner kurz nach Schließung der Wahllokale im ZDF sagte, wolle die CDU "eine erfolgreiche Berlin-Koalition anführen".
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Nun müssten erstmal alle Parteien dieses Ergebnis auch zur Kenntnis nehmen. "Es gibt massive Verschiebungen. Alle drei Regierungsparteien haben verloren. Wir sind deutlich gewachsen und wir haben den Auftrag eine Regierung zu bilden." Die CDU werde ergebnisoffen einladen und mit der SPD und den Grünen sprechen, erläuterte Wegner.
Wahlsieger Kai Wegner im Porträt:
- Kai Wegner: Ein Berliner mit Ambitionen
2019 übernahm Kai Wegner mit einem Hauch von Putsch die Führung in der Berliner CDU. Nun will der 50-Jährige auch Regierender Bürgermeister in der Hauptstadt werden.
Welche Koalitionen rechnerisch eine Mehrheit hätten
Laut vorläufigem Endergebnis hat die bisherige rot-grün-rote Koalition weiter eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Auch CDU und SPD sowie CDU und Grüne hätten die erforderlichen Sitze.
Wie Parteienforscher Karl-Rudolf Korte das Wahlergebnis einschätzt:
Wenn die Grünen vor der SPD liegen, werden sie entscheiden, wer am Ende den Regierenden Bürgermeister in Berlin stellen kann, sagt Parteienforscher Karl-Rudolf Korte.
Reaktionen der Spitzenkandidaten in Berlin
Franziska Giffey, SPD-Spitzenkandidatin und derzeit Regierende Bürgermeisterin: "Wir warten ja jetzt auf das Ergebnis für Platz zwei. Wir sind seit mehreren Stunden gleichauf mit den Grünen und für uns ist entscheidend, dass wir auf Platz zwei kommen und dann gibt es eben die Möglichkeit, ein Bündnis zu schmieden, wie es auch bisher seine Arbeit gemacht hat mit den Grünen und den Linken." Sie habe diesen Senat in den dreizehn Monaten trotzdem so geführt, dass Berlin gut durch die Krise gekommen ist, so Giffey, "dass wir auch gestärkt aus dieser Krise hervorgehen mit einem überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum".
SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey hofft, dass sie mit der SPD auf Platz zwei kommt und weiter eine Koalition anführen kann. Das Ergebnis sei für die SPD sehr bitter.
Bettina Jarasch, Spitzenkandidaten der Grünen: "Ich freue mich sehr über unser Ergebnis, denn es war ein harter Wahlkampf." Die Rahmenbedingungen seien schwierig gewesen. Die Präferenz von Jarasch: "Wir würden gerne die Koalition mit SPD und Linken fortführen, am liebsten unter Grünen-Führung."
Klaus Lederer, Linken-Spitzenkandidat: "Wenn es das Ergebnis ist, dann fällt mir ein Stein vom Herzen, weil wir sind ja nicht erfolgsverwöhnt als Linke in den vergangenen Monaten gewesen." Die Linke habe es im Dreier-Rennen zwischen CDU, SPD und Grüne ums Rote Rathaus auch nicht ganz einfach gehabt.
Die Linke setzt auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit SPD und Bd.90/Die Grünen. Wir müssen Berlin was Gutes tun, sagt Katja Kipping (Linke).
Kristin Brinker, AfD-Spitzenkandidatin: "Wir haben ein großartiges Wahlergebnis für Berliner Verhältnisse eingefahren. Wir haben unsere Wähler mobilisieren können. Wir haben uns verbessert, das ist das Entscheidende und darauf bin ich auch sehr stolz."
Sebastian Czaja, FDP-Spitzenkandidat: "Das ist jetzt ein langer Abend", so Czaja kurz nach der ersten Hochrechnung. "Die CDU ist klarer Wahlgewinner." Die Gründe für das schlechte Abschneiden der FDP müssen man sich in Ruhe anschauen.
Bundespolitische Reaktionen
Die CDU hat die Berlin-Wahl gewonnen, die SPD hat verloren. Wie die Parteien auf Bundesebene auf die Abgeordnetenhauswahl reagieren.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja sieht einen "klaren Regierungsauftrag" für den christdemokratischen Spitzenkandidaten Kai Wegner. "Berlin hat gewonnen, Berlin kann feiern", sagte Czaja in der ARD. "Die jetzige Regierung ist abgewählt." Jeder Anstand verbiete es, dass die noch amtierende Regierung weitermache.
Der Stellvertretende Vorsitzende der CDU, Carsten Linnemann, sieht das Wahlergebnis als Zeichen dafür, dass die Menschen einen Regierungswechsel wollen.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zur Prognose: "Selbstverständich schmerzt das." Es sei aber zu früh am Abend, um schon alle Antworten zu haben. Er gratulierte der CDU zu ihrem Ergebnis. "Der CDU ist es gelungen, bei einem Teil der Menschen in der Stadt einen Nerv zu treffen."
Eine neue Regierung müsse die Probleme anpacken – welche Konstellation das sein werde, müsse abgewartet werden, meint SPD-Parteivorsitzender Lars Klingbeil.
Ricarda Lang, Vorsitzende der Grünen: "Wir sehen das als Auftrag, was bezahlbares Wohnen, was Klimaschutz in Berlin angeht und werden in diese Richtung natürlich in den nächsten Tagen Gespräche mit demokratischen Parteien führen." Natürlich stehe die Partei für Gespräche mit demokratischen Parteien zur Verfügung.
Die Grünen hätten dafür gekämpft, eine rote Regierungschefin in das rote Rathaus zu schicken, sagt Grünen-Bundesvorsitzender Omid Nouripour. Schwarz-grün sei keine Option.
Tino Chrupalla, Co-Vorsitzender der AfD: "Natürlich ist hier ganz klar, dass diese Stadt sich klar gegen Rot-Rot-Grün gewandt hat. Das ist zu begrüßen und das ist ein Stück weit ein Fingerzeig gegen den Bundestrend oder gegen diese Bundesregierung mit ihrem falschen Kurs." Man werde konstruktive Oppositionsarbeit machen.
Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion: "Berlin wollte den Wechsel, das sieht man." Die FDP sei gespannt, "ob der Wechsel am Ende gelingt". Und dafür brauche es natürlich eine FDP im Abgeordnetenhaus.
- Was die Berlin-Wahl für die Ampel bedeutet
Die Wahl in Berlin hat deutlich gezeigt: Es läuft nicht rund für die FDP. Während in der Hauptstadt noch Stimmen ausgezählt werden, ziehen über der Ampel bereits dunkle Wolken auf.
Wie ist das Wahlergebnis zu erklären?
Mitverantwortlich für das schwache SPD-Ergebnis ist eine Spitzenkandidatin Franziska Giffey, die weit weniger Zugkraft entfaltet als andere Länder-Regierungschefs. Laut Analyse der Forschungsgruppe Wahlen war die CDU bei geringerer Wahlbeteiligung - 2021 war parallel Bundestagswahl - in der relativ beteiligungsstarken Generation 60plus besonders stark.
- Warum die CDU in der Hauptstadt vorne liegt
Bei der Wiederholungswahl in Berlin profitiert die CDU von viel Kritik am Senat und einer schwachen Bürgermeisterin - das zeigt die Analyse der Forschungsgruppe Wahlen.
Die Ergebnisse in den Wahlkreisen
Wie haben die Parteien bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus Berlin abgeschnitten? Wo haben sie ihre treuesten Wähler? Antworten finden Sie auf unserer interaktiven Ergebnisseite.
Warum musste die Wahl von 2021 wiederholt werden?
Die Wiederholungswahl wurde nötig, weil es beim Urnengang 2021 zahlreiche Pannen gegeben hatte und die Wahl später für ungültig erklärt wurde. Am Wahltag hatten Stimmzettel gefehlt, Wahllokale wurden vorübergehend geschlossen oder blieben länger geöffnet, vor vielen bildeten sich lange Schlangen.
Nach einer chaotischen Wahl im September 2021 sollte nun bei der Wiederholungswahl alles besser laufen. Stephan Merseburger berichtet aus dem Landesstudio in Berlin.
Fazit vom Landeswahlleiter zum Wahl-Verlauf
- Wahlleiter spricht von "kleineren Fehlern"
Nach der Wiederholungswahl in Berlin zieht Wahlleiter Stephan Bröchler ein positives Fazit. Ganz fehlerfrei sei der Wahltag trotzdem nicht verlaufen.
Was die Wahlbeobachter zur Berlin-Wahl sagen
Die internationalen Wahlbeobachter des Europarats haben sich am Sonntagnachmittag zufrieden mit dem Verlauf der Berliner Wiederholungswahl gezeigt. "Der Gesamteindruck ist, dass alles wirklich gut läuft", sagte Delegationsleiter Vladimir Prebilic der Deutschen Presse-Agentur vor Schließung der Wahllokale.
Die zehnköpfige Delegation des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarats besuchte in kleinen Teams Wahllokale in allen zwölf Berliner Bezirken. Nach Prebilics Worten sprachen sie mit Wahlvorständen und beobachteten die Abläufe. Die Wahlhelfer hätten gewusst, was zu tun sei, es habe keine langen Schlangen gegeben, niemand habe sich beschwert, sagte Prebilic.
Wie hoch war die Wahlbeteiligung in Berlin?
Die Wahlbeteiligung ist geringer als 2021. 65 Prozent gaben ihre Stimme ab. 2021 waren es 75,4 Prozent.
Wie fiel das Wahlergebnis 2021 aus? Und wie 2016?
Die Wahl 2016 gewann die SPD mit 21,6 Prozent der Zweitstimmen.
Danach kamen die CDU mit 17,6, die Linke mit 15,6 Prozent und die Grünen mit 15,2 Prozent. Die AfD fuhr 14,2 Prozent ein. Die FDP schaffte mit 6,7 Prozent den Einzug in das Abgeordnetenhaus.