Wohnungsnot in Irland: Starke Wirtschaft, teurer Wohnraum

    Wirtschaftsboom nach Finanzkrise:Irland: Zu erfolgreich fürs Eigenheim

    Wolf-Christian Ulrich
    von Wolf-Christian Ulrich, Dublin
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    Zehn Jahre, nachdem die EU Irland aus der Finanzkrise gerettet hat, startet das Land durch. Doch nun quält eine Häuserkrise die Insel und deren Bewohner.

    strasse mit eigenheimen in kilkenny
    Den Traum vom Eigenheim können sich Menschen in Irland nur selten erfüllen. Die Chancen auf einen Baukredit sind nach der Finanzkrise drastisch gesunken.
    Quelle: Colourbox.de

    Selbst ein sechsstelliges Familieneinkommen reicht in Dublin nicht für einen Baukredit. Die Banken sind nach der Schulden- und Finanzkrise 2009 vorsichtig geworden bei Krediten. Die Folgen spüren nun die jungen Leute. Kunstlehrer Lorcan Murphy musste deshalb wieder in sein altes Kinderzimmer ziehen. Denn seine Freundin und er verdienen zwar 90.000 Euro im Jahr - doch in Dublin muss man damit jahrelang auf einen Baukredit warten: So gehe es vielen jungen Leuten, erzählt er uns.

    Wir sitzen alle im selben Boot, das quält uns. Viele meiner Freunde sind deshalb schon weggezogen. Diese Situation macht uns verrückt.

    Lorcan Murphy, Lehrer

    Wohnraum zu teuer: Zurück zu den Eltern

    Sogar seine beiden Schwestern sind wieder ins Hotel Mama eingezogen: Wohnraum ist schlicht zu teuer. "In unserer Generation konnte man sich ein Haus kaufen, wenn einer gearbeitet hat," sagt Mutter Carmel Murphy. "Die junge Generation kann das nicht mehr. Meine drei Kinder haben gut bezahlte Jobs. Aber sie können es sich nicht leisten, unabhängig zu leben!"
    Und das, obwohl Irlands Wirtschaft boomt. Fast Vollbeschäftigung. Wachstum und Bruttolöhne: In der EU-Spitzengruppe. Rekord-Steuereinnahmen: Der Staat macht sogar Gewinn, legt jetzt einen Staatsfonds für die Zukunft an nach dem Vorbild Norwegens.
    Eine Straßenmusikerin spielt Gitarre in Irland.
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    Dass Irland so durchstartet, liegt an "Irlands modernen Kartoffeln: Viagra und Festplatten" wie manche Beobachter scherzen und damit die Exporte von Pharma- und Digitalindustrie meinen.
    Die Kehrseite des Erfolgs: Es gibt so viel Arbeit, auch so viel Zuzug auch von hochqualifizierten Arbeitskräften, dass der Wohnraum für junge Arbeitskräfte knapp ist.

    Die Wohnungskrise ist absoluter Horror. Die Banken finanzieren zu wenig. Die Planungsverfahren zu kompliziert. Die Kosten zu hoch. Das muss man alles gleichzeitig regeln.

    Brendan Keenan, Ökonom

    Dazu kommt, dass die Gemeinden es versäumt haben, genug Bauland freizugeben. Die Politik schafft es bisher nicht, hier ausreichend einzugreifen: Regierung und Oppositionsparteien hätten auf kommunaler Ebene längst gegensteuern können.
    Bauarbeiter setzen auf einer Bodenplatte ein Wandteil in Holztafelbauweise an. Das Wandteil schwebt in der Luft gehalten von einem Kran. Die Sonne geht im Hintergrund auf. Im Vordergrund steht ein Gerüst.
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    Wohnungsnot auch Folge der Finanzkrise

    Nun will die Regierung um Chef Leo Eric Varadkar zwar 40.000 Wohnungen im Jahr bauen lassen - doch wenige glauben, dass dies gelingt. Das liegt laut Ökonom Keenan auch daran, dass die Bauindustrie im Zuge der Krise zusammengebrochen sei und sich seitdem nicht vernünftig erholt habe.
    Auch die Zurückhaltung der Banken bei der Baufinanzierung erkläre sich aus der Finanzkrise: 2009 hätten die vergleichsweise günstigen EU-Kredite das irische Bankensystem grade so gerettet.
    14 Jahre nach der Finanz-Krise sind Irlands Wirtschaft und Staatsfinanzen zwar zurück auf Erfolgskurs - doch jetzt belastet eine Häuser-Krise Irlands junge Generation.

    Geld für Renovierung
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