Wie Präsident Javier Milei Argentinien umkrempeln will
Tausende protestieren:Wie Javier Milei Argentinien umkrempeln will
von Christoph Röckerath
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Im Dezember hatte Javier Milei das Präsidentenamt in Argentinien übernommen. Jetzt will seine Regierung das Land reformieren. Tausende protestieren dagegen.
Javier Milei trat schon bei seiner Amtseinführung im Dezember mit breiter Brust auf.
Quelle: AFP
"In 45 Tagen hat dieser Typ unser Leben vermasselt", schimpft Inés Rodriguez. Erstmals seit Beginn des Gespräches macht sich im sonst so freundlichen Gesicht der 47-Jährigen Zornesröte breit.
Wie Tausende andere steht sie mal wieder vor dem Parlament in Buenos Aires, um gegen die Verabschiedung der Reformpläne des neuen Präsidenten Javier Milei zu demonstrieren.
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Inés hat ihre Arbeit beim nationalen Katastrophenschutz verloren. Sie ist eine von bisher rund 8.000 Staatsbediensteten, deren Stellen den Sparmaßnahmen der neuen Regierung zum Opfer gefallen sind.
Javier Milei will Wirtschaft und Sozialstaat verändern
Argentinien leidet seit Jahren unter einer schweren Wirtschaftskrise. Die jährliche Inflationsrate ist im Januar auf einen Rekordstand von 254,2 Prozent geklettert.
Mit der Kettensäge in der Hand hatte der ultraliberale Wirtschaftswissenschaftler und politische Außenseiter Milei vor Amtsantritt versprochen, das etablierte System zu Kleinholz zu verarbeiten. Durch seine provozierenden Wahlkampfauftritte, vor allem in den sozialen Medien, wurde er zur Kultfigur.
Hunderte Sofortmaßnahmen per Dekret
Seit Mitte Dezember im Amt, muss er nun liefern, mit einer Schocktherapie, wie er es selbst nennt. Schon in den ersten Tagen im Amt erlässt Milei per Dekret Hunderte Sofortmaßnahmen.
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Er legte einen Gesetzentwurf vor, der Wirtschaft und Sozialstaat tiefgreifend verändern und dem Präsidenten umfassende Machtbefugnisse verleihen würde. Verabschiedet hat das Parlament seine Vorschläge bislang nicht.
Armut in Argentinien: Regierung streicht Unterstützung
Mehr als 40 Prozent der Argentinier leben derzeit in Armut. Zwar gibt es nach wie vor eine Grundversorgung, um die schlimmsten Auswirkungen abzumildern, doch viele andere Programme und Subventionen wurden gestrichen.
Inés Rodriguez stammt aus Lanús, einem Arbeitervorort von Buenos Aires. Analog zum Land, befindet sich der Ort seit Jahren in wirtschaftlichem Abstieg.
Bis vor kurzem hat Inés Rodriguez hier ehrenamtlich ein staatliches Hilfsprogramm geleitet, bei dem Essen und Schulmaterialien an die ärmsten Kinder ausgegeben wurden. Auch dieses Programm wurde von der Regierung Milei gestrichen.
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Kaum Vertrauen in Politik
"Ich mache mir große Sorgen, weil die Kinder auf diese Spenden so sehr angewiesen sind, damit sie nicht am ersten Schultag niedergemacht werden, weil sie zum Beispiel eine alte Schuluniform tragen, aus der sie längst rausgewachsen sind", sagt Inés.
Auch in Lanús hat fast die Hälfte der Bewohner Milei gewählt, in der trügerischen Hoffnung, dass anders automatisch besser bedeuten würde. Viele haben längst das Vertrauen in die Politik verloren.
IWF befürwortet Reformvorschläge
Im Präsidentenpalast bittet der Regierungssprecher am Rande einer Pressekonferenz um Geduld. Es gebe schlicht keine Alternative zum Reformkurs, auch wenn dieser schmerzhaft sei. Milei habe eine Chance verdient, sagt auch Silvia Mercado, langjährige Hauptstadtjournalistin.
"Wir haben mit Milei den Sprung ins Blaue gewagt", sagt sie. Mercado hofft, dass die wirtschaftliche Notlage abgemildert werde.
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Milei verbreitet Populismus auch auf Social Media
Doch sie zweifelt an den Prioritäten des Präsidenten. Sie hat Sorge, dass sich Milei in seinem eigenen Populismus verheddern, sich zu sehr um seine Fans im Internet drehen und die harsche Realität vieler Argentinier aus den Augen verlieren könnte.
Mercado hat das am eigenen Leib erfahren, als sie der Präsident persönlich auf X, ehemals Twitter, als Lügnerin beschimpfte und einen Shitstorm seiner Anhänger lostrat.
Bloß weil sie in einer Fernsehsendung erwähnte, sie habe aus Regierungskreisen gehört, die landesweit bekannten Hunde des Präsidenten seien in seine Residenz gezogen. Eine Bagatelle.
Expertin: Mangel an politischer Kommunikation
"Viele sehen Inkompetenz", sagt die politische Soziologin Mariana Gené. Milei müsse lernen, mit den Verhandlungspartnern in der Politik zu kommunizieren, weil er auf sie angewiesen sei.
"Er befindet sich in einer paradoxen Situation: Er braucht ihre Stimmen, um die Gesetze zu verabschieden, und gleichzeitig lenkt er ständig von ihnen ab, greift sie an", analysiert Gené.
Gesetzespaket in Argentinien vorerst gescheitert
Bisher scheinen die meisten Parlamentarier eher auf die Demonstranten vor der Tür zu hören. Mileis umfassendes Gesetzespaket ist vorerst gescheitert, muss jetzt neu verhandelt werden.
Milei antwortet auf seine Art: Er werde weiter machen - "Mit oder ohne Unterstützung der politischen Führungsklasse, die unser Land zerstört hat", schreibt er, natürlich auf der Plattform X, ehemals Twitter.
Christoph Röckerath berichtet aus dem ZDF-Studio Südamerika.