Frühere Sowjetrepublik:Knappe Mehrheit in Moldau stimmt für EU-Kurs
|
In einem Referendum in Moldau hat eine hauchdünne Mehrheit der Bevölkerung für einen EU-Kurs gestimmt. Bei der Präsidentenwahl verfehlte Staatschefin Sandu die absolute Mehrheit.
Neben der Wahl ging es auch darum, ob sich das Land der EU oder Russland zuwendet. In einem Referendum sprachen sich 50,46% der Wähler für einen Kurs Richtung EU aus.21.10.2024 | 1:46 min
Nach Auszählung aller Stimmen hat die Bevölkerung in der früheren Sowjetrepublik Moldau für die Verankerung des EU-Kurses in der Verfassung gestimmt. Nach Auszählung aller Wahlzettel stimmten laut Wahlkommission 50,46 Prozent der Teilnehmer dafür, einen proeuropäischen Kurs unabänderlich als strategisches Ziel in der Verfassung festzuschreiben. Weniger als 14.000 Stimmen haben demnach den Unterschied gemacht.
Laut moldauischen Medien stimmten die Menschen in der Mehrheit der Regionen im Land gegen die Verfassungsänderung. Den Ausschlag in die andere Richtung gaben Hunderttausende Moldauer, die im Ausland leben - vor allem in der EU. Die prowestliche Staatschefin Maia Sandu dankte der Diaspora, die die Abstimmung gerettet habe. Das EU-Referendum ist zwar gültig, muss aber durch das Verfassungsgericht bestätigt werden. Die Richter könnten es etwa wegen Unregelmäßigkeiten noch kippen. Wenn sie es bestätigen, wird die Verfassung geändert.
Seit Beginn des Krieges sind die Länder der ehemaligen Sowjetunion in Aufruhr. Richten die Ex-Sowjetrepubliken ihren Blick Richtung Westen, Russland oder doch Richtung China?22.06.2023 | 44:13 min
Gleichzeitige Präsidentschaftswahl
Bei der zur selben Zeit abgehaltenen Präsidentenwahl kam Sandu unter den insgesamt elf Kandidaten zwar als erste durchs Ziel, verfehlte aber die absolute Mehrheit und muss deshalb in zwei Wochen in eine Stichwahl. Sandu beklagte Einfluss auf die Präsidentschaftswahl. Kriminelle Gruppen hätten gemeinsam mit einer ausländischen Macht versucht, die Lage in Moldau zu destabilisieren. Die nach einem EU-Beitritt strebende Führung des verarmten Agrarstaats sieht Russland als größte Bedrohung für die Stabilität der Republik.
Es gebe Beweise, dass 300.000 Stimmen gekauft worden seien, sagte Sandu bei einem nächtlichen Auftritt. Dutzende Millionen Euro seien ausgegeben worden, um Lügen und Propaganda zu verbreiten. Details nannte die Staatschefin nicht. Allerdings hatten moldauische Sicherheitskräfte schon vor der Abstimmung Wählerbestechung und prorussische Desinformation aufgedeckt.
Bei der Präsidentschaftswahl in Moldau hat Amtsinhaberin Sandu die absolute Mehrheit verfehlt. ZDF-Korrespondent Sebastian Ehm aus der Hauptstadt Chisinau mit einer Einschätzung.21.10.2024 | 0:57 min
EU wirft Russland "beispiellose Einflussnahme" auf Wahlen vor
Auch die Europäische Union hat Russland eine "beispiellose Einflussnahme" auf die Präsidentschaftswahl in Moldau sowie auf das Referendum vorgeworfen. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sprach von einer gezielten russischen Kampagne zur "Einschüchterung" und "Einmischung".
Die doppelte Abstimmung sei gut organisiert gewesen - gerade auch angesichts der versuchten Einflussnahme von außen, befanden Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Kritisiert wurden aber kurzfristige Gesetzesänderungen vor der Wahl. Das Werben der moldauischen Führung für ein Ja zur EU, verknüpft mit Sandus Kampf um eine Wiederwahl, habe für andere Kandidaten einen Nachteil bedeutet, teilten die OSZE-Beobachter mit.
Quelle: dpa
Bereits Monate vor der Volksabstimmung und der Präsidentschaftswahl in dem Nachbarland der Ukraine seien Moldaus Wähler nach EU-Informationen "massiver Propaganda aus Russland und von russischen Stellvertretern" ausgesetzt gewesen, so der Sprecher. Eine abschließende Bewertung wolle die EU später vorlegen.
In Transnistrien haben pro-russische Kräfte das Sagen. Es gehört zu Moldau, was einen pro-europäischen Kurs möchte. Eine Wahl zwischen zwei Welten.16.10.2024 | 6:34 min
Russland fordert Belege für Manipulationsvorwürfe
Russland hingegen forderte Beweise für die erhobenen Vorwürfe der Wahlmanipulation. Es handele sich um ziemlich ernste Anschuldigungen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge.
Die (zum Zeitpunkt von Peskows Aussagen noch vorläufigen) Ergebnisse zeigten vielmehr, dass viele Menschen in der Ex-Sowjetrepublik nicht mit Sandus Politik einverstanden seien.
Wurden in Moldau Stimmen gekauft, um den Pro-EU-Kurs des Landes zu bremsen? Das behauptet Präsidentin Sandu. Experte Christoph Heusgen gibt ihr recht: Er sieht Moskau im Verdacht.
von Silas Thelen
mit Video
Sandu ist seit 2020 Präsidentin Moldaus
Moldau mit 2,5 Millionen Einwohnern ist zwischen dem Westen und Russland traditionell hin- und hergerissen. Das verarmte Agrarland liegt zwischen EU- und Nato-Mitglied Rumänien und der von Russland angegriffenen Ukraine. Seit Juni laufen die offiziellen Gespräche zwischen Brüssel und Chisinau.
Seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine im Februar 2022 befürchten viele Moldauer, dass Russland ihr Land als nächstes angreifen könnte. Sorge bereitet vielen auch die Lage in der russischsprachigen Region Transnistrien, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von Moldau abgespalten hatte.
Sandu ist seit 2020 in der ehemaligen Sowjetrepublik im Amt. Die frühere Ökonomin der Weltbank hatte die Beziehungen zu Russland abgebrochen und 2022 kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine den Beitritt zur EU beantragt.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.